Advent, Advent: Türen der Stadt:Lichterketten im Backstage-Bereich

Lesezeit: 21 min

Jeden Tag im Advent öffnen wir eine Münchner Tür - heute schauen wir in einen Raum der Olympiahalle, wo die Stars vor dem Auftritt in trüben Katakomben sitzen.

Diese Türen sehen eigentlich langweilig aus: Sie sind aus schwerem Eisen, blau bemalt, in der oberen Ecke mit einer kleinen Nummer versehen. Interessant macht diese Türen erst das Din-A4-große Papierschild an der Wand daneben. "Robin Gibb" steht auf dem einen, "Kim Wilde" auf einem anderen, "Tears for Fears" gegenüber. Hier unten, in den Katakomben der Olympiahalle, reiht sich in diesen Tagen eine Starkabine an die nächste.

Hinter dieser Tür sitzen dauernd irgendwelche Stars. (Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Bei der "Night of the Proms", die noch bis Sonntag stattfindet, wirken 120 Musiker mit: ein Orchester, der Harlem Gospel Choir, mehrere Bands. Sie verteilen sich auf 22 Backstage-Räume: kleine Rückzugsstübchen, in denen sich die Künstler vor dem Auftritt schminken und ankleiden, wo sie essen oder trinken können. Die Räume stammen von 1972, sie waren als Umkleidekabinen für die Olympioniken gedacht. Deshalb zieht sich an der Wand von Kim Wildes Zimmer auch eine rote Leiste mit vielen Haken entlang.

"Wir haben eine Liste, auf der wir vermerken, wer was in seinem Raum möchte", sagt Tour-Pressesprecher Michael Kunert. Der eine bevorzugt es schummrig, der andere eher ausgeleuchtet. "Die meisten wollen es einfach gemütlich", sagt Kunert.

Zwei Paar höchsthackige Schuhe

Kim Wilde etwa kann sich in ihrem Zimmer auf einem grünen Sofa ausruhen, beschattet von einer Bambusstaude. Daneben ein Schminktisch, ein kleines Buffet. Neben einem Kleiderschrank sind auf weißem Tuch zwei Paar höchsthackige Schuhe bereitgestellt. Doch dann rauscht auch schon die Sängerin in ihr Zimmer, nur eine Garderobenhelferin darf jetzt noch drinbleiben. Kurz darauf verlässt diese den Raum und kehrt mit einem kleinen Plastikweihnachtsbaum zurück. Frau Wilde liebt's offenbar besinnlich, jedenfalls behängt sie sogar den Bambus noch höchstselbst mit einer Lichterkette.

Auch Ex-Bee-Gee Robin Gibb bevorzugt eine beschauliche Atmosphäre: Auf seinem Sofatischchen wurde eine rote Kerze platziert. "Aber bei Robin Gibb ist etwas anderes noch viel wichtiger", sagt Michael Kunert und deutet auf den Tisch an der Wand. Darauf liegen, unter anderem, fünf Riegel "Kitkat". "Ohne Kitkat und englische Weingummis ist für Robin Gibb der Abend gelaufen", sagt Kunert.

Daneben sind drei Päckchen Marlboro Light aufgereiht, dahinter steht eine Flasche Rotwein: ein Saint-Emilion "Château la Tuilerie" 2005. Viel Zeit, um all die Leckereien sowie den üppigen Käseteller im Kühlschrank zu verspeisen, nimmt sich Gibb meist nicht. "Er kommt eine Viertelstunde vor seinem Auftritt", sagt Kunert, "und danach ist er gleich wieder weg."

Weiter zu einem Vernehmungszimmer für sexuell missbrauchte Kinder im Kommissariat 15.

Alles erwartet man in diesem nüchternen 50er-Jahre-Bau, das nicht: Hinter der Türe Teddybären unter Grünpflanzen, auf dem Tisch Bilderbücher und Puzzlespiele, an der Wand Regale aus hellem Holz, eine beige Couch. Ein gemütlicher Rahmen, aber schreckliche Themen: Hier, im Kommissariat 15, werden sexuell missbrauchte Kinder vernommen.

Rund 160 Anhörungen von Kindern finden hinter dieser Tür jährlich statt. Meist geht es um sexuellen Missbrauch oder Misshandlungen. (Foto: Foto:)

Zehn Jahre ist es her, dass Kriminalhauptkommissar Gottfried Schlicht bei Ikea das Mobiliar gekauft und mit seinen Kollegen den Raum eingerichtet hat. Grundlage war eine Gesetzesänderung in der Strafprozessordnung, die es erlaubt, "Personen unter 16 Jahren, die durch eine Straftat verletzt worden sind, per Videoaufzeichnung" anzuhören. Damit, erklärt Ignaz Raab vom Kommissariat 15, "ersparen wir den Opfern die Konfrontation mit dem Täter im Gerichtssaal und die direkte Befragung durch die Verteidiger".

Wenn das Kind in den Raum kommt, hat es erst einmal Zeit, sich umzuschauen. "Wir fragen beispielsweise, ob es die vier versteckten Videokameras findet", erzählt Schlicht. Zwischen Eichkätzchen und Ficus sind zudem Mikrophone installiert. Dieses Suchspiel kann ein erster Anknüpfungspunkt für ein Gespräch sein, bevor es ernst wird. Die Vernehmung selbst erfordert ein hohes Maß an Sensibilität. Die Polizisten versuchen, die Sprache des Kindes zu sprechen, um die Dinge beim Namen nennen zu können. Und sie müssen wissen, wann es für das Kind genug ist.

