Ärger mit der Telekom:Falsch verbunden

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Ein Mann befestigt ein überdimensionales Telekom-Logo an der Wand einer Messehalle. (Foto: AFP)
  • Die Telekom will ihr gesamtes Netz bis 2018 auf internetbasierte Kommunikation umstellen, in München sollen bereits Ende 2016 alle Kunden nur noch über das Internet telefonieren.
  • Langfristig werden wohl bundesweit auch alle anderen Unternehmen umschalten. Offenbar allerdings in unterschiedlichem Tempo.
  • Die Umstellung ist eine unvermeidbare technische Entwicklung - sagen die Unternehmen. Das neue Netz bringt vor allem Nachteile für die Kunden und spart den Firmen Kosten - sagen die Kritiker.

Von Inga Rahmsdorf

Der Telefonanschluss funktioniert schon seit Tagen nicht, das Internet auch nicht, der Techniker erscheint nicht zum vereinbarten Termin, und bei der Service-Hotline hängt man in der Warteschleife. Solche oder ähnliche Situationen erleben derzeit viele Kunden, wenn ihr Anschluss auf ein internetbasiertes Netz umgestellt wird. Das zeigen zahlreiche Beschwerden, die bei der Verbraucherzentrale Bayern eingegangen sind sowie Unterlagen von Betroffenen, die der SZ vorliegen.

Die Telekom hat sich ein großes Ziel gesetzt. Sie will ihr gesamtes Netz bis 2018 auf internetbasierte Kommunikation umstellen, in München sollen bereits Ende 2016 alle Kunden nur noch über das Internet telefonieren. Langfristig werden wohl bundesweit auch alle anderen Unternehmen umschalten. Offenbar allerdings in unterschiedlichem Tempo. So will sich der regionale Telekommunikationsanbieter M-Net mehr Zeit lassen. Derzeit sei geplant, bis mindestens 2020 noch die alten ISDN-Anschlüsse anzubieten, sagt Andreas Dietrich, Sprecher von M-Net. Allerdings telefoniere auch die Hälfte der M-Net-Kunden bereits über ein internetbasiertes Netz. Bei der Telekom ist es erst ein Viertel.

Wer über eine Umstellung entscheidet

Die Umstellung ist eine unvermeidbare technische Entwicklung - sagen die Unternehmen. Das neue Netz bringt vor allem Nachteile für die Kunden und spart den Firmen Kosten - sagen die Kritiker. Gesetzlich wird in Deutschland kein Netz vorgeschrieben, das Telekommunikationsgesetz (TGK) ist technologieneutral formuliert.

Die Entscheidung liegt also bei den Unternehmen, ob die Übertragung über analoge oder digitale Technologien (ISDN) erfolgen soll, oder eben über Internetprotokoll (IP), wie Steffi Thiele, Sprecherin der Bundesnetzagentur, sagt. Es gebe aber nun einmal keine Alternative zum internetbasierten Netz, sagt Markus Jodl, Sprecher der Telekom. "Das IP-Netz ist ein weltweiter Trend, an dem niemand vorbeikommt." Sich dem entgegenzustellen, hieße, sich der technologischen Entwicklung zu verweigern. Zudem werde es auf absehbare Zeit keine Ersatzteile mehr für die ISDN-Anschlüsse geben, so Jodl.

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Diese Auffassung vertreten auch andere Anbieter. Es gehe nicht darum, die Internet-Telefonie grundsätzlich infrage zu stellen, sagt Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbands VATM, in dem sich mehr als 120 Telekommunikationsunternehmen zusammengeschlossen haben. Grützner kritisiert aber das Vorgehen der Telekom, die Kunden zu einem schnellen Wechsel zwingt. "Irgendwann müssen alle umgeschaltet werden, aber es gibt keinen Grund, den Kunden die Pistole auf die Brust zu drücken", so Grützner.

Neben der Frage, wie sinnvoll diese Umstellung auf die Internet-Telefonie grundsätzlich ist, geht es derzeit vielen Telefonkunden vor allem darum, wie dieser Wechsel abläuft. Denn der neue Anschluss funktioniert offenbar nicht immer reibungslos. Hinzu kommt, dass für die Umstellung eines bestehenden ISDN-Anschlusses auf einen IP-Anschluss ein neuer Vertrag nötig ist. Das hat rechtliche Gründe, denn die Leistungen, die in den alten Verträgen stehen, werden künftig gar nicht mehr angeboten.

100 Beschwerden - innerhalb einer Woche

Die Verbraucherzentrale Bayern ruft auf ihrer Homepage Telekomkunden dazu auf, sich zu melden, wenn sie Probleme bei der Kündigung und Umstellung erleben. Tatjana Halm, Rechtsreferentin der Verbraucherzentrale, war überrascht über die hohe Zahl an Reaktionen. Innerhalb von nur knapp einer Woche seien etwa 100 Rückmeldungen eingegangen. Dabei handle es sich natürlich nicht um eine repräsentative Erhebung, betont Halm. Aber man könne die Beschwerden immerhin als ein Indiz dafür sehen, dass es einen Missstand bei der Telekom gebe.

Eine erste Auswertung der Beschwerden zeigt, dass bei der Umstellung verschiedene technische Probleme auftreten. Zum einen kritisieren Kunden, wie der neue Vertragsabschluss zustande gekommen ist. Ihnen sei nicht erklärt worden, was die Umstellung auf IP überhaupt bedeute. Oder sie seien nicht oder falsch informiert worden, ob ihr Router noch einsatzfähig sei. Ein zweiter Kritikpunkt bezieht sich auf die schlechtere Verbindung mit der Internet-Telefonie. Andere Beschwerden zielen darauf, dass es mehrere Wochen oder sogar Monate gedauert habe, bis der Telefon- und Internetanschluss wieder funktioniere. Dass Techniker nicht kamen oder vor der Tür standen, wenn sie nicht angemeldet waren.

Wie die Telekom mit Problemen umgeht

Bei wie vielen Umstellungen auf das neue Netz Schwierigkeiten auftreten, darüber macht die Telekom keine Angaben. Aber dass es Probleme gibt, das bestreitet Telekom-Sprecher Jodl nicht. Er weist aber auf die enormen Zahlen hin. Die Telekom stelle jede Woche bundesweit 50 000 bis 60 000 Telefonanschlüsse um. Und das sei nun einmal sehr komplex.

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Eigenen Angaben zufolge hat die Telekom insgesamt 20 Millionen Kunden, fünf Millionen davon telefonieren bereits über das Internet. Das sind natürlich andere Dimensionen als bei einem regionalen Anbieter wie M-Net. Dort zählt man 310 000 Anschlüsse, von denen die Hälfte noch auf ISDN-Technologie basiert, die andere Hälfte auf Internet-Telefonie. Von den Kunden der Unternehmen, die zum VATM-Verband gehören, telefonieren bereits 70 Prozent über das Internet. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass die Telekom noch viele Kunden hat, die schon seit Jahrzehnten dabei sind und die seit der Liberalisierung des deutschen Telekommunikationsmarktes 1998 nie gewechselt haben.

Hat sich das Unternehmen übernommen?

Hat die Telekom sich dann vielleicht übernommen mit dem Ziel, in so kurzer Zeit eine so große Zahl von Neuanschlüssen bewältigen zu wollen? Nein, sagt Jodl entschieden. "Bis 2018 müssen wir fertig sein." Dafür sei die Hotline an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden kostenlos erreichbar. "Wir haben pro Tag 18 000 telefonische Kontakte, das sind beileibe nicht alles Beschwerden, sondern vor allem Beratungs- und Verkaufsgespräche." Das sehen wohl manche Kunden anders.

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt sind die zusätzlichen Kosten, die anfallen, weil sich Kunden einen neuen Router oder andere Endgeräte neu kaufen oder den Techniker bezahlen müssen. Wenn die Telekom die Kunden dränge, ihren Anschluss umzustellen, dann müsse sie auch für die Kosten aufkommen, fordert Halm von der Verbraucherzentrale.

Die Telekom könne schließlich nicht alles umsonst machen, hält ihr Sprecher Jodl dagegen. Etwa 80 Prozent der Kunden würden nach der Umstellung auf IP-Telefonie etwa fünf Euro weniger im Monat zahlen. Die Kosten für einen neuen Router seien da schnell wieder drin. Bei M-Net, sagt Sprecher Dietrich, könnten Kunden bei der Umstellung einen kostenlosen Techniker in Anspruch nehmen und bei Bedarf auch einen kostenlosen neuen Router erhalten.

© SZ vom 07.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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