Leibesvisitation bei Schülern:Blick in BH und Unterhose

Friedrich-List-Wirtschaftsschule

An der Friedrich-List-Wirtschaftsschule durchsuchten Beamte 29 Schüler, teils bis auf die Unterwäsche.

(Foto: Jakob Berr)

Weil einer Schülerin fünf Euro gestohlen wurden, haben Polizisten die Achtklässler einer Münchner Schule einer intensiven Leibesvisitation unterzogen. Einige mussten sogar ihre BHs öffnen und sich in die Unterhose blicken lassen. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Von Florian Fuchs, Dominik Hutter und Katja Riedel

Eigentlich hätten die 29 Schüler der städtischen Friedrich-List-Wirtschaftsschule in einem Seminar der Polizei an diesem Vormittag etwas über Zivilcourage lernen sollen und wie man Gewalt begegnet. Stattdessen wurden einige der Jugendlichen am Dienstag offenbar selbst Opfer von Übergriffen: Weil sich eine Schülerin beschwerte, dass ihr fünf Euro gestohlen worden seien, unterzogen Polizisten die Jugendlichen einer intensiven Leibesvisitation - bis hin zum Blick unter Büstenhalter und in Unterhosen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen des Anfangsverdachts der Nötigung, die Polizei hat sich bei den Schülern und Eltern entschuldigt und interne Ermittlungen eingeleitet. "Nach jetziger Einschätzung waren die Maßnahmen überzogen und standen in keiner Verhältnismäßigkeit", heißt es bei der Polizei.

Wie Sprecher Wolfgang Wenger bestätigt, war ein Jugendbeamter des Polizeipräsidiums am Dienstag in der Schule nahe dem Isartorplatz. Im Zuge des Präventionsprojekts "Zsammgrauft" sollte er mit Jugendlichen der achten Jahrgangsstufe Strategien gegen Ausgrenzung, Mobbing und Gewalt einüben.

Während des Seminars jedoch habe eine 16 Jahre alte Schülerin angezeigt, dass ihr fünf Euro aus der Jackentasche gestohlen worden seien. Die Schüler hätten daraufhin zunächst die Möglichkeit erhalten, die fünf Euro in einem Nebenraum anonym zu hinterlegen. Nachdem diese Maßnahme ohne Erfolg blieb, forderte der Jugendbeamte laut Darstellung der Polizei Verstärkung für eine Leibesvisitation an.

Die Ermittlungen dauern an

Vier Polizistinnen und Polizisten untersuchten die 29 Schüler nach Geschlechtern getrennt in zwei verschiedenen Klassenzimmern. "Zum Teil mussten Schülerinnen kurz den BH öffnen, bei manchen Schülern wurde in die Unterhose geschaut", sagt Polizeisprecher Wenger. Die fünf Euro seien nicht wieder aufgetaucht.

Am Nachmittag hätten sich verunsicherte Angehörige einer Schülerin an die Polizei gewendet. "Unsere Abteilung für interne Ermittlungen hat den Fall sofort übernommen und ist noch am Nachmittag in die Schule gefahren, um die Sache aufzuklären", sagt Wenger.

Die Ermittlungen dauern an, da noch nicht alle Schüler und Eltern befragt werden konnten. Nach derzeitigem Stand hätten sich die Vorwürfe allerdings erhärtet. "Man kann bei Verdacht auf Diebstahl Taschen durchsuchen und Jacken ablegen lassen, auch wenn es nur fünf Euro sind", sagt Wenger, "aber die Schüler so intim zu durchsuchen, ist natürlich völlig überzogen." Die Ermittlungen richteten sich momentan gegen alle vier beteiligten Polizeibeamten. Sollte sich der Verdacht auch nach Abschluss aller Befragungen bestätigen, werde die Polizei disziplinarrechtliche Schritte einleiten.

Lehrkraft soll sich passiv verhalten haben

Für die betroffenen Schüler im Pubertätsalter war der Vorfall offenbar so traumatisierend, dass nach SZ-Informationen viele am nächsten Tag nicht zur Schule kamen. Eine während der Polizeiaktion anwesende Lehrkraft soll sich passiv verhalten haben und nicht eingeschritten sein.

Die Schulleitung will sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht äußern. Auch das Schulreferat wollte zur Bewertung des Falls am Donnerstag keine Stellungnahme abgeben. "Wir sind in erster Linie mit den Lehrkräften, die an dem Projekt beteiligt waren, und auch mit der Polizei im Gespräch", sagte eine Sprecherin des Referats. Für eine Bewertung der Vorgänge sei es zu früh.

"Wir nehmen aber das, was uns die Schüler erzählt haben, sehr ernst und wollen die pädagogische Verantwortung für die Aufarbeitung übernehmen." Darum bestehe die Möglichkeit, dass betroffene Jugendliche Einzelgespräche mit einem Schulpsychologen führen könnten.

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