"Die Macht der aufgenommenen Bilder ist enorm", sagt Raab. Wenn Fünfjährige in Tränen ausbrechen und erzählen, was der Opa gemacht hat. Oder wenn sie dasitzen, den Kopf senken und nichts mehr sagen können. Hier in diesem Raum saßen die Geschwister, die 2007 am Ackermannbogen von einem Fremden missbraucht wurden. Oder die 14-Jährige, deren Mutter einen Auftragskiller angeheuert hatte, um den Vater zu töten.

Dreieinhalb Zimmer umfasst der "Kindervernehmungsraum": In einem sitzt das Kind, in einem die Eltern, die die Vernehmung auf einem Fernseher live mitverfolgen können. Das halbe Zimmer ist einem Techniker vorbehalten, der durch einen venezianischen Spiegel in den Raum blicken kann und Bild und Ton mitschneidet. Im dritten Raum sitzt der mutmaßliche Täter, neben ihm Staatsanwalt, Verteidiger, Gutachter. Via Bildschirm kann der Verteidiger auch Zusatzfragen stellen.

"In seiner Größe und Ausstattung ist das Zimmer einzigartig in Bayern", sagt Schlicht. Rund 160 Anhörungen von Kindern finden jährlich hier an der Bayerstraße statt. Meist geht es um sexuellen Missbrauch oder Misshandlungen. "Das Schlimmste wäre, wenn einem Kind etwas zustößt und wir ihm nicht glauben", meint Raab. Andererseits müssen die Ermittler erkennen, wenn mit einem Kind die Phantasie durchgeht. So wie bei einem Buben, der detailliert von einem Missbrauch erzählte. Am Ende stellte sich heraus, dass er einen Pornofilm geschaut hatte - und das Gesehene nicht verkraften konnte.

In Sicherheit: Schauen Sie hinter ein graues Stück Metall mit Graffiti-Zeichen in einen Bunker - notfalls haben hier 34.000 Münchner Platz.

Advent, Advent: Die Türen der Stadt (2): In ist, wer reinkommt

Die anziehende Wirkung dieses Eingangs ist an zwei jungen Männern gut zu beobachten. Lederjacke, Jeans, gegelte Haare, so sind sie an einem Freitagabend extra aus Stuttgart angereist. Ihr Ziel: Die kerzenbeleuchteten heiligen Feier-Hallen des bekanntesten Münchner Clubs. Einziges Hindernis ist eine unscheinbare, versteckte Tür am Rande des dunklen Englischen Gartens, nur spärlich von roten Lichtern erhellt - der Zugang zu einem exklusiven Party-Tempel.

Ein Mann stellt sich den beiden Halbstarken in den Weg. Alex, 34, seit vier Jahren einer der Türsteher des P1, entscheidet an guten Abenden eintausendmal, wer reinkommt und wer nicht. Er kennt mehr als die Hälfte der Gäste. Ihnen schüttelt er die Hand und bittet sie rein. Dorthin, wo circa 50 Reservierungsschilder auf Bartresen und Lounge-Tischen aufgestellt sind, sich Grünwalder Söhnchen neben Klatschspaltenpromis, Geschäftsleuten, einsamen Damen und spendablen Stammgästen vergnügen.

Wo schon Boris Becker, Oliver Kahn und Mick Jagger gesichtet wurden, versammeln sich Menschen, von denen viele gerne am nächsten Tag erzählen, dass sie "wieder im Oansa" oder im "Stüberl" waren. Auch die beiden Halbstarken würden das gerne von sich behaupten, aber Alex schüttelt den Kopf.

Gute Karten hat, wer den Türsteher zum Lachen bringt

"Wenn das Outfit nicht geht, fahren Gäste auch mal eineinhalb Stunden lang nach Hause, ziehen sich um und kommen wieder", sagt Alex. "Manche geben hier allerdings bis zu 15.000 Euro im Monat aus, die dürfen dann auch mit Flip-Flops rein." Wichtig sei zum Beispiel, dass die Leute bei ihm anhalten und nicht telefonierten. Gute Karten hat auch, wer den Türsteher zum Lachen bringt.

Die zwei aus Stuttgart steigen in ihren Leih-TT und fahren direkt vor den Eingang, so dass der Türsteher das Auto sieht. Anschließend stellen sie sich noch einmal an, werden wieder abgewiesen. Einer spuckt ins Gebüsch und ruft ins Telefon: "Was soll ich jetzt machen? Ich steh doch genau davor!" Der Mythos des Clubs verlangt eben, dass nicht jeder reinkommt - drinnen sieht es übrigens aus wie in jedem anderen Club auch.

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul: Lesen Sie weiter über die Silberkammer, wo die Stadt nutzlose Mitbringsel hortet.

Advent, Advent: Die Türen der Stadt (1): Ein Samurai-Helm im Rathaus

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul - und ein so feiner Herr wie Karl Heinz Lindemeir, der städtische Protokollchef, überlegt auch nicht krampfhaft, wie man die leider oft nutzlosen Mitbringsel ausländischer Delegationen doch noch standesgemäß verwenden könnte. Und so kommt es, dass die Schmuckstücke, die er im Auftrag der Stadt in der Silberkammer im ersten Stock des Rathauses hortet, ihr Dasein im Dunkel der Schubladen fristen. Ihre große Stunde schlägt einmal im Jahr, beim Tag der offenen Tür. Dann werden die handgefertigten Lederschuhe aus Harare, der Samurai-Helm aus Sapporo und die Grubenlampe aus dem Ruhrgebiet so drapiert, dass die Besucher staunend daran vorüberziehen können.

