Abschied von SZ-Chefredakteur Kilz:Blutwurst und Chianti

Hans Werner Kilz beendet in wenigen Wochen seine Tätigkeit als Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung. Mit Freunden und Kollegen feiert er Abschied - ohne allzu wehmütig zu werden.

Christian Mayer

Der Mann, der hier feiert, ist offenbar kein Kostverächter, er liebt die schönen, die eleganten, aber auch die einfachen Dinge: zum Beispiel Blutwurst, High Heels und Joe Cocker, Lucia di Lammermoor, Chianti, den HSV und die alte Kaiserstadt Worms. All dies hat für Hans Werner Kilz besondere Bedeutung, und deshalb spiegeln die Namen der Tische, an denen die Gäste sitzen, den ganzen Genussmenschen mit all seinen Vorlieben wider.

Abschiedsfeier für Chefredakteur Hans Werner Kilz / Süddeutsche Zeitung

Eine Nacht in Taufkirchen: Kilz mit Edmund und Karin Stoiber.

(Foto: Johannes Simon)

Es ist ein Abschiedsfest, denn der Blutwurst-Gourmet, Opernfreund, Chianti-Kenner und HSV-Verrückte beendet in wenigen Wochen seine Tätigkeit als Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, ohne dass man allerdings sagen kann, er würde sich in den Ruhestand verabschieden. Ruhe und Kilz? Das geht gar nicht, weshalb manche Gäste schon fest damit rechnen, den Frontmann der SZ künftig mit einer eigenen Talksendung im Fernsehen zu erleben. Unternehmensberater Roland Berger kann sich den Rollenwechsel gut vorstellen: "Der hat die nötige Selbstironie, den Durchblick, die Bildung - und reden kann er auch."

Erst einmal aber reden andere in der Alten Gärtnerei bei Taufkirchen, und zwar über Kilz, der zwischen geräuchtertem Saibling und Perlhuhnbrust einiges an Lob aushalten muss, und das auch noch von Verlagsseite. Der Aufsichtsratsvorsitzende Oliver Dubber ist sich mit Verleger Johannes Friedmann einig, dass der scheidende Chefredakteur "Enormes für die Zeitung geleistet" habe. "Gelegentlich neigte er zur Aufmüpfigkeit und wies Züge von Renitenz auf", sagt Dubber - nicht die schlechtesten Eigenschaften für einen Journalisten, der als junger Spiegel-Redakteur die Flick-Parteispenden-Affäre mit aufdeckte.

Der künftige Chefredakteur wagt sich dann an die heikle Aufgabe, seinen Vorgänger zu würdigen. Kurt Kister schildert Kilz als einen optimistischen Menschenfreund, der Spaß an der Arbeit habe und nie dem berufstypischen Zynismus erlegen sei, auch nicht dem Missionarischen, dazu sei er viel zu sehr Rechercheur. "Ich bin jemand, der mit der Ölkanne herumrennt, um das Getriebe am Laufen zu halten" - dieser Satz sei typisch für Kilz gewesen. Als Chef habe er erkannt, dass es Wichtigeres gebe als den eigenen Ruhm. "Kilz ist ein Kümmerer - und das hat immer seinen manchmal Spiegel-rauen Umgang mit den Leuten um ein Vielfaches aufgewogen."

Als einfühlsamer Kilzologe tritt außerdem Alexander Gorkow (Seite 3) auf, der den Zungenschlag des gebürtigen Wormsers bis zur Perfektion beherrscht und daraus reines Kabarett macht. Einige der dargebotenen Szenen dürften die Legendenbildung noch verstärken, zum Beispiel ein Chef-Abend mit sehr standfesten Redakteuren in einer Berliner Absturzkneipe namens "Kumpelnest". Überhaupt: Kilz und die Nacht, auch das ist ein gutes Thema, das Kister leider nur streift - nach 21.45 Uhr trete gelegentlich der "Armani-Werwolf" in Erscheinung, was aber den Mythos nur befördert habe.

Heiße Himbeerliebe mit Vanilleschaum: Das ist das passende Dessert nach dieser Eloge. "War ja fast schon eine Liebeserklärung", sagt der Geehrte zufrieden. "Ich fühl' mich toll und bin schon ein bisschen gerührt." Die Party geht weiter mit Musik von Georg Ringsgwandl und dem Quartett Salut Salon, später auch an der Bar, wo ein wärmendes Feuer lodert, damit auch Marietta Slomka im kleinen Schwarzen nicht mehr frieren muss; Mario Adorf, Ulrich Wilhelm, Giovanni di Lorenzo und Edmund Stoiber sind da längst warmgelaufen. "Wer Kilz heute Abend in seiner Vielgestalt erleben durfte, der hat ihn kapiert", sagt Stoiber. Dass die SZ mit ihm selbst nicht immer pfleglich umgegangen ist, nimmt er sportlich: "Ich hätte nie angerufen, um mich über Artikel zu beschweren" - ein Seitenhieb auf seine etwas wehleidigen Nachfolger in der CSU.

Im Gärtnerei-Tempel macht noch manche HWK-Geschichte die Runde. Und Kenner sind sich sicher: Der gibt noch lange keine Ruhe. Christian Mayer

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