,,Wie bei einem Herzinfarkt'':Lebensgefahr: Marathon

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Laufen ist Volkssport geworden, aber nicht ungefährlich. Henner Hanssen, Arzt der TU München, über den Marathon und eine aktuelle Studie: Probanden gesucht!

Michael Ruhland

SZ: Mitte Mai sind beim Ruhr-Marathon mehrere Teilnehmer kollabiert. Zwei bezahlten ihren Ehrgeiz mit dem Tod. Schicksal oder Leichtsinn?

(Foto: Foto: AP)

Hanssen: Die Fälle muss man natürlich individuell untersuchen. Grundsätzlich ist es aber so, dass immer mehr Sportler ohne richtige Vorbereitung an Marathonläufen teilnehmen.

Aus der Boston-Marathon-Studie wissen wir, dass die Schäden am Herzen und an den Gefäßen vom Trainingszustand abhängig sind. Je fitter, desto geringer sind die zu erwartenden Schäden insbesondere am Herzmuskel.

SZ: Langstreckenläufe werden mehr und mehr zum Volkssport. Überschätzen sich viele?

Hanssen: Es ist nicht nur ein Überschätzen der eigenen Leistungsfähigkeit, sondern ein Unterschätzen der Beanspruchung bei einem Marathon. Gerade die Firmenläufe gehen meist nur über fünf bis zehn Kilometer: Wenn einer so etwas durchsteht, ist das sicherlich noch keine ausreichende Vorbereitung für einen Marathonlauf.

SZ: Was raten Sie?

Hanssen: Wir empfehlen, sich vorher untersuchen zu lassen und eine ausreichend lange und intensive Vorbereitung zu wählen. Eine Leistungsdiagnostik ist dabei sehr hilfreich.

SZ: Wie hoch ist die Belastung beim Marathonlauf?

Hanssen: Die Herzenzyme, also die Werte, die einen Niedergang der Herzmuskelzellen widerspiegeln, können so hoch wie bei einem Herzinfarkt ansteigen. Das geht in der Regel rasch zurück - die Sportler haben auch keine Beschwerden - aber man sieht deutlich die große Beanspruchung.

SZ: Warum sind gerade die langen, langsamen Trainingsläufe über zwanzig bis dreißig Kilometer so wichtig?

Hanssen: Es geht um die aerobe Grundlagenausdauer: Mit den längeren Läufen auf niedriger Herzfrequenz wappnet man den Körper, längere Belastungen durchzuhalten. Hobbysportler laufen in der Vorbereitung in der Regel viel zu schnell und entsprechend kurz und intensiv. Für die Marathondistanz ist das nicht sinnvoll.

SZ: Kann im Prinzip jeder mit ausreichendem Training über die 42,195 Kilometer kommen?

Hanssen: Es gibt sicherlich Leute, die aus internistischer und orthopädischer Sicht nicht in Frage kommen. Zudem ist bei massivem Übergewicht nicht anzuraten, einen Marathon ohne professionelle Betreuung zu laufen. Mit ein bis zwei Jahren Vorbereitungszeit, die erst einmal Gewichtabnahme beinhaltet, können auch solche Personen einen Marathon laufen.

SZ: Siehe Joschka Fischer.

Hanssen: Bei ihm ging es mit dem Gewicht aber ziemlich schnell wieder rauf. Er ist aber trotzdem weitergelaufen.

SZ: Welche Alarmzeichen während des Laufs sollte man keinesfalls ignorieren?

Hanssen: Die gibt es leider nicht. Wir haben es meist mit plötzlichem Herztod zu tun. In den Fällen waren vorher häufig Herzfehler da, die, hätten sich die Teilnehmer untersuchen lassen, erkennbar gewesen wären.

SZ: Was ist, wenn es während des Laufs in der Brust sticht?

Hanssen: Typische Beschwerdebilder wären eine Angina pectoris: Schweregefühl auf der Brust, Kurzatmigkeit, die über das Belastungsniveau hinausgeht, es kann auch ein Ziehen und Stechen sein, das möglicherweise in Arm oder Hals ausstrahlt. So etwas kommt eher bei Herz-Kreislauf-Patienten vor. Bei normal gesunden Sportlern dürfte das nicht auftreten.

SZ: Was halten Sie von der Forderung, Läufer nur mit einem vorherigen Gesundheitscheck zum Rennen zuzulassen?

Hanssen: Das ist durchaus diskussionswürdig. Es gibt Länder in Europa wie etwa Frankreich, die das fordern oder schon durchführen. Die Läufer brauchen von ihrem Hausarzt ein Gutachten, dass sie sportlich belastbar sind. Die Frage ist, ob ein Check der Blutwerte und des Blutdrucks reicht. Wenn man so konsequent ist, dann sollte man vorher einen Ultraschall vom Herzen machen.

Für die Studie sucht die TU noch Männer zwischen 30 und 60 Jahren, und zwar Leistungs-, Freizeit- sowie übergewichtige Sportler. Informationen unter www.sport.med.tum.de. Anmeldung per E-Mail an hanssen@sport.med.tum.de.

© SZ vom 31. Mai 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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