Das meiste allerdings, was Münchens Stadtoberhäupter von ihren Besuchen im Ausland mitgebracht haben oder was ihnen als Gastgeschenk in München verehrt wurde, landet im Stadtarchiv. Das ist auch gut so. Nicht auszudenken, welche internationalen Verwicklungen entstanden wären, hätte die damals noch städtische Polizei in ihrer Not bei den Schwabinger Krawallen auf jenes Gastgeschenk zurückgegriffen, das die US-Militärpolizei 1963 überbracht hatte - einen 51 Zentimeter langen Schlagstock.

Barbusige Frauen und Totempfähle

Es haut auch niemand je getestet, ob der Bierkrug aus Leder, der im Stadtarchiv vor sich hin trocknet, wirklich dicht ist. Solche Dinge werden dort mit Inventarnummern versehen und in Kategorien eingeteilt, wobei Bierkrüge, barbusige Frauen aus Ebenholz und Totempfähle in die Rubrik "Sonstige Gegenstände" fallen - zum Teil recht schwer. Auch Gold gibt es hier: Ein Medaillenset des Königs von Jordanien von dessen Thronbesteigung.

Solche Werte findet man in der Silberkammer, wo früher das Tafelsilber für 400 Personen auf Festgelage wartete, natürlich nicht. Warum sollte man Diebe anlocken? Aber etwas Goldenes gibt es dort schon, groß und schwer: Das Goldene Buch der Stadt. Der vorerst letzte Unterschreiber war recht knickrig. Al Gore, früherer US-Vizepräsident, Nobelpreisträger und hoch dotierter Vortragender zur Rettung der Welt, brachte nicht einmal ein Exemplar seiner Rede mit, die er stets unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorträgt.

Gekriegt hat er trotzdem etwas, und zwar das Teuerste, was Protokollchef Lindemeir aufzubieten hat - das Münchner Kindl aus Nymphenburger Porzellan, in Miniatur. Das Original ziert seit mehr als hundert Jahren die Rathausspitze und misst 1,65 Meter, weil es der Bildhauer Anton Schmid nach dem Modell seines Sohnes Ludwig formte. Der wurde später als Ludwig Schmid-Wildy ein großer Volksschauspieler.

Advent, Advent: Türen der Stadt (11): In Sicherheit

Eine einzige Tür - für das Haus mit der Adresse Blumenstraße 22 ist das nicht genug. Nach außen hin mag da nur dieses graue Stück Metall mit den Graffiti-Zeichen sein. Aber die wahren Hindernisse auf dem Weg in das Gebäude kommen erst noch. Blau lackiert versperren nacheinander zwei weitere Türen den Weg ins Innere. Beide hängen tonnenschwer in ihren Angeln. Die Botschaft ist klar: Hier kommt nichts rein, was nicht rein soll.

Willkommen im Hochbunker Blumenstraße mit ABC-Schutzfunktion. Der Turm wenige Meter südlich der Schrannenhalle ist eine Anlaufstelle für den Fall, dass München mit einer Atombombe, biologischen oder chemischen Waffen angegriffen wird. Errichtet hat man ihn in einer Zeit, in der das eine reale Bedrohung war: Im Zweiten Weltkrieg nämlich. Bis zu 750 Menschen bot der Bunker mit seinen durchschnittlich 1,50 Meter dicken Betonwänden damals Schutz auch vor herkömmlichen Bomben.

So massiv der Bunker nach außen abgeschottet ist, so elementar geht es in seinem Inneren zu. Alles hier ist funktional, auf fünf Ebenen gibt es leere große Räume mit nackten Wänden, in denen sich im Ernstfall die Menschen aufhalten sollen. Die überlebensnotwendigen Dinge werden im Keller und im Erdgeschoss gesteuert. Im Bunkerwart-Raum etwa, wo eben jener Bunkerwart die Technik überwacht. Technik von überschaubarer Komplexität ist das, denn empfindliche Hightech-Anklagen kann bei einem Angriff niemand brauchen.

Weil der Bunker luftdicht abgeschlossen ist - dafür die vielen Türen - saugt ein Elektromotor Frischluft von außen an. Diese strömt zunächst durch eine meterdicke Schicht aus feinem Vulkangestein-Sand, wodurch mögliches Giftgas gefiltert wird. Außerdem kühlt der Sand die Luft, was notwendig ist, wenn es außen nach einem Bombenangriff lichterloh brennt. Fällt der Strom aus, kommen Kurbeln zum Einsatz: Insgesamt acht Menschen sorgen dann mit ihrer Muskelkraft für die nötige Luftzufuhr. Geschirr, Toilettenpapier, Windeln, Damenbinden - diese Dinge komplettieren die Grundausstattung. Was gänzlich fehlt, ist Nahrung. Die müsste im Ernstfall erst herangeschafft werden.

Sollte dieser Ernstfall eintreten, täte man gut daran, schnell bei diesem Bunker zu sein: "Wir nehmen die auf, die zuerst kommen", sagt Heinz Geissl vom Kreisverwaltungsreferat (KVR). Das dortige "Sachgebiet Trinkwassernotversorgung und Schutzbau" verwaltet den Turm an der Blumenstraße und die 30 weiteren Bunkeranlagen im Stadtgebiet. Die wenigsten davon sind dabei einzig und allein für den Schutz der Bevölkerung gebaut.

