Justin Bieber in München:Kommt ein Engel geflogen

Kreischt so laut ihr könnt: Justin Bieber ist in Deutschland. Beim Tour-Auftakt in München zeigt er mit einer imposanten Show, dass die Sorgen um ihn und sein Image unbegründet sind. Statt als Bad-Guy kommt er als Engel auf die Bühne. Und die Fans kollabieren noch immer, wenn er seine weiße Unterhose zeigt.

Von Lisa Sonnabend

Das Gerücht verbreitete sich rasant. Hunderte junge Münchnerinnen belagerten das Hotel Mandarian Oriental in der Innenstadt. Angeblich hat Justin Bieber dort ein Zimmer bezogen. Die Polizei rückte am Mittwochnachmittag an und hatte allerhand Mühe, den Fans zu versichern, der wohl derzeit größte Popstar der Welt wohne hier gar nicht.

Justin Bieber ist in Deutschland. Am Donnerstagabend stand das erste von sechs Konzerten an. In der Münchner Olympiahalle trotten Erziehungsberechtigte ihrer Kinderschar hinterher wie alte Hunde, die kaum noch Kraft zum Gassigehen haben. Vor dem Bratwurststand steht ein Mädchen mit rosa Leggins, weißem Justin-Bieber-T-Shirt und schluchzt so ergriffen, als wäre sie dem Leibhaftigen gerade begegnet. Im Inneren der Halle schreit die eine Hälfte: "Bieber! Bieber!" Die andere: "Justin! Justin!" Ein vielleicht Elfjähriger auf der Tribüne sagt ungeduldig: "Mensch, Bieber, mach' halt."

Um 19:40 Uhr: ein Knall. Das Licht geht nicht aus, stattdessen blinkt auf der Leinwand ein Countdown. Noch neun Minuten, 34 Sekunden. Es folgen neun Minuten, 34 Sekunden Kreischen. Dann ist er da. Justin Bieber schwebt hinab auf die Bühne. Sein Körper hängt an Seilen, auf seinem Rücken sind riesige Flügel befestigt. Ein Engel. Wer nun noch nicht mitkreischt, hält sich die Ohren zu.

Rätseln in den Klatschspalten

Was haben die Medien sich in den vergangenen Monaten um ihn gesorgt! Sie waren sofort zur Stelle, als seine Beziehung zu Schauspielerin Selena Gomez zerbrach. Sie rätselten, warum er bei einem Konzert in London die Fans stundenlang warten ließ und warum er ein paar Tage später hinter der Bühne zusammenbrach. Sie haben es sofort registriert, als er sich schon wieder ein neues Tattoo stechen ließ und unkten: Ist das Teenie-Idol auf dem Weg, zum Bad-Guy zu werden? Leidet es an Burn-Out? Oder stürzt es gar ab?

Justin Bieber ist nicht mehr der kleine Junge mit dem unschuldigen Blick. Er ist 19. Die Medien kommen damit offenbar wenig klar, die meisten Fans jedoch wunderbar. 11.000 "Belieber" - so nennt Bieber seine Jünger - sind an diesem Abend in die Olympiahalle gekommen. Das bedeutet: Zwar nicht ganz ausverkauft, doch ein großer Erfolg. Denn die Karten haben bis zu 177 Euro gekostet.

Pyrotechnik und Konfetti

Auf etwa 55 Millionen US-Dollar wird das Jahreseinkommen des Kanadiers geschätzt. Er hat 52 Millionen Fans auf Facebook und 36 Millionen Follower auf Twitter. Nur Lady Gaga kann ähnliche Zahlen vorweisen.

Biebers drittes Studioalbum erschien vor gut einem halben Jahr, es heißt "Believe" und verkauft sich natürlich prächtig. Seine Stimme ist wegen des Stimmbruchs etwas tiefer als früher, aber immer noch beinahe glockenklar. Die R'n'B-Pop-Dance-Mischung auf dem Album ist solide, aber nicht genial. Balladen wechseln sich mit Club-Hits ab - Biebers bewährtes Rezept. Das Phänomen Justin Bieber lässt sich nicht mit der Musik erfassen. Sondern eher an Hand der entrückten Blicke der Fans und der Lautstärke ihres Kreischens, wenn Justin Bieber seine Sonnenbrille abnimmt.

Bieber verschwindet mehrmals hinter der Bühne, um sich umzukleiden. Mal trägt er weißes Jackett, mal eine goldene Weste, mal nur ein Unterhemd. Immer tief sitzende Baggypants. Mal hüpft er auf und ab, mal bewegt er sich im Robot Dance und ständig greift er sich mit einer Hand in den Schritt.

90 Minuten steht Bieber auf der Bühne, er spielt seine bekannten Hits wie "Baby" oder "One Less Lonely Girl", aber auch viele Lieder von der aktuellen Platte. Die Bühne ist imposant: Auf drei Ebenen laufen Musiker und Tänzer hin und her, ein Steg führt weit ins Publikum hinein. Auf der Leinwand hinter der Bühne werden Bilder eingeblendet: Wie der kleine Justin erste Gesangsversuche unternimmt oder wie der Star Bieber in einem gestellten Videoclip den Paparazzis davonrennt. Auch an Pyrotechnik hat der Teenie-Star nicht gespart. Ständig knallt es, doch nicht immer steigen Flammen empor, manchmal rieselt auch Konfetti herab.

Der Geruch nach Schweiß ist so beißend wie bei einem Metal-Konzert. Die "Belieber" hüpfen und recken die Hände in die Luft. Doch statt Teufelshörner formen sie mit ihren Fingern ein Herz.

Bei "Out Of Town Girl" führt Bieber mit zwölf Tänzern eine Choreographie vor, bei "Be Alright" setzt er sich auf eine Treppenstufe und trocknet sich mit einem schwarzen Handtuch die Stirn. Bei "Beauty And A Beat" steht er mit dem Rücken zum Publikum und beugt sich soweit nach vorne, dass man seine weiße Unterhose sieht. Die Frequenz, in der die Ordner heraneilen, um einen kollabierten Fan aus der Menge zu ziehen, erhöht sich.

Nach der letzten Zugabe "Baby" sinkt der Sänger hinunter und verschwindet unter dem Bühnenboden. Doch auf dem Weg nach unten ist Justin Bieber noch lange nicht.

Weitere Stationen von Justin Biebers Deutschlandtour sind Berlin (Sonntag), Hamburg (Dienstag), Frankfurt (Mittwoch), Dortmund (5. April) und Köln (6. April). Es sind noch Restkarten erhältlich.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: