Eric Clapton in München:Gott und Mozart

Zwei Größen der Rockgeschichte: Eric Clapton zieht mit Steve Winwood auf dem Königsplatz musikalische Bilanz.

Karl Forster

Zwei Herren in gesetztem Alter erfüllen sich einen Jugendtraum. Dazu zieht der eine die zerrissene Dirty-DenimJeans aus dem Schrank, der andere sein altes Holzfällerhemd, dann dackeln sie in aller Gemütsruhe auf die Bühne des Münchner Königsplatzes und tun, was sie damals, 1969 und schon davor taten in Eric Claptons Haus in Surrey, südlich von London gelegen: Sie musizierten.

Eric Clapton
(Foto: dpa)

Beide waren damals bereits Stars, den einen nannte man Gott, den anderen Mozart der Rockmusik, beide hatten erste Meilensteine gesetzt, der eine, Clapton, mit Cream, der andere, Steve Winwood, mit Traffic und der Spencer Davis Group. Und beide wussten, dass die Rockmusik noch mehr zu bieten haben würde als "Sunshine of Your Love" oder "Gimme Some Lovin'". Um dies herauszufinden, nahmen sie sich, 25 und 21 Jahre alt, ein Jahr Auszeit. Heute, 42 Jahre später, ziehen sie auf einer Tour Bilanz aus zwei Musikerleben.

Basis dafür ist das gemeinsame Dreivierteljahr Blind Faith, dem im Großen gescheiterten Projekt des Jahres 1969. Logisch also, dass der Abend mit "Had to Cry Today" beginnt.

Nun gut, älter sind sie geworden. Aber sonst? Hier Steve Winwood, Sohn musikbegeisterter Eltern, klassische Klavierausbildung, frühe Jazzerfahrung, selbstsicher, fast arrogant, gut aussehend, Mamas Liebling. Dort Eric Clapton, uneheliches Kind einer 16-Jährigen, in ärmlichen Verhältnissen bei der Oma aufgewachsen, Kunststudium abgebrochen, um bei den Yardbirds zu klampfen; später wird er versuchen, sein fliehendes Kinn mit Bart zu kaschieren.

Winwood war das Publikum schon immer so egal wie der Mainstream der Popmusik; Clapton musste sich die Rolle der Rampensau erarbeiten. Es gelang. Heute steht er gelassen am Bühnenrand, schon bei "Crossroads" hat er das gut gefüllte Areal im Griff, beim wie immer stilistisch brillanten Solo zuckt nur ab und an der linke Oberschenkel, während Winwood elegante Begleitarbeit an der Hammond B3 leistet. Nahtloser Übergang zu "Presence of the Lord", nach dem Solo die letzte Strophe als Duett, Winwood singt Clapton an die Wand. Umgekehrt ist das, wenn die beiden Gitarre spielen. Was sonst.

Es ist ein Abend der gepflegten, teils hochvirtuosen, aber nie effekthascherischen Rockmusik. Kein Storytelling, wie es die Amerikaner lieben, britische Zurückhaltung auch beim Blues, ob mit der blassblauen Stratocaster oder der Akustischen beim sehr besinnlichen Mittelteil mit einer Country-Blues-Unplugged-Version von "Leyla". Auch "Gimme Some Lovin'", Winwoods erster Nummer-Eins-Hit aus dem Jahr 1966, wurde puristisch und, bei aller Hitze zurückhaltend, im Urzustand zelebriert.

Gegen Schluss zu dann aber die Demonstration zweier musikalischer Leben, ausgerechnet mit "Voodoo Chile" von Jimi Hendrix (aber Steve Winwood saß damals im Studio auch schon an der Orgel). Perfekt, doch zurückhaltend begleitet von Keyboarder Chris Stainton, Willie Weeks am Bass und Schlagzeuger Steve Gadd, gelang eine fast zwanzigminütige Demonstration Rockkultur, wie sie damals, als diese Musik sich dem Jazz näherte und damit der freieren Improvisation, die Menschheit fast erschreckte.

"Cocaine" und der Rest nach dem Schlussapplaus waren da nur noch Dreingaben. Man wird solch einen Abend nicht oft erleben.

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