23 erfüllen auch in Friedenszeiten einen Zweck und befinden sich unter der Erde - Tiefgaragen, die mit wenigen Handgriffen abgeriegelt und zu Bunkern gemacht werden können. Die größte dieser Anlagen ist die Tiefgarage am Hauptbahnhof. 3000 Menschen können dort Zuflucht finden, eine Garage am Innsbrucker Ring ist ähnlich groß. Insgesamt ist in den 31 Münchner Bunkern Platz für 34.500 Menschen.

Etwa 100 Menschen gibt es in der Stadt, die sich mit den Bunkern auskennen und im Notfall den Bunkerwart geben könnten. Das KVR unterhält zudem einen "Schutzrauminstandhaltungsdienst", dessen Mitarbeiter regelmäßig die Bunker der Stadt überprüfen. Auf dass die überschaubare Technik im Ernstfall nicht versage.

Alte Flaschen: Schauen Sie hinter eine massive Holztür in den Weinkeller von Dallmayr, wo Millionen schlummern.

Advent, Advent: Türen der Stadt (10): Alte Flaschen

Der massiven Holztür sieht man an, dass dahinter wertvolle Dinge liegen. "Millionen-Werte sind da drin", bestätigt Marc Kaiser. Allerdings handelt es sich nicht um Geldbündel oder Goldbarren, sondern um Schätze in flüssiger Form. Kaiser ist Chef-Sommelier des Feinkosthauses Dallmayr - und damit auch Herr über den hauseigenen Weinkeller.

Der Zugang zu der auf zwölf Grad Celsius temperierten Klimakammer führt durch das Verkostungszimmer. Über eine Treppe geht es hinunter in den Kellerraum mit einem Kreuzgewölbe. "Der Oberbürgermeister war schon hier", erzählt Kaiser, "auch die Vorstände etlicher Unternehmen haben hier Weinproben gemacht."

Es ist kühl hier unten im Verkostungszimmer, fünf Meter unter der Erdoberfläche, nicht viel wärmer als im temperierten Weinkeller selbst, der durch eine Glastür abgetrennt ist. "Wenn hier 18 Personen drin sind und ein paar Gläser Rotwein verkostet haben, dann wird einem aber schnell warm", beruhigt Kaiser.

Was sind das nun für Schätze, die Kaiser hütet und nur an ausgesuchte Kenner und Kunden des Hauses herausrückt? Gut 1200 Flaschen lagern hier, meist in Zwölfer-Kisten. "Alte Bordeaux oder Weine aus dem Burgund, aber auch hochwertige Italiener und Großformate", sagt Kaiser und zeigt auf eine 15-Liter-Flasche. "Dieser Wein stammt aus dem Priorat, dem Hinterland von Tarragona. Dort befindet sich das Weingut mit dem Namen Trio Infernal."

Was aber nicht auf höllische Kopfschmerzen beim Konsum hinweist. "Das Weingut gehört drei Winzern", erklärt Kaiser. "Einem Deutschen und zwei Franzosen - deshalb der Name." Kaiser kann zu vielen Weinen eine unterhaltsame Geschichte erzählen. Und er kennt natürlich auch die Preise: Das Großformat des Trio Infernal sei eine Spezialabfüllung für Dallmayr, sie kostet rund 1000 Euro. Für den teuersten Wein hier unten muss der Kunde rund 3500 Euro hinlegen, es ist ein Petrus Jahrgangs 1970.

Natürlich lagern im Keller noch viel ältere Flaschen: etwa ein Rüdesheimer Apostelwein aus dem Jahr 1729. "Der ist sehr selten, der Bremer Ratskeller hat ihn auch noch", weiß Kaiser. Ist so ein Wein noch trinkbar? "Sicher nicht für den normalen Weinliebhaber", lautet die diplomatische Antwort. Aber der Preis von zirka 3500 Euro übersteigt das Budget des normalen Weintrinkers ohnehin.

Engel im Untergrund: Schauen Sie in die Halle, in der die Stadt ihre Wiesn-Bauten lagert.

Advent, Advent: Türen der Stadt (9): Engel im Untergrund

Wenn sich die schwere, graue Eisentür öffnet, steht man erst einmal vor sehr vielen Holzbohlen. Fein säuberlich sind sie aufgeschichtet, ungefähr eineinhalb Meter hoch und ein paar Meter lang - ein Lastwagen kann sie bequem aufladen. Sie sehen nicht so aus, aber diese Pakete sind - in aufgebautem Zustand - äußerst hilfreich, wenn die Menschen auf der Wiesn ein zutiefst menschliches Bedürfnis ereilt. "Das sind die städtischen Toiletten", sagt Günther Kaiser, der Leiter des Oktoberfestbauhofs, "ungefähr zehn solcher Pakete ergeben ein Toilettenhaus."

Hier unten, im Städtischen Lager an der Ganghoferstraße, lagert alles, was die Stadt im Laufe des Jahres für ihre Veranstaltungen benötigt: die Stände für die drei Auer Dulten, die Hütten für den Christkindlmarkt - und alles, was von städtischer Seite für die zwei Wochen Oktoberfest benötigt wird. Auf den rund 20000 Quadratmetern des früheren, unterirdischen Messe-Bauhofs deponieren außerdem die Kammerspiele ihre Kulissen und das Lenbachhaus allerlei Utensilien. Erst im Mai dieses Jahres hat die Stadt dieses geräumige Lager mit dem unscheinbaren Eingang bezogen.

