40 Jahre "Schulmädchenreport":Ritter in karierten Betten

Viele bekannte Schauspieler standen im Schulmädchenreport erstmals vor der Kamera. Den meisten ist dies inzwischen peinlich. Nicht so dem "kleinen, geilen Italiener" Rinaldo Talamonti.

S. Hermanski

"Mir hat mein Opa schon beigebracht, dass man zu dem stehen muss, was man getan hat. 'Wenn du zum Mörder wirst, musst du sogar dazu stehen', hat er gesagt. Aber die Leute sind nicht so. Sie betrügen, rauben, vergewaltigen und stellen sich doch immer als Unschuldslämmer dar", sagt Rinaldo Talamonti, noch immer mit seiner unverkennbar italienischen Sprachmelodie.

40 Jahre "Schulmädchenreport": Ricardo Talamonti und ein "Schulmädchen"

Ricardo Talamonti und ein "Schulmädchen"

(Foto: Foto: Kinowelt/DIF/oh)

Der frühere Schüler des päpstlichen Instituts Montalto in den Marken hat freilich nie gemordet. Das würde man dem heute 62-Jährigen auch nie unterstellen. Und man würde ihm auch sicher nicht vorhalten, dass er kürzlich, nach seiner langen Flaute im Filmbusiness, einen fiesen Serienkiller in dem italienischen Thriller Der falsche Mann verkörpert hat. Aber dass er unzählige Male den "kleinen, geilen Italiener" gemimt und als solcher die Unzucht nur gespielt hat: Dafür verurteilen ihn manche noch bis heute. Das kennt er zur Genüge.

Rinaldo Talamonti sitzt in seinem Restaurant Buon Gusto, das er seit 1993 erfolgreich in der Münchner Innenstadt betreibt. Notgedrungen, denn eigentlich hätte er viel lieber nur als Schauspieler weitergearbeitet, und als solcher habe er sich auch immer gefühlt, erklärt er.

Doch als er eines Tages dem Produzenten ein Drehbuch zurückgab, weil darin etwas von einer Kuh stand, die einen Mann mit ihrer rauen Zunge bespaßt, und das denn doch gegen seine Vorstellung von gutem Geschmack verstieß, war seine Karriere nach den Zwei Däninnen in Lederhosen (1979) in diesem Punkt beendet.

Das gilt freilich nicht für alle, die damals, vor 40 Jahren, ihre Laufbahnen mit dem Schulmädchenreport gestartet hatten oder in vergleichbaren Sexfilmchen, die unter dem Vorwand der Aufklärung in die Kinos kamen.

Friedrich von Thun war dabei, Jutta Speidel, Ingrid Steeger und unzählige mehr, die allerdings im Gegensatz zu Rinaldo Talamonti nicht am Mittwochabend um 19:30 Uhr in die Seidlvilla in München kommen werden, wenn der Seerosenkreis zu "Wüst und bieder" lädt, um das Phänomen noch einmal zu beleuchten. Dabei ist Talamonti als derzeit amtierender, offizieller Hofnarr der Narhalla eigentlich auch schwer eingespannt. "Aber wer (wie Konstantin Wecker, Anm. d. Red.) sagt, er habe keine Zeit für den Termin, dem ist das, glaube ich, einfach immer noch peinlich."

Dabei gibt es kaum einen Schauspieler entsprechenden Alters, der nicht mitgespielt hat in den Brummer-, Kolle-Filmen & Co, weil damals hierzulande kaum noch etwas anderes, kommerziell Nennenswertes gedreht worden ist: Schon allein der erste Schulmädchenreport, dem elf weitere folgen sollten, hat seinerzeit sieben Millionen Zuschauer in Kino gelockt.

So manche Mutter soll ihr hübsches Töchterlein angesichts dessen zu den vielen Castings in Schwabing geschickt haben, in der Hoffnung auf die ganz große Karriere. In der Folge gibt es heute kaum einen Münchner über 40, der bei genauerer Betrachtung der Filme nicht irgendeine Ex-Freundin seines älteren Bruders im Bett mit Heiner Lauterbach wiederentdeckt.

Oder die atemberaubend schöne Mama einer Schulfreundin endlich erkennt, die seinerzeit schon erzählt hat, wie dem armen Jüngelchen, mit dem sie eine Szene als gestrenge Lehrerin spielen musste, "die frei schwingenden Details mit Leukoplast hochgeklebt werden mussten. Damit man bloß nichts sieht später im Film." Das war streng verboten, weil pornographisch. Einige können bis heute nicht darüber lachen. Vielleicht taucht ja deshalb in der sonst so gewissenhaft geführten Chronik der Seidlvilla auch jene Zeit von 1970 bis 1976 gar nicht auf, da die Besitzverhältnisse des Gebäudes turbulent wechselten und das altehrwürdige Haus als terrain vague zahlreichen dieser Sexfilmchen als Kulisse gedient hat.

Babyboom verursacht

Rinaldo Talamonti erinnert sich noch genau: "Ich mochte die Villa sehr, dort gab es wenigstens fließend Wasser, im Gegensatz zu vielen anderen heruntergekommen Orten, an denen wir gedreht haben. Da konnte ich mir immer die Ganzkörperschminke nach den Dreh abwaschen, die in einer ewigen Prozedur auf mir verteilt wurde. Denn auf diese Weise besudelt, bin ich nie nach Hause zu meiner Frau gegangen."

Sein Sohn Lajos, der heute Theaterschauspieler in Berlin ist, kam 1969 auf die Welt. Verheiratet war Talamonti schon seit seiner Anfangszeit als Darsteller in "Sexifilmen", wie er sie drollig nennt. Deshalb habe er auch nie die Grenzen beim Dreh überschritten, wenn er sich mit den schönsten Mädchen in den karierten Betten wälzte - "in dem weißem Leinen hat man immer so die Streifen von der Körperschminke gesehen, deshalb sind die Requisiteure irgendwann drauf gekommen, die Bauernbetten zu nehmen".

Seine Fans besuchen ihn auch heute noch in seinem Restaurant. Manche bis aus dem Ruhrgebiet, "wie neulich ein Mann mit seiner Frau und seinem erwachsenen Sohn. Er hat stolz erzählt, dass er den Jungen gezeugt hat, nachdem er einen meiner Filme sah. Der Sohn fand das lustig: 'Endlich lerne ich sie mal kennen', hat er zu mir gesagt." Doch Rinaldo Talamonti hat nicht nur das Gefühl, dass ihm besonderer Dank gebührt, weil er die bislang letzte deutsche Babyboomer-Generation mit auf den Weg brachte. Er weiß, seine Landsleute verehrten ihn damals wie einen Helden. Weil er, stellvertretend für sie alle, "die schönen, großen, blonden, deutschen Mädchen bekam. In einer Zeit, in der sie noch als Gastarbeiter in Baracken wohnen mussten und viele Demütigungen ertrugen."

Dass er das bitterböse Vorurteil vom "kleinen, geilen Italiener" dadurch befeuerte, kann er nicht als negativ sehen: "Ich trage den Titel eines Cavaliere", sagt er. Dieser Ritterorden der Italienischen Republik wurde ihm am 16. April 2008 verliehen.

Ein anderer berühmter Träger dieser Auszeichnung heißt übrigens Silvio Berlusconi. Dessen Sexszenen sind dem Vernehmen nach aber nicht nur gestellt.

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