Abschaltung des Garchinger Reaktors:SPD fordert Aufklärung

Forschungsreaktor Garching, 2007

Blick in den Forschungsreaktor Garching

(Foto: lkn)

Am Forschungsreaktor Garching sind auffällige radioaktive Emissionen aufgetreten, die Anlage wurde im November abrupt heruntergefahren. Grünen-Politiker werfen den Forschern nun vor, dass sie ihren Reaktor nicht im Griff hätten, die SPD fordert Aufklärung.

Von Martina Scherf und Christian Sebald

Die SPD im Bayerischen Landtag fordert von der Staatsregierung Auskunft über eine vorübergehende Abschaltung des Forschungsreaktors FRM II in Garching bei München. Die Information der Öffentlichkeit über die zeitweise Abschaltung des "umstrittenen Reaktors" der Technischen Universität München sei "unbefriedigend", kritisierte der energiepolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Ludwig Wörner, am Freitag. Er stellte nun einen Berichtsantrag.

Wörner betonte: "Wir wollen endgültige Aufklärung darüber, welche Mängel und Schwächen zur Abschaltung des Reaktors geführt haben." Außerdem müssten sich die Bürger fragen, ob sie von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) "nicht hinters Licht geführt worden sind". Ihnen sei 2012 eine Umrüstung des Reaktors zugesagt worden. Angesichts des öffentlichen Drucks sei es verwunderlich, "dass sich die Betreiber des Forschungsreaktors immer noch offensichtliche Schwächen leisten". Dabei gehe es unter anderem um korrodierende Leitungen und Rost im Wasserbecken, erklärte Wörner.

Die Anlage FRM II musste vor sechs Wochen abrupt heruntergefahren werden und stand bis 6. Dezember still. Die Aktion war Insidern zufolge nötig geworden, nachdem während des Reaktorbetriebs so hohe Emissionen des radioaktiven Kohlenstoffs C-14 aufgetreten waren, dass eine Überschreitung des Jahresgrenzwerts drohte.

Eine Gefahr für Forscher oder Anwohner bestand nicht. Für Ludwig Hartmann, den Atomexperten der Grünen im Landtag, ist der Fall dennoch sehr brisant. "Mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem in Bayern ein Reaktor abgeschaltet werden musste, weil die Überschreitung eines Grenzwertes für radioaktive Emissionen drohte." Für gewöhnlich würden Jahresgrenzwerte bei Atomreaktoren gerade mal zwischen fünf und zehn Prozent ausgeschöpft. Offenkundig hätten die Forscher der TU München den Atomreaktor nicht im Griff.

Der FRM II steht auf dem TU-Campus in Garching und ist seit 2004 in Betrieb. Er produziert aus hoch angereichertem Uran Neutronen, wie sie Physiker, Chemiker und Biologen in der Grundlagenforschung brauchen. Der FRM II ist der leistungsstärkste deutsche Forschungsreaktor. Anders als ein Atomkraftwerk hat er aber nur eine geringe Energieleistung von 20 Megawatt. Durch die in ihm erzeugten Neutronenstrahlen gewinnen Wissenschaftler Erkenntnisse zum Beispiel über Struktur und Eigenschaften neuer Materialien.

Die medizintechnische Industrie entwickelt mit Hilfe des FRM II Bestrahlungsverfahren in der Krebstherapie. Der Reaktor wird von TU-Lehrstühlen und anderen staatlichen Einrichtungen genutzt. 30 Prozent der Kapazität sind für kommerzielle Nutzer vorgesehen. Trotz seiner geringen Leistung übten Kernkraftgegner in der Vergangenheit immer wieder scharfe Kritik an dem Reaktor. In Garching mobilisiert eine Anti-Atom-Initiative gegen den FRM II.

Die abrupte Abschaltung im November weist nun auch für den Grünen-Atomexperten Hartmann auf Missstände hin. So waren es nach seinen Informationen erst Messungen des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), die zur Feststellung der stark überhöhten Emissionen geführt hatten. Dabei ist das BfS gar nicht für die Überwachung von Atomreaktoren in Bayern zuständig, sondern das hiesige Umweltministerium. Für Hartmann ist damit "die Kompetenz der Betreiber des FRM II und des Ministeriums erschüttert". Zumal nicht auszuschließen sei, dass die TU die Emissionen schon seit längerem zu niedrig angesetzt habe.

Außerdem wirft Hartmann der TU vor, die Öffentlichkeit nur sehr verhalten zu informieren. Eine Pressemeldung über den Vorfall sei auf der Homepage des Reaktors nur im Archiv abrufbar und nicht unter Aktuelles, obwohl dort noch gestern Meldungen vom Oktober standen.

Reaktorchef Anton Kastenmüller weist die Vorwürfe strikt zurück. "Zwischen dem Betrieb des Reaktors und der Abgabe des radioaktiven Kohlenstoffs besteht nach aktuellem Stand kein direkter Zusammenhang", sagt er. "Ein Weiterbetrieb hätte nicht zu einem Überschreiten des Jahresgrenzwerts geführt."

Der FRM II sei vielmehr vorsorglich herabgefahren worden, um die Ursache der Emissionen zu klären. Diese hätten mit der Reinigung des Schwerwassers aus dem Reaktor zu tun gehabt. Nachdem man die Prozedur geändert habe, gehe man davon aus, dass sich die Emissionen im üblichen Rahmen bewegen.

Auch im Umweltministerium widerspricht man Hartmanns Vorwürfen. "Trotz der erhöhten Emissionen war die Sicherheit der Bevölkerung zu jedem Zeitpunkt gewährleistet", sagt eine Sprecherin. "Der Betreiber hat die Ursache abgestellt. Ähnliche Fälle werden für die Zukunft ausgeschlossen." Dem Grünen-Politiker Hartmann reicht das nicht aus. Per förmlicher Landtagsanfrage will er Details über die Abschaltung erfahren.

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