Abschiebung von Afghanen:"Eine Sauerei"

Demo gegen Abschiebung in München

Den Demonstranten ist völlig unverständlich, wie das Auswärtige Amt erklären kann, dass es im Bürgerkriegsland Afghanistan sichere Gebiete gebe.

(Foto: Robert Haas)

Buhrufe, Unverständnis, Frust: In München haben 350 Menschen gegen die Abschiebung von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit demonstriert.

Von Franziska Schwarz

"Wer Schüler aus dem Klassenzimmer holt, um sie abzuschieben, ist kein Christ, sondern ein Anti-Christ", sagt der Schriftsteller und Krimi-Autor Friedrich Ani und erhält starken Applaus. Am Donnerstagabend haben in München etwa 350 Menschen gegen die Abschiebung von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit demonstriert. Einen Tag zuvor hatte die Polizei in Nürnberg einen 21-jährigen Afghanen für einen Abschiebeflug aus dem Klassenzimmer geholt.

Zu der Kundgebung vor dem Kultusministerium hatte ein breites Bündnis von Parteien, Verbänden und Engagierten in der Flüchtlingshilfe aufgerufen. Wenige Stunden vor den Tumulten in Nürnberg hatte es in der afghanischen Hauptstadt Kabul einen schweren Anschlag gegeben, auch ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft ist unter den mehr als 90 Todesopfern. Die Bundesregierung teilte deshalb am Donnerstag einen vorläufigen Abschiebestopp in das Land mit.

Die Redner zeigten sich entsetzt darüber, dass ein junger Mensch aus dem Schutzraum der Schule geholt wurde. "Es ist der Hammer", sagt Kabarettist Urban Priol. Simone Fleischmann vom Bayerischen Lehrerverband fügt an, "es schmerzt", wie die Politik die Bemühungen von Kollegen und Schülern "kaputt" mache, Flüchtlinge zu integrieren. Michael Stenger von der Ergänzungsschule Schlauschule appellierte an CSU-Kultusminister Ludwig Spaenle, mehr Klassen für berufsschulpflichtige Asylbewerber und Flüchtlinge zu schaffen, die Menge klatscht. "Spaenle muss sich schützend vor die Schüler stellen", sagt Stefan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat, und: "Die Gerichte müssen den Mut haben, in fairer Weise zu entscheiden." Der junge Afghane lebt seit vier Jahren in Deutschland und ist laut seinem Umfeld gut integriert.

Die Demonstranten machen ihrem Frust über diesen Verstoß mit Buh-Rufen Luft

Carlo Kroiß, DGB-Jugend Bayern, nennt es eine "Sauerei", dass die bayerische Staatsregierung behaupte, die "3 plus 2-Regelung" gelte in dem Fall nicht. Sie sieht vor, dass Geflüchtete während der dreijährigen Ausbildung und den sich anschließenden zwei Beschäftigungsjahren nicht abgeschoben werden dürfen. Der Afghane sei bereits in der Ausbildung gewesen. Die Demonstranten machen ihrem Frust über dieses Vorgehen der bayerischen Regierung mit Buh-Rufen Luft. Zu ihnen gehören Studenten genauso wie ein 49-Jähriger vom Motorradclub "Kuhle Wampe" oder eine 65-jährige Flüchtlingshelferin, die die Kundgebung für ihren Sohn filmt.

Sie alle sind nicht nur über das Vorgehen der Polizei empört. Völlig unverständlich ist ihnen auch, wie das Auswärtige Amt erklären kann, dass es im Bürgerkriegsland Afghanistan sichere Gebiete gebe, in denen Abgeschobene unterkommen können. "Afghanistan ist nicht sicher" steht auf den in die Höhe gehaltenen Schildern. Viel Lob und anerkennende Worte erhalten die mehr als 200 Menschen, die sich bei der Abholung des 21-Jährigen der Polizei in den Weg stellten. "Sie haben Zivilcourage, Mitgefühl und Solidarität gezeigt", sagt Michael Stenger. "Wer Schüler aus dem Klassenzimmer holt, um sie abzuschieben, den sollten wir das nächste Mal zum Teufel wählen", schließt Schriftsteller Friedrich Ani sein Gedicht.

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