Abenteuer:Herr der sieben Meere

Abenteuer: Nicht immer ist Florian "Bobby" Schenk so gelassen auf seiner Segelyacht zu sehen. Mit seiner Frau hat er von der offenen See kommend das Kap Horn umsegelt: "Manchmal wurden die Winde so stark, dass wir alle Segel herunternehmen mussten", erzählt er.

Nicht immer ist Florian "Bobby" Schenk so gelassen auf seiner Segelyacht zu sehen. Mit seiner Frau hat er von der offenen See kommend das Kap Horn umsegelt: "Manchmal wurden die Winde so stark, dass wir alle Segel herunternehmen mussten", erzählt er.

(Foto: Florian Schenk)

Amtsrichter Florian "Bobby" Schenk gilt den deutschen Seglern als Blauwasser-Spezialist, als Pionier des Fahrtensegelns, als Idol bei der Suche nach Freiheit auf dem Meer. Nun lädt er zu seinem letzten Seminar

Von Karl Forster

Es gibt Situationen, für die sind Worte einfach zu schwach. "Manchmal wurden die Winde so stark, dass wir alle Segel herunternehmen mussten. Trotzdem fetzten wir mit etwa sieben Knoten dahin, beim Surfen sicher auch über zehn. Ein irres Gefühl, wenn man ohne Segel, vor blankem Mast, Etmale von über 150 Meilen in die Karte eintragen kann." Man muss das Bild dazu sehen, um die Dramatik zu begreifen; wie die Thalassa II immer wieder in den Tälern zwischen den Wellenbergen vor Patagonien versinkt, in einer Gegend, die von den Seefahrern ehrfürchtig "Roaring Forties" genannt wird. Brüllende Vierziger. Ein solches Bild, nach Erzählungen gemalt von einem befreundeten Künstler, hängt im Wohnzimmer von Bobby Schenks Bungalow in Fürstenfeldbruck.

Es sind solche Geschichten, die die Leute von ihm hören wollen. Die dann, ob in Hamburg oder Friedrichshafen, in Berlin oder Prien, überall dort halt, wo Wasser und Segelboote mit im Spiel sind, an den Lippen von Bobby Schenk hängen, um ein bisschen was von dem Gefühl mitzubekommen, was es für den Münchner Amtsrichter Florian Schenk und seine Frau Karla damals, Weihnachten 1983, bedeutet hat, als erstes deutsches Fahrtenseglerpaar "auf eigenem Kiel von der offenen See kommend Kap Horn umsegelt" zu haben.

Damals waren diese beiden schon Legende. Waren sie doch Anfang der Siebzigerjahre mit dem Vorgängerschiff Thalassa gestartet, um die Welt auf der Passatroute rundherum zu umsegeln, mit großzügigen Aufenthalten vor allem auf den Inseln des Pazifik, auch wenn der Rundherum-Trip eigentlich gar nicht geplant und "nur" die Südsee als Ziel ausgemacht war. Seither gilt Bobby Schenk den deutschen Seglern als Blauwasser-Spezialist, als Pionier des Fahrtensegelns, als Idol bei der Suche nach Freiheit auf dem Meer.

Damals war vieles noch ganz anders, als es sich die Segler heutzutage vorstellen, wenn sie davon träumen, aus dem Alltag auszubrechen und für ein paar Jahre durch die Südsee zu schippern. Ein Auge auf den Bildschirm mit der GPS-gelenkten Seekartendarstellung, ein Auge auf das von der elektrischen Selbststeueranlage geführte Ruder. Segel werden heute oft mittels elektrisch oder hydraulisch getriebener Winschen bedient. Und in der Galley läuft der Brotbackofen mit 220 Volt, weil der Generator, wenn nötig, 24 Stunden am Tag Spannung liefert wie in der Küche daheim.

Doch auch diese technikverwöhnte Klientel gehört zum großen Fan-Kreis des Segelerzählers Bobby Schenk. Und so sind seine Seminare übers "Blauwassersegeln" regelmäßig ausgebucht. Dass er nun, weil doch schon 78 Jahre alt, davon spricht, sich auf der nächsten Interboot-Messe in Friedrichshafen im Herbst 2018 ein letztes Mal auf die Bühne zu stellen, mag man nicht so recht glauben. Gibt es doch von den Reisen auf der ersten Thalassa bis zur letzten auf dem Katamaran Thalassa III viele segel- und reisetechnische Revolutionen, die fachkundig erörtert werden wollen.

Damals, als Karla und Bobby Schenk zur ersten Weltumrundung aufbrachen, gab es noch nicht einmal vernünftige Gaskocher für einen heißen Tee. Die Rollfock war noch nicht erfunden. Und navigiert wurde selbstverständlich mit dem Sextanten, was mit komplizierten Arbeiten, mit Logarithmen und Infinitesimalrechnungen verbunden war. Auch die Radartechnik war, zumindest für den zivilen Gebrauch, noch lange nicht so sicher, dass man gefahrlos hätte eine Nacht ohne Rudergang durchschlafen können. Und von Wetterkarten, auf denen die aktuellen Werte über alle sieben Weltmeere meilengenau und für mehrere Tage im Voraus abgerufen werden können, wagte man nicht einmal zu träumen. Zwar waren zu dieser Zeit schon erste Satelliten ins All geschossen worden, doch die dienten vornehmlich militärischen Zwecken, der Kalte Krieg war da ja längst noch nicht zu Ende.

Das größte Problem aber war Wasser. Süßwasser. Es passten 250 Liter in die Tanks der ersten Thalassa. Wenn man aber von A nach B gut vier Wochen brauchte, so waren das keine zehn Liter am Tag. Duschen war nur an Festtagen erlaubt. Bobby Schenk erinnert sich: "Das reichte problemlos. Wir hatten ja auch Regenwasser."

Kein Wunder also, dass nach dem Anlanden der Thalassa anno 1974 im südfranzösischen Hafen Beaulieu, nach der Rückkehr in die Münchner Wohnung, nach beruflicher Wiedereingliederung (zunächst als Staatsanwalt) in die Juristerei, Bobby Schenk nun in einem Zweitjob avancierte: als Fachautor für Bücher und das Yacht-Magazin des Delius-Klasing-Verlags, der in diesem Bereich des Special-Interest-Business bis heute im deutschsprachigen Raum führend ist.

Man hatte schließlich was zu erzählen. Nicht nur Nautisches, wie man etwa die Torres-Straße zwischen den Salomonen und Papua-Neuguinea durchquert, ohne auf eine der Korallenbänke aufzulaufen, oder das Abenteuer, für die Strecke von Madagaskar runter nach Kapstadt mit einer der gefährlichsten Strömungen der Weltmeere in Mosambik abzuwarten, bis Strom und Wind sich auf Richtung Süd geeinigt hatten. Sondern auch darüber, wie fremde Menschen in fremden Ländern sich freuen, wenn freundliche Fremde kommen, um sich bei ihnen wie zu Hause zu fühlen. Delius-Klasing und Bobby Schenk, das ist im Laufe der Jahre und der Segelabenteuer eine Einheit geworden, die ziemlich lange halten sollte. Beide profitierten davon, dass Schenk nicht nur ein guter Jurist ist und ein perfekter Seemann, sondern auch ein ebenso faszinierender Geschichtenerzähler und charmanter Autor, dem die eingängige Schilderung, geprägt von Bescheidenheit und immer währender Begeisterung, wohl in die Wiege gelegt worden war.

Florian "Bobby" Schenk, 1939 in München geboren, aufgewachsen in Burghausen, wo der Vater eine Arztpraxis betrieb, machte seine ersten Segelerfahrungen auf dem Chiemsee, wo dann auch im Yachthafen "Harras" von Prien seine erste Thalassa zu liegen kam. Bald schon schmiss er das Medizinstudium, das ihm vom Papa allzu deutlich angetragen worden war, spielte, statt Vorlesungen zu besuchen, erfolgreich Karten und noch erfolgreicher Tischtennis, bestand dann - nach dem universitären Umschwung - in Rekordzeit die juristischen Examina und wurde, zusammen mit seiner Frau Karla, als Gast bei einem eher unspektakulären Törn durchs westliche Mittelmeer mit dem Segelvirus infiziert, ein Infekt, von dem beide nie wieder kuriert werden sollten. Und wollten.

Doch Bobby Schenk ist eben nicht nur ein mit allen Wassern der sieben Weltmeere gewaschener Segler, er ist ein wahrhaft brillanter Erzähler, einer, der, wie einst Scheherazade bei ihrer Geschichte von "Sindbad, dem Seefahrer", dieses gewisse Etwas hat, dem man sich nicht entziehen kann. Einer seiner "Tricks", egal ob beim Erzählen auf der Bühne eines Segelklubs oder in einem seiner zahlreichen Bücher: Bobby Schenk erhebt sich nie über den Zuhörer, den Leser; er gibt jedem das Gefühl: Das kann ich auch, besser gesagt: Das könnte ich auch, wenn ich es nur täte.

