Ehe-Falle:Verheiratet wider Willen

Weder wollte sie den Mann, noch war sie bei der Trauung in Bosnien anwesend: Eine 31-Jährige ist seit vier Jahren mit einem jungen Inder verheiratet. Obwohl die Ehe offensichtlich nicht legal ist, konnte sie nicht geschieden werden. Der ungewöhnliche Fall beschäftigt in München gleich mehrere Gerichte.

Christian Rost

Eine 31-Jährige mit deutschem Pass ist offenbar kriminellen Partnerschaftsvermittlern auf den Leim gegangen und seit vier Jahren wider Willen mit einem Inder verheiratet. Der Fall beschäftigt derzeit in München mehrere Gerichte. Obwohl es offensichtlich ist, dass die Ehe nicht auf legalem Wege zustande gekommen sein kann, ist sie trotz vielfältiger Bemühungen des Opfers bislang weder gelöst noch geschieden worden. Das ist bitter für die Frau, weil sie einen Mann, mit dem sie zwischenzeitlich zusammenlebt und mit dem sie auch ein Kind hat, nicht heiraten kann.

Elf von tausend Ehen geschieden

Anna K. hat einen Mann und ein Kind. Doch heiraten kann sie nicht. Denn sie ist an einen Mann gebunden, den sie nie wollte.

(Foto: dpa)

In die Ehe-Falle tappte die kasachischstämmige Frau, die seit Jahren in Deutschland lebt und auch eingebürgert ist, im Jahre 2008. Damals suchte Anna K. (Name geändert) nach einem Partner und wandte sich an eine Heiratsvermittlerin. Bei einem Treffen am Münchner Hauptbahnhof soll die im Raum Kempten lebende Putzfrau der Dame leichtfertig eine Kopie ihres deutschen Passes und ihrer Geburtsurkunde überlassen haben.

Die Vermittlerin schickte daraufhin einen 20-jährigen heiratswilligen Inder bei Anna K. vorbei, der ihr aber nicht zusagte. "Zu schmächtig", fiel ihr Urteil aus - sie schickte den jungen Mann, der als Küchenhilfe in München arbeitete, wieder nach Hause. Einige Wochen später erhielt die Frau dann Post aus Banja Luka. Das Standesamt der Stadt in Bosnien-Herzegowina beglückwünschte sie zur Eheschließung und schickte die Heiratsurkunde gleich mit. Seitdem weiß Anna K., dass sie mit dem Inder verheiratet ist.

Mit ihrem Kemptener Anwalt versucht sie seither, die Ehe für ungültig erklären zu lassen. Vergeblich. Sie kann zwar anhand ihres Stundenzettels nachweisen, dass sie zum Zeitpunkt der angeblichen Hochzeit gar nicht in Bosnien war, sondern als Ein-Euro-Jobberin in einem Altenheim im Allgäu geputzt hatte. Schriftgutachter des bayerischen Landeskriminalamtes stellten zudem fest, dass die Unterschrift der Frau auf der Heiratsurkunde "mit hoher Wahrscheinlichkeit" gefälscht ist.

Es gibt also gute Gründe dafür anzunehmen, dass die Ehe illegal zustande gekommen war - offensichtlich, um dem jungen Inder eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik zu verschaffen. Der in München lebende Kulwinder S. sagt dazu nur: Ja, er habe die Deutsche geheiratet. In Banja Luka, wo andere Gesetze gelten.

Nach Auskunft der dortigen Behörden ist es nämlich nicht unbedingt notwendig, dass zum Hochzeitstermin Mann und Frau auf dem Standesamt erscheinen. Es genügt, dass eine Person anwesend ist - und die notwendigen Papiere vorlegt. Der andere Partner kann der Eheschließung per Vollmacht zustimmen. Solche Regelungen sind sinnvoll, wenn zum Beispiel ein Sterbenskranker, der in der Isolierstation eines Krankenhauses liegt, noch vor seinem Tod heiraten möchte und nicht mehr selbst am Standesamt erscheinen kann. Im vorliegenden Fall waren aber sogar weder der Inder noch die Deutsche anwesend.

Das hat alles seine Richtigkeit

Kulwinder S. hatte von Indien aus schriftlich der Hochzeit per notarieller Vollmacht zugestimmt. Und eine bislang unbekannte weibliche Person gab sich mit den Kopien des Passes und der Geburtsurkunde von Anna K. als Ehewillige aus und wickelte die Formalitäten in Banja Luka ab. Der Standesbeamte dort beharrt bis heute darauf, dass alles seine Richtigkeit gehabt habe, was allerdings keine bosnische Besonderheit ist: Fehler gestehen Behörden nirgendwo gerne ein.

Mit dieser Variante der Eheschließung schlagen sich nun mehrere Gerichte in München herum. Dem Familiengericht liegt seit geraumer Zeit ein Antrag der Deutschen vor, die Ehe annullieren oder wenigstens scheiden zu lassen, damit sie endlich ihren wirklichen Lebensgefährten heiraten kann. Die Annullierung erfolgte bislang aber nicht, weil ja die bosnische Heiratsurkunde echt ist - falsche Unterschrift hin oder her.

Die Echtheit der Urkunde bestätigte auch das Konsulat von Bosnien-Herzegowina. Und die Scheidung konnte nicht erfolgen, weil das Gericht nach Lage der Dinge davon ausgehen muss, dass die Ehe nicht nach Recht und Gesetz rechtmäßig zustande gekommen war. Eine nie geschlossene Ehe kann man schließlich nicht scheiden, so die Logik des Familiengerichts. Es legte den Fall schließlich auf Eis, um abzuwarten, was die Strafjustiz in dem Fall unternimmt. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelte nämlich zwischