Lassiter-Lesung im Vereinsheim:Cowboys auf der Bühne

Bei einer Westernlesung wird das Vereinsheim zum Saloon. Held des Abends ist Lassiter - er bekämpft die Schurken und zähmt das Teufelsweib.

Ana Maria Michel

Wer an diesem Donnerstagabend mit der Erwartung, ein paar Bier zu trinken und eine Partie Kicker zu spielen, ins Vereinsheim kam, der wurde enttäuscht. "Hier findet eine szenische Westernlesung statt", heißt es an der Tür. 10 Euro kostete der Eintritt, das war für einige zu viel des Guten und sie machten kehrt.

Wenn sie jedoch gewusst hätten, was hinter den Türen des Vereinsheims stattfinden würde, wären sie wahrscheinlich geblieben. Erwartungsvoll saßen etwa 30 Gäste vor der Bühne, die für die Lesung in der Kneipe aufgestellt worden war. Kurz nach 20 Uhr betraten drei echte Cowboys mit Hüten, Colts und allem, was dazugehört, die Bühne, so als wären sie gerade aus einem Westernfilm herausgesprungen.

Spätestens jetzt wussten die Gäste der Lesung, dass das hier kein Abend im Zeichen der hohen Literatur werden würde. Kein Günter Grass mit ernstem Gesicht trägt hier etwas aus seinem neusten Werk vor, sondern drei Cowboys geben einen trivialen Groschenroman zum besten. Die Melodie von Spiel mit das Lied vom Tod wird eingespielt - es geht los.

Die beiden Schauspieler Sabrina Khalil und Thorsten Krohn, die bis Ende Mai im Metropoltheater in Das Bildnis des Dorian Gray zu sehen sind, und Marion Bösker vom Literaturhaus nehmen in cooler Cowboy-Manier ihre Plätze auf der Bühne ein. Gelesen wird aus Lassiter und die Teufelsbraut, einem Band aus der Groschenroman-Reihe um den Helden Lassiter - "dem härtesten Mann seiner Zeit". Anfang der siebziger Jahre wurde dieser Klassiker der Lassiter-Reihe von Jack Slade geschrieben.

Es ist nicht das erste Mal, dass es ein Groschenroman auf die Bühne schafft: Nachdem sich die drei bereits die Arztschmonzette Der Bergdoktor, den Krimiklassiker Jerry Cotton und den Gruselkrimi Geisterjäger John Sinclair vorgenommen haben, ist jetzt Lassiter an der Reihe.

Mit der Abgeklärtheit, die für die Abenteuer von Westernhelden absolut angebracht ist, fängt Bösker an vorzulesen. Sie übernimmt die Rolle der Erzählerin und wird sich später in Tyron Ham, den Boss der Wells-Fargo-Gang, verwandeln. Dieser und sein Partner Sidney Blood jagen Lassiter nämlich quer durch den Wilden Westen, weil er ihnen 20.000 Dollar abgenommen hat.

Krohn in der Rolle von Lassiter sitzt mit Cowboy-Hut und Fransenjacke lässig auf seinem Platz, ab und zu zündet er sich einen Zigarillo an. Dass er gerade von Tyron Ham und seinen Männern gejagt wird, beeindruckt ihn nicht sehr. Was ihn dagegen umhaut, ist der Anblick einer wunderschönen Frau auf einem "riesigen reglosen Rappel". Das Teufelsweib, gelesen von Khalil, raubt ihm den Atem und führt Lassiter schließlich zur Nash-Ranch, die zwischen Hügeln aus Salbeisträuchern steht. Auf der Bühne wird ein Salbei-Topf auf den Tisch geknallt.

Der Teufel von Arizona

Lassiter erlebt ein Abenteuer nach dem nächsten, denn er ist dem teuflischen Plan des Teufelsweibs Sandra Nash zum Opfer gefallen und wird mit "dem Teufel von Arizona", Tom Brox, verwechselt.

Khalil spricht nicht nur die Rolle von Sandra, sondern übernimmt außerdem den Part von Dolly, wobei sie sich eine schwarze Federboa um den Hals wirft. Auch Krohn verkörpert nicht nur einen Charakter: Bei der Begegnung zwischen Lassiter und Tom Brox spielt er beide im Wechel. Er zieht Lassiters Hut auf, wenn er den guten Cowboy spricht und wechselt die Kopfbedeckung blitzschnell, wenn der Part des bösen Cowboys an der Reihe sind.

Groschenromane wie Lassiter kennt man aus dem Supermarkt, wo sie neben der Kasse für wenig Geld zum Kauf ausliegen. Die Leser sind meist weiblich und flüchten sich in den Romanen in eine fiktive Welt, wo die Männer stark und mutig sind, die Bösewichte am Ende immer verlieren und die Liebesgeschichten gut ausgehen. Die schmalen Heftchen werden oft heimlich gelesen, weil niemand gerne zugibt, dass er sich für solche einfach gestrickten Geschichten interessiert.

An diesem Abend sind die Zuhörer im Vereinsheim zur Belustigung hier. Kahlil, Krohn und Bösker lesen inbrünstig und mit solchem Ernst, dass die Gäste an vielen Stellen lachen müssen. Die meiste Zeit hört man im Vereinsheim aber nur die Stimmen der Vorleser, denn die Zuhörer verfolgen die Geschichte - sie wollen wissen, welches Abenteuer Lassiter als nächstes erleben wird, obwohl klar ist, dass am Schluss alles gut ausgeht.

Nach gut 90 Minuten kommt das Ende der Story ein bisschen plötzlich, aber bei Groschenromanen kann man eben keine große Literatur erwarten, denn die Muster sind klar. Unterhaltsam ist die Lesung im Vereinsheim auf jeden Fall: Die Gäste fiebern mit dem sympathischen Lassiter mit und lachen an den besonders blöden Stellen - zum Beispiel wenn Lassiter von Dollys überdimensionalen Brüsten wie gebannt ist.

Kahlil, Krohn und Bösker machen den Groschenroman bühnenreif und verwandeln das Vereinsheim in einen echten Western-Saloon.

Weitere Termine der szenischen Lesungen: Die nächste Lesung findet am 28. April um 20 Uhr im Münchner Volkstheater statt und sich den Geisterjäger John Sinclair vornehmen. Am 30. Mai ist Jerry Cotton um 19 Uhr in der Pasinger Fabrik dran.

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