Interview:Der Grandmaster der Turntables

Als Grandmaster Flash klein war, spielte er mit den Schallplatten seines Vaters. Der schlug ihn deswegen, so lange, bis Joseph kapierte: Platten sind heilig.

Jochen Temsch

Trotzdem machte er später, Anfang der siebziger Jahre, Dinge mit ihnen, die sich vor ihm keiner getraut hatte: Er legte seine Handflächen drauf, kritzelte sie mit Filzstift-Markierungen voll, drehte sie unter der Nadel vor und zurück. Der heute 49-jährige Grandmaster Flash erfand die Turntables als Musikinstrument - und somit eine der Kulturtechniken des Hip-Hops, die er von 1977 an mit seiner Gruppe The Furious Five erfolgreich anwandte. Diesen Mittwoch, 16. Mai, legt die lebende Legende in der Münchner Registratur auf (Blumenstraße 28, 23 Uhr).

Interview: Grandmaster

Grandmaster

(Foto: Foto: oh)

SZ: Mal ganz unbescheiden: Was wäre DJing heute ohne Sie?

Flash: DJs, die vorsichtig und langsam mischen, gäbe es vielleicht auch ohne mich. Aber keine ungeduldigen DJs, die Platten abrupt unterbrechen, nach links und rechts auf bestimmte Stellen drehen, Passagen verlängern, indem sie zwei gleiche Platten parallel laufen lassen - und das ist der Hip-Hop-Style des DJings. So wurde es überhaupt erst möglich, dass MCs und Rapper ihre Reime über die Musik drübersprechen können.

SZ: Sind Sie stolz auf Ihre Leistung?

Flash: Absolut. Damals war die Entwicklung nicht absehbar. Hip-Hop gab es ja nur in der Bronx, heute ist es eine weltweite Kultur. Andernfalls wüsste jetzt kein Mensch, wer ich bin.

SZ: Gefällt Ihnen der heutige Hip-Hop?

Flash: Das ist eine große Frage, denn nichts ist perfekt, in keiner Musikrichtung. Es gibt Hip-Hop, den ich mag, und Hip-Hop, den ich nicht mag.

SZ: Mögen Sie die kommerziellen Auswüchse?

Flash: Damit habe ich kein Problem. Die Kommerzialisierung ist kein Nachteil für den Hip-Hop. Ich benutze sie als Vehikel, um die Menschen zu erreichen. Selbst wenn durch den Kommerz vieles falsch läuft, habe ich dadurch die Chance, durch Europa zu touren und die Dinge richtigzustellen. Ich erzähle meine Geschichte: Hip-Hop wurde im Jahr 1971 begründet, und ich sage euch, wie das ging.

SZ: Wie bringen Sie das rüber?

Flash: Ich mache etwas, das die meisten nie tun würden: Ich spiele Songs, die wichtig für den Hip-Hop waren, dann stoppe ich die Musik und spreche eine Weile zum Publikum. Ich erkläre, was ich gerade gespielt habe. Es geht ums Unterrichten und Tanzen, Unterrichten und Tanzen. Ich spiele alte und neue Sachen, beides - sehr wichtig! Mein Publikum ist breit, zwischen 18 und 40 Jahre alt. Und meine oberste Pflicht als DJ ist, dass die Leute glücklich tanzen.

SZ: Ist das DJing mittlerweile total ausgereift?

Flash: Nein. Da draußen ist hundertprozentig ein Kind, das in ein paar Jahren mit dem nächsten großen Ding rauskommt.

SZ: Oder killt die Digitalisierung den DJ?

Flash: Das glaube ich nicht. Die Maschinen kommen nicht ohne den Menschen aus, der sie bedient.

SZ: Arbeiten Sie auch schon digital?

Flash: Nein, nur mit Vinyl. Aber die Suche danach wird immer schwieriger. Ich recherchiere digital. Meine Plattenläden gehen einer nach dem anderen pleite. Dabei ist ein Schlüssel zum Erfolg als internationaler DJ, viele unterschiedliche Musiken im Plattenkoffer zu haben. Sicher wird irgendwann der Zeitpunkt kommen, an dem ich umdenken muss, aber so weit ist es noch nicht.

SZ: Was ist das finale Geheimnis einer guten Party?

Flash: Als DJ einen Raum zu betreten und Freude zu verbreiten für jede Art von Publikum. Dazu muss man lernen, wo was funktioniert. Zum Beispiel ,,Amadeus'' von Falco - das geht in München, aber nicht in Las Vegas. Ich fühle das Publikum und sage mir: Hm, mit einer 85-prozentigen Wahrscheinlichkeit werde ich sie rocken!

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