Prozess gegen Luftverschmutzung:Klage gegen Feinstaub

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Der Rechtsstreit um saubere Luft wird verschoben: Der Kläger ist von der Landshuter Allee in eine Zone mit weniger Feinstaubbelastung gezogen.

E. Müller-Jentsch

Seit Wochen bereiteten sich Verwaltungsrichter, Anwälte und Umweltexperten des Freistaats auf einen neuen Rechtsstreit gegen Luftverschmutzung vor: Ein Münchner aus der Landshuter Allee hatte Klage eingereicht, um eine deutliche Ausdehnung und Verschärfung der Umweltzone zu erzwingen.

An den Messstationen in der Landshuter Allee wurde ein Jahresmittelwert von 85 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter gemessen. (Foto: Foto: Catherina Hess)

Am Montag ist dieses Verfahren für alle Beteiligten überraschend geplatzt - der Kläger ist kurzfristig aus Deutschlands am stärksten mit Luftschadstoffen verseuchter Straße in eine Gegend mit besserer Luft gezogen und hat damit die Klagebefugnis verloren.

Remo Klinger, der als Rechtsanwalt der Deutschen Umwelthilfe (DUH) auch schon den Grünen-Politiker Dieter Janecek bei seinem Feinstaub-Prozess vertreten hatte, musste die Klage deshalb für erledigt erklären. Er geht allerdings davon aus, dass dieses Thema damit nur kurzfristig vom Richtertisch verschwunden ist: Er sei zuversichtlich, dass schon bald ein anderer Betroffener den Kampf um saubere Luft aufnehmen werde, sagte er der SZ.

Bei diesem Verfahren soll dann auch nicht mehr das Thema Feinstaub so sehr im Mittelpunkt stehen, sondern die Luftbelastung mit Stickstoffdioxid, sagt der Jurist. Denn nach dem seit vier Monaten gültigen Grenzwert seien lediglich Jahresmittelwerte von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter zulässig, und nur an 18 Tagen pro Jahr dürfe ein Stundenwert von 200 Mikrogramm überschritten werden.

Tatsächlich sei an der Messstation in der Landshuter Allee aber ein Jahresmittelwert von 85 Mikrogramm gemessen worden und die maximale Belastung werde an 37 Tagen überschritten. "Das ist besonders gravierend, weil Stickstoffdioxid vor allem auf der Belastung durch den Autoverkehr beruht und nicht, wie beim Feinstaub, auch auf Belastungsquellen aus dem Hintergrund", sagt der DHU-Anwalt.

Das Reizgas Stickstoffdioxid (NO2) entsteht bei der Verbrennung von Kraftstoff im Motor. Bei normalen Konzentrationen riecht und sieht man NO2 nicht, erst bei "dicker Luft" riecht es leicht süßlich. Es kann zu Atemwegserkrankungen führen und ist besonders für Kinder, Asthmatiker und Kranke gefährlich. Die strenge Auto-Abgasnorm Euro 6 soll den Ausstoß von Stickstoffdioxid bekämpfen, ist aber erst vom Jahr 2014 an vorgeschrieben.

Der Münchner von der Landshuter Allee wollte deshalb mit seiner Klage nicht nur die Ausweitung der Umweltzone auf den Mittleren Ring erreichen - die bayerische Regierung hätte sich im Bundesrat auch für die Änderung des Bundes-Immissionschutzgesetzes einsetzen sollen. Denn es sei unsinnig, dass etwa Benzinautos der völlig veralteten Abgasnorm Euro1 die grüne Plakette erhielten.

"Die Plakettenvergabe müsste sich stärker am NO2-Ausstoß orientieren", verlangte er in seiner Klage. Die grünen Plaketten dieser Luftverpester müssten bei der jeweils nächsten TÜV-Untersuchung eingezogen werden. Auch Fahrzeuge mit roten und gelben Plaketten sollten sofort und nicht erst, wie bisher vorgesehen, im Oktober 2010 beziehungsweise im Herbst 2012 ausgesperrt werden.

Ein wesentlicher Punkt in einem neuen Umweltprozess wird auch die Gnadenfrist bis Juni 2011 sein, die München von der EU zur Feinstaubbekämpfung eingeräumt worden ist. Bayern meint nämlich, dass wegen dieser Fristverlängerung derzeit kein Grenzwert überschritten werde - folglich dürfe auch kein Bürger klagen. "Diese EU-Entscheidung ist nur an die Bundesrepublik gerichtet", sagt dagegen Anwalt Klinger. Der Freistaat dürfe sich aber nicht auf eine Entscheidung der EU-Kommission berufen, so lange sie nicht in deutsches Recht umgesetzt worden sei.

Der beklagte Freistaat, der in diesem Fall durch die Regierung von Oberbayern vertreten wird, hat außerdem darauf hingewiesen, dass der Münchner Luftreinhalte- und Aktionsplan bereits geändert und ergänzt werde. In dieser sogenannten "4. Fortschreibung" sei bereits die vom Stadtrat beschlossene stufenweise Verschärfung der Umweltzone enthalten.

Dieser Planentwurf solle schon im Mai öffentlich ausgelegt werden. Die von dem Münchner beklagten Probleme würden darin bereits berücksichtigt - weitere Bedenken könne er noch im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung vortragen. Deshalb fehle ihm das Rechtsschutzinteresse und damit die Klagebefugnis, meinen die Staats-Juristen.

Der klagende Münchner hatte sein Anliegen aber keineswegs so gut vertreten gesehen - allein schon, weil der Freistaat auf die besonders schwerwiegende NO2-Problematik gar nicht eingegangen sei. "Es existiert kein Luftqualitätsplan für München, der zeigt, wie die Einhaltung des NO2-Grenzwertes bis zum Dezember 2014 erreicht werden soll", heißt es daher in der Klage.

Als ungenügend betrachten der Münchner und sein Anwalt auch die lapidare Feststellung des Freistaats, dass es Ergebnis eines "komplexen Abwägungsvorgangs" gewesen sei, den Mittleren Ring nicht mit in die Umweltzone einzubeziehen. "Gerade weil der Ring eine so hohe Verkehrsbedeutung hat, muss er einbezogen werden, damit die Umweltzone möglichst wirksam ist", sagt Remo Klinger.

Spätestens nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts werde die Stadt den Ring nicht mehr ausklammern dürfen - daran habe er überhaupt keine Zweifel, sagte der Anwalt. Ebenso wenig wie daran, dass schon bald ein anderer von Abgasen geplagter Bürger den Kampf vor dem Münchner Verwaltungsgericht aufnehmen werde - der Rechtsstreit um saubere Luft sei also nur verschoben.

© SZ vom 27.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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