Abendessen mit Gaddafi-Sohn:"Es war kein Freundschaftstreffen"

Als der Gaddafi-Sohn in München mit dem Gesetz in Konflikt geriet, speiste Polizeipräsident Werner Schmidbauer mit ihm im Bayerischen Hof, die libysche Botschaft zahlte die Rechnung. Die harsche Kritik an dem Vorgehen kann Schmidbauer ganz und gar nicht verstehen.

Bernd Kastner und Christian Rost

Der Münchner Polizeipräsident verteidigt vehement sein Abendessen mit dem Sohn des libyschen Diktators. Wilhelm Schmidbauer hatte sich 2007 mit Saif al-Arab Gaddafi im Bayerischen Hof getroffen, die Rechnung zahlte die libysche Botschaft. Gaddafi junior, der Ende April bei einem Nato-Angriff auf Libyen starb, war in München öfter mit dem Gesetz in Konflikt geraten; elf Verfahren liefen gegen ihn, alle wurden eingestellt. Auch Beleidigungen gegen Polizisten blieben folgenlos: Das Präsidium verzichtete auf Strafanträge, Begründung: Es hätte nichts gebracht.

Die Grünen im Landtag kritisieren Schmidbauer und die bayerische Justiz scharf: Gaddafi junior sei mit "Samthandschuhen" angefasst worden. Es gebe "massive Zweifel an einem echten Aufklärungswillen". Schmidbauer habe einen Kotau vor Gaddafi gemacht. Der grüne Stadtrats-Fraktionschef Siegfried Benker sagt, es sei offenbar möglich, "Polizeipräsident Schmidbauer für einen Abend zu mieten, wenn man als Tatverdächtiger angesehen wird".

Das alles ficht den Polizeichef nicht an: "Die Kritik amüsiert mich ein bisschen. Ich verstehe den Vorwurf überhaupt nicht." Es wäre umgekehrt ein Fehler gewesen, den Gesprächswunsch einer ausländischen diplomatischen Vertretung abzulehnen. Das eineinhalbstündige Essen sei "kein Freundschaftstreffen" gewesen. Gaddafi sei hinterher sehr verärgert gewesen, weil er, Schmidbauer, dessen Forderungen nach Polizeischutz und einem Waffenschein abgelehnt habe.

Der Diktatoren-Sohn lebte von 2006 bis Anfang 2011 als Student in München. Das Abendessen war laut Schmidbauer weder mit der bayerischen Staatsregierung noch mit der Bundesregierung abgestimmt. Es sei Aufgabe eines Polizeipräsidenten, auf Vorwürfe gegen seine Beamten zu reagieren. "Da brauche ich nicht erst nachzufragen." Hätte er auf einem Treffen in seinem Büro bestanden, hätte die libysche Seite dies als Affront aufgefasst. Das Innenministerium will die Einladung politisch nicht kommentieren.

"Polizei! Hey, fick dich!"

Schmidbauer betont, dass das Gespräch im Fünf-Sterne-Hotel "seine Wirkung nicht verfehlte": Gaddafi habe sich vorübergehend gebessert. Nachhaltig war dies aber nicht: Im Jahr danach wurde gegen ihn ermittelt wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, außerdem wurde er mit gut zwei Promille am Steuer erwischt. Bei einer Durchsuchung des Gaddafi-Anwesens 2008 wurde Schmidbauers Büroleiter von Gaddafi junior bespuckt. 2010 beleidigte er einen Polizisten mit Stinkefinger und verbal ("Polizei! Hey, fick dich!").

Schmidbauer: "Da hatte er meine Belehrungen schon wieder vergessen." Die Beleidigungen blieben ohne Konsequenzen: Das Präsidium verzichtete, nach Prüfung, auf Strafanträge, diese wären "nicht sinnvoll" gewesen. Die Erfahrung zeige, so Schmidbauer, dass solche Verfahren vor Gericht im Sande verliefen, was er sehr bedauere.

Im Fall des Stinkefingers wäre Aussage gegen Aussage gestanden; bei der Spuckattacke sei Gaddafi volltrunken gewesen. Man habe den Diktatoren-Sohn jedenfalls behandelt wie jeden anderen Bürger. Darf also jeder schwierige Delinquent mit dem Polizeichef persönlich sprechen und sich über die Polizei beschweren?

Schmidbauer verrät eine Art Anleitung, um zu ihm zu kommen: Wende sich jemand direkt an ihn, wie es auch Gaddafi getan habe, lehne er ein Gespräch ab. Wenn aber ein Botschafter im Namen des Betroffenen vorstellig werde, dann komme er dem Wunsch nach.

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