Mehr als die Hälfte des verfügbaren Raumes nimmt jedoch die Ausstattung der unterschiedlichen Jahrmärkte ein. Eine Halle beispielsweise ist bis auf den letzten Zentimeter gefüllt mit Brezenverkaufsständen, über 100 sind es. In einer anderen werden Massen von Neonröhren gelagert, aber auch Straßenschilder, die den Weg zur U-Bahn zeigen oder Feuerwehreinfahrten markieren, sowie allerlei Kleinteile, ohne die die Wiesn eben auch nicht auskommt. "Wir bauen die Sachen auf", sagt Kaiser über seine Arbeit, "und dann bauen wir sie wieder ab."

Das zweifellos schönste Zubehör allerdings lagert ganz hinten links in Halle 11.2. Warm schimmert das Licht von dort hinten her, nackte Haut ist zu sehen, Pfeilspitzen ragen in die Luft. Auf dem rohen Betonboden stehen sie eng beisammen: die sogenannten Klo-Engerl, jene himmelsbotenartigen Geschöpfe, die bequem auf einem Nachttopf Platz genommen haben und von dort aus mit Pfeil und Bogen den kürzesten Weg zu den überaus irdischen Orten weisen. "Dort kann man, wenn man muss", steht zur Erklärung auf den grauen Schildern, auch sie werden hier aufbewahrt.

Aus den fünfziger Jahren stammen die neun nackten Figuren, denen die klassischen Engelsattribute, die Flügel, eigentlich fehlen - trotzdem werden sie im Tourismusamt als "Klo-Engerl" bezeichnet. "Sie verheißen ja die Rettung", sagt Gabriele Papke. Vor einigen Jahren, so Kaiser, habe man die Figuren restauriert - bis auf einen, den man im Original belassen hat. Grau und etwas angeschmutzt steht dieser zehnte Engel ein bisschen abseits neben seinen glänzenden Kollegen.

Gleich daneben fristen zwei Münchner Kindl ihr Dasein: Eines der beiden ziert jedes Jahr wieder die Mitte des fichtengrünen Eingangsbogens zum Oktoberfest, das andere ist nicht ganz so aufpoliert und "gewissermaßen die Reserve", sagt Günther Kaiser, falls das Kindl Nummer eins eines Tages von einem Sturm weggefegt werden sollte. Aber: "Toi toi toi, wir haben es noch nie gebraucht."

Von Mäusen und Menschen: Schauen Sie sich in einer Nagetierklinik auf der Spur nach Gendefekten um.

Advent, Advent: Türen der Stadt (8): Von Mäusen und Menschen

Das hier ist eine ganz harte Tür. Wer zu den Mäusen will, bei dem muss das Äußere ganz genau stimmen, da gibt es keine Ausnahmen: Er braucht einen sterilen Overall, Handschuhe, Haarnetz und Mundschutz. Schließlich muss er noch durch eine Schleuse, die ihn mit sauberer Luft abduscht, dass es ihm die Haare anlegt. Denn wer die falschen Keime einschleppen würde, könnte regelrechte Epidemien unter den Nagetieren auslösen. Und damit wäre unter Umständen die Forschungsarbeit von vielen Jahren vernichtet.

Ein paar Tausend Mäuse sind hier in dem Labortrakt am Münchner Helmholtz-Zentrum untergebracht, fein säuberlich nach feinen Unterschieden im Erbgut sortiert und auf Hunderte von Plexiglasboxen mit einer Streu aus Sägespänen verteilt. Die German Mouse Clinic (GMC) ist wohl einmalig auf der Welt, es ist eine spezielle Forschungseinheit, die genetisch manipulierte Exemplare auf Herz und Nieren testet, sogenannte Knockout-Mäuse etwa. Bei ihnen ist ein Gen gleichsam k.o. gegangen, und nun suchen die Wissenschaftler, was ein solcher Defekt bei den Mutanten anrichtet. Ein gutes Dutzend Stationen mit Batterien von Tests müssen die Mäuse durchlaufen, bis klar ist, was ihnen körperlich fehlt.

Für die Diagnose machen die Forscher wie in einer Klinik beispielsweise ein EKG, eine Röntgenaufnahme oder eine Computertomographie von ihren kleinen Patienten. Insgesamt untersuchen sie rund 240 Parameter, machen Verhaltens-, Seh- und neurologische Tests ebenso wie Untersuchungen der Lungenfunktion, der Schmerzwahrnehmung oder der Allergieneigung sowie eine ganze Reihe biochemischer Stoffwechselanalysen. Phänotypisierung heißt dieser komplette Gesundheits-Check-up. Ihn bietet die Mausklinik im Übrigen auch als Service für Wissenschaftler aus aller Welt an.

Der Zweck der Diagnosen ist eindeutig: Die Münchner Forscher wollen an den Tieren lernen, was Kranke heilen kann. Und da rein genetisch gesehen, die Ähnlichkeit zwischen Maus und Mensch bei immerhin 95 Prozent liegt, sehen die Wissenschaftler in Neuherberg in ihren Maus-Mutanten gute Modelle, um daran Humankrankheiten zu erforschen. Auch wenn die Ergebnisse sich nicht 1:1 übertragen lassen, so sagen die Forscher, können darin doch Erkenntnisse über die Mechanismen der Krankheiten oder gar Ansätze für künftige Therapien stecken, egal ob es nun um Parkinson, Arthritis oder Osteoporose geht.

Beispiel Beethoven: In diesem Namen steckt ein kleiner Zynismus, denn die Mäuse dieser Linie sind wie der Komponist im Alter taub; beim Check-up fallen sie deshalb beim Hörtest durch. Ihnen fehlen die Haarzellen im Innenohr, mit denen sie Schallwellen überhaupt wahrnehmen können. Das Erbgut der Mäuse ist in einem Gen defekt, dass die Bauanleitung für ein Eiweiß enthält, das in der Hülle der Haarzellen vorkommt. Einen solchen Defekt fanden die Forscher auch in einem menschlichen Pendant des Gens - in manchen Familien, in denen Hörverluste gehäuft auftreten.

Blicken Sie in ein Büro des Landeskriminalamts, wo die Ermittler geraubte Kunstgegenstände verwahren.

Advent, Advent: Türen der Stadt (6/7): Schatzkammer mit Polizeischutz

Zu allererst fallen die beiden barocken Engel auf, die sich eng umschlingen. Dann das mit Goldornamenten verzierte Taufbecken, an der Wand das überdimensionale Bild der "Nude with blue hair" von Roy Lichtenstein und ein Ständer voller Zeichnungen von Miró. Letztere, sagt Hans Hoffmann, "sind gar nicht einmal so schlecht gemacht".

Was hier, hinter verschlossenen Türen und im abgedunkelten Raum im Landeskriminalamt (LKA) lagert, ist zum Teil von unschätzbarem Wert - aber auch wertloser Tand. In diesem Zimmer sammeln die Ermittler sichergestellte Kunstgegenstände - ob echt oder falsch.

"Rund 200 Stücke", so schätzt Erster Kriminalhauptkommissar Franz Weber, haben seine Beamten hinter der Tür mit den drei Schlössern angesammelt. Die "Sonderermittler Kunst" sind für drei Teilbereiche zuständig: Zum einen für die Aufklärung von Diebstählen aus Kirchen, Kapellen, Museen und öffentlichen Sammlungen - bei Werten von mehr als 3000 Euro. Zum anderen verfolgen sie Betrüger, die ge- oder verfälschte Kunstwerke verkaufen wollen. Und sie kümmern sich um Rechtshilfeangelegenheiten, wenn es um Kulturgüter aus dem Ausland geht, wie beispielsweise um den gut 1000 Stücke umfassenden Maya-Schatz, der im März in einer Lagerhalle in München aufgetaucht ist. Hier die Besitzfrage zu klären, wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Mit Miró-Werken im Gepäck nach Barcelona

"Kunstinteresse muss man schon haben", sagt Hans Hoffmann. Der Kriminalhauptkommissar besucht privat gerne Ausstellungen, aber auch dienstlich. Die Ermittler gehen beispielsweise mit ihrem Fahndungs-Laptop, in dem gestohlene Kunstgegenstände gespeichert sind, über die Antiquitätenmesse in München. Ob echt oder falsch - das können die Ermittler etwa bei Bildern nicht mit absoluter Sicherheit sagen. "Wir arbeiten beispielsweise mit dem Picasso-Institut in Paris zusammen oder fliegen mit Miró-Werken nach Barcelona", erzählt Hoffmann.

Rund 50 Sicherstellungen verzeichnen die LKA-Experten pro Jahr in Bayern. Und nach Verwahrung des Kunstgegenstandes geht die richtige Arbeit oft erst los - und kann Jahre dauern: Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs beispielsweise lösten sich im Osten Europas viele Kirchengemeinden auf, sakrale Gegenstände verschwanden.

So zum Beispiel zwei Altar-Flügel aus einer Kirche in Klieken (Sachsen-Anhalt), gemalt von Lukas Cranach dem Älteren, etwa um 1515 erstellt. 1980 wurden sie von unbekannten Dieben abmontiert, 1990 tauchten sie in einem Auktionshaus in Bamberg auf. Eine Dame ersteigerte die Flügel, ließ sie an eine Kommode bauen, und dort blieben sie auch, bis die Frau 15 Jahre später starb. Ihr Sohn ließ die Kostbarkeiten 2005 versteigern, neuer Besitzer wurde ein Bamberger Antikenhändler. In dessen Schaufenster entdeckte sie ein Experte aus München. Aber wer ist jetzt der Eigentümer, wer hat sich strafbar gemacht?

Die Kirche verhandelt nun zähneknirschend mit dem letzten Besitzer über den Preis ihrer ursprünglich eigenen Kunstwerke. Bis man sich einig ist, lagern die Flügel hinter gut verschlossenen Türen.

Weiter mit: "Vom Teufel hab' ich es nicht" - zu Besuch bei einer Hellseherin.

Advent, Advent: Türen der Stadt (5): Blick in die Zukunft

Hellseherin Schwepper blickt in die Zukunft: Kein gleißendes Licht, keine geheimnisvollen Nebelschwaden, nichts deutet darauf hin, dass hinter der Tür zu dem Einfamilienhaus in Untermenzing die Zukunft wartet. Stattdessen öffnet ein junger Mann die Tür: "Meine Mutter kommt gleich."

Marija Schwepper gilt in Boulevardblättern als "beste Hellseherin Deutschlands", "Trefferquote 100 Prozent". Doch für großes Brimborium hat sie wenig übrig. Nicht einmal eine Kristallkugel liegt auf dem wuchtigen Schreibtisch, keine Tarotkarten oder anderes esoterisches Handwerkszeug. "Brauche ich alles nicht", sagt die resolute Dame, die sich von "all den Scharlatanen in der Branche" distanziert. Schwepper sieht einfach die Zukunft. Sagt sie. Gott spreche durch sie, erklärt Schwepper, deren Wohnzimmer mit Bildern von der Gottesmutter und Engeln dekoriert ist. "Vom Teufel hab' ich es nicht."