Und da sind wir bei Bobby Schenks Alleinstellungsmerkmal: Er tut. Er macht. Er ist, das merkt man nur meistens nicht, unglaublich stur. Eine Eigenschaft, die einem bei der Bewältigung maritimer Herausforderungen sehr zupasskommt. So bastelte er beispielsweise so lange zusammen mit befreundeten Computerspezialisten an einem Navigationsprogramm, das die Arbeit mit dem Sextanten spielerisch einfach machte, bis es Anfang der Achtzigerjahren als "Bobby Schenks Yachtcomputer" zum Verkaufsschlager wurde. Und weil er gerade bei Österreichs Seglern einen geradezu messianischen Ruf hat, wählte man ihn 1998 zum "Ehrencommodore" des Jachtclubs Austria. Es versteht sich von selbst, dass jedes Mitglied dieses Klubs eine nahezu vollzählige Ausgabe von Bobby Schenks Segelbüchern im Regal hat.

Bobby Schenk war also als Geschäftsmann ebenso erfolgreich wie als Segler. Er reiste mit dem Privatflugzeug, einer einmotorigen Mooney, schon mal nach Sylt zum Vortrag. In der Garage stand lange Zeit ein edles italienisches Gefährt. Und als die damals sehr erfolgreiche österreichische Yachtcharter-Agentur Ecker darüber nachdachte, die Sarita, eines ihrer schönsten Schiffe, auf eine Reise um die Welt zu schicken, war klar, wer das Boot durch die Inseln der Südsee steuern würde. Schließlich war es Bobby Schenk gewesen, der dem Agentureigner Kurt Ecker den Floh ins Ohr gesetzt hatte. Genauso wie jenen, alljährlich im Spätherbst eine 1000-Meilen-Regatta durchs Mittelmeer zu veranstalten. Zur Imagepflege des österreichischen Seglerherzens, und zur Auslastung der Charterboote in einer Jahreszeit, in der auch begeisterte Segler eigentlich eher schon ans Skifahren denken.

Und nun soll also alles unter der Rubrik Vergangenheit abgeheftet werden? Vor Jahren schon hatten Bobby und Karla ihren Katamaran Thalassa III in Malaysia verkauft, die letzte Umrundung der Welt sollte nicht mehr abgeschlossen werden. Zudem sah Bobby Schenk, dass Weltumsegeln kein solitäres Abenteuer mehr war, sondern solch eine Reise dank moderner Technik beim Schiffsbau wie bei der elektronischen Ausrüstung jedem ambitionierten Segler möglich geworden ist; was dazu führte, dass (auch deswegen) die Zahl derer, die glaubten, wie Bobby Schenk mit Erzählungen von den blauen Wundern des Pazifik Aufmerksamkeit und somit auch Geld verdienen zu können, gewaltig gestiegen ist. Man muss da nur auf Youtube die entsprechenden Stichworte eingeben.

So lädt er also ein zum finalen "Bobby Schenks Blauwasserseminar". In der Referentenliste der Wochenendveranstaltung bei der Interboot in Friedrichshafen am Bodensee (22. und 23. September) findet sich allerlei aus Deutschlands Segel-Elite, Spezialisten für die Diskussion "Katamaran oder Einrumpfboot" sind dabei, eine Elfjährige erzählt, wie sie die Weltumsegelung mit ihren Eltern überstanden hat, ein auf die Systeme großer Winde spezialisierter Meteorologe kommt zu Wort, und älteren Seglern dürfte der Name Eckart Diesch noch geläufig sein. Der ist heute Zahnarzt (und natürlich auch Weltumsegler) und hat 1976 zusammen mit seinem Bruder Jörg am Steuer Gold für Deutschland mit dem Flying Dutchman gewonnen.

Als letzter Tagesordnungspunkt ist notiert: "Fragen an Bobby Schenk". Es hat wohl seinen Grund, dass für diese Abschlussrunde keine Endzeit angegeben ist. Es könnte also dauern, bis man zum Abendessen kommt. Weil sicher wieder einer aus dem Parkett fragt, wie es denn damals gewesen sei, in den "Roaring Forties" und vor Kap Horn. So etwas kann Bobby Schenk erzählen wie kein Zweiter.

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