Schwepper in Trance

Dass sie eine Gabe habe, sei ihr aufgefallen, als die Kunden, die sie in ihrem Kosmetikunternehmen betreute, irgendwann nicht mehr wegen der Nägel kamen, sondern weil sie etwas wissen wollten. Das einzige, was Schwepper für eine Weissagung von ihrem Gegenüber braucht, ist das Geburtsdatum - das sei ihr Schlüssel, der aber nichts mit Astrologie zu tun habe. Fragen will sie keine hören, "ich sehe schon, was die Menschen wissen wollen", erklärt sie. Dann schließen sich die grünen Augen, Marija Schwepper gerät in Trance, und wartet auf die Bilder, kurze Fetzen eines Films: Erst die Vergangenheit, dann die Gegenwart und schließlich die Zukunft.

In einer Fernsehsendung in Saarbrücken habe sie prophezeit, dass es innerhalb eines Tages einen Brand mit einem Toten geben werde, "keine 24 Stunden später hat es bei Villeroy & Boch gebrannt - ein Mensch starb". Egal, ob Wirtschaftskrise, Euro-Einführung, Lady Dianas Unglück, das sich als schwarzer Schleier über dem Königshaus ankündigte, oder das erste Treffen von Reagan und Gorbatschow - Schwepper wusste vorher, was geschieht.

Und wenn das Pentagon denn einmal nachfragen würde, wo sich Osama bin Laden aufhält, hätte die gebürtige Kroatin auch da die Antwort. Sogar Mordfälle habe sie aufgeklärt, erzählt die Wahrsagerin, denn dass die Polizei oder Angehörige sich bei ihr meldeten, um Vermisste oder Täter zu finden, komme durchaus häufiger vor.

Gute Werbung durch Springer-Presse

Für Zweifel an ihren Fähigkeiten hat Schwepper wenig Verständnis. "Sie können ja alles nachlesen." Seit die gelernte Kosmetikerin vor 28 Jahren mit der Hellseherei begann, taucht ihr Name immer wieder in den Medien auf. "Diese Frau weiß alles über Sie", heißt die Schlagzeile auf einem Zeitungsausriss aus früheren Jahren, der gerahmt neben dem Schreibtisch im Wohnzimmer hängt.

Weil die zweifache Mutter ihre Gabe auch am Telefon ausüben kann, ist sie vor allem durch groß plakatierte Leseraktionen für den Springer-Verlag bekannt geworden. Damit verdiene sie zwar kein Geld, sagt Schwepper, aber es ist eine gute Werbung für die Privataudienz in Untermenzing.

Viele Prominente sollen schon auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch mit den Engelsköpfen gesessen haben, um sich über das Glück ihrer Ehe oder die Chancen im Beruf zu erkundigen. Links neben dem Tisch hängt die Preisliste: 400 Euro kostet die "Lebensberatung" in privaten Angelegenheiten, 800 Euro verlangt Schwepper für lukrativen Rat zu wirtschaftlichen Themen. Der dürfte in der Finanzkrise besonders gefragt sein. Doch Aufbauendes sieht die Hellseherin dazu nicht: "Die Krise wird noch viel schlimmer."

Weiter zu: Raumstation unter Tage - Im Hauptbahnhof verbirgt sich eine Kommandozentrale für 761 Rolltreppen.

Advent, Advent: Die Türen der Stadt (4): Raumstation unter Tage

Über Hamburg kann Anton Michel nur lachen. Gerade mal 188 gibt es da. Köln hat 208 und Frankfurt 283. Die große Bundeshauptstadt Berlin? 366. Die Weltmetropole London? 460. Nein, in Anton Michels Verantwortungsbereich macht München so schnell keiner etwas vor. Mit der stattlichen Zahl von 761 ist München auf dem Gebiet der Rolltreppen weltweit eine der ganz großen Nummern.

Michel ist Bereichsleiter Fahrtreppen und Aufzüge bei der MVG und damit Herr über alles, was Fahrgäste der hiesigen U-Bahn in die Röhren und wieder heraus bringt. Er arbeitet in Räumen, die der Allgemeinheit völlig unbekannt sind. Sie tragen Namen wie "Raumstation" oder "Schiff" - und verbergen sich hinter einer gänzlich unscheinbaren Tür. So unscheinbar, dass wohl die wenigsten der vielen tausend Menschen, die im Hauptbahnhof jeden Tag an ihr vorbei eilen, ihre Existenz überhaupt wahrnehmen.

Sehen kann die Tür, wer zum Bahnsteig der Linien U1 und U2 will und dazu den mittleren Abgang benutzt. Auf der Zwischenetage entscheiden sich Fahrgäste, über welche Rolltreppe sie zu welchen Zügen hinabfahren. Für die 80 Mitarbeiter von Anton Michel beginnt der Arbeitstag an der braunen Tür in der Ecke. "Stützpunkt Hauptbahnhof" steht auf einem weißen Schild, ein gelbes warnt Passanten davor, dass sich die Tür automatisch öffnen kann.

Dahinter verbirgt sich auf 3500 Quadratmetern zum einen die Kommandozentrale für die 761 Rolltreppen und 162 Aufzüge in den 94 Bahnhöfen der MVG. Computer zeigen in verschiedenen Farben den Zustand der Rolltreppen an. Leuchtet ein Rot für kaputt, startet vom Hauptbahnhof ein Zweierteam aus Elektriker und Mechaniker. Am Einsatzort sperren sie die Rolltreppe ab und reparieren das Gefährt.

Typische Mängel sind eingeklemmte Kleidungsstücke, Handläufe, die nicht mehr im Tempo der Treppe mitlaufen, oder gebrochene Rollen, von denen sich an jeder Stufe zwei befinden. Die notwendigen Ersatzteile nehmen sie dabei gleich vom Stützpunkt aus mit, denn hinter der unscheinbaren Tür befindet sich auch das Ersatzteillager für die Aufzüge und Rolltreppen. In den Regalen stapeln sich Stufen, Rollen, Motoren oder Getriebe.

Die Namen Raumstation und Schiff entspringen übrigens der Kreativität von Michels Mitarbeitern. "Wir haben hier unten ja kein Tageslicht", sagt Anton Michel. "Da haben wir die Gänge ein wenig bemalt." Der Weltraum-Gang wirkt dabei fast bedrohlich, die Kralle eines Außerirdischen schlägt dem Besucher entgegen. Im Gang namens Schiff dagegen ist es äußerst friedlich, aufgemalte Bullaugen sollen die Phantasie anregen. "So können wir von hier unten aus die Weite des Meeres erahnen."

Wanne mit Aussicht: Blicken Sie in die Präsidentensuite im "Charles" - das dürfen Sie sonst nur für 5000 Euro die Nacht.

Auch vom Flügel aus hat man die Frauentürme im Blick. (Foto: Foto: Haas)

Advent, Advent: Die Türen der Stadt (3): Wanne mit Aussicht

5000 Euro kostet die Präsidentensuite im "Charles" Auf dem schwarzen, blankpolierten Bechstein-Flügel spielt nur selten jemand, dabei dürfte dies der Flügel sein, an dessen Klaviatur man den beeindruckendsten Ausblick über die Stadt genießt: Von links nach rechts aneinandergereiht sieht man die Türme der Frauenkirche, den Justizpalast und den Alten Peter.

Diese Aussicht ist exklusiv im eigentlichen Wortsinn: Nur wer 5000 Euro für eine Nacht in der Präsidenten-Suite des "The Charles Hotel" bezahlen kann, bekommt auch die Postkartenkulisse dazu - dann aber vom Wohn- und Schlafzimmer, vom Schreib- und Esstisch und sogar von der Badewanne aus.

Die Tür zur "Monforte"-Suite im achten Stock des Luxushotels in der Sophienstraße ist elegant, breit und weiß. Im Inneren dominieren auf rund 200 Quadratmetern unterschiedliche Brauntöne. Auf zwei großen, halbrunden Sofas kann man fernsehen oder sich der Betrachtung der beiden Original-Gemälde von Franz von Lenbach hingeben. Im Esszimmer finden sechs oder acht Personen Platz, obwohl in der Suite nur zwei Personen nächtigen können.

Im Bad gibt es nicht nur eine Badewanne, sondern auch zwei Duschen und eine Sauna. Die Bibliothek ist klassisch ausstaffiert mit Tschechow, Dickens und Shakespeare, die Minibar ebenfalls: mit Wasser, Cola und Tegernseer Hell. Die Küche ist eher spartanisch eingerichtet, aus naheliegendem Grund: "Viele Gäste kochen nicht selbst, aber sie bestellen hin und wieder Essen in die Suite", sagt Anette Schlemmer, Sprecherin des "Charles Hotel". Durch einen Boteneingang betritt dann ein Koch unbemerkt die Küche und arrangiert die vorbereiteten Speisen, bevor sie im Esszimmer serviert werden.

Wer nun allerdings auf prominente Bewohner hofft, der wartet vergebens. Seit der Eröffnung des Hotels vor einem Jahr hat noch kein Rockstar einen Fernseher aus dem Fenster der Präsidentensuite geworfen oder sich anderweitig ungebührlich aufgeführt. Denn: Musiker, Schauspieler und andere Prominente buchen die teuerste Suite im Charles-Hotel fast nie. "The Cure zum Beispiel haben bei uns gewohnt oder Bryan Adams, Heidi Klum oder Lang Lang", sagt Anette Schlemmer - keiner jedoch logierte in Nummer 806. Bei Bands, so vermutet sie, habe das auch mit Gerechtigkeit zu tun: Damit am Ende der Schlagzeuger nicht neidisch ist auf den Gitarristen, der in einer größeren Suite wohnt.

Stattdessen wird die Zimmerflucht gerne von arabischen Besuchern belegt - vor allem im Sommer. "Arabische Gäste bleiben oft länger", sagt Anette Schlemmer, "manche zwei Wochen, andere vier Monate." Nicht selten nutzen die Familien von Scheichs und Prinzen gleich alle vier Suiten der obersten Etage. Auch Wirtschaftsbosse mieten sich hin und wieder in der Monforte-Suite ein. "Meist sind das Leute, die nicht gerne in der Öffentlichkeit stehen", sagt Anette Schlemmer. Hunger haben sie trotzdem. "Nicht alle gehen jeden Tag ins Restaurant", sagt ihre Kollegin Alexandra Prange. "Manche bestellen sich auch einfach eine Pizza."

In ist, wer reinkommt: Blicken Sie an den breiten Schultern des Türstehers vorbei ins elitäre Stüberl P1

© SZ vom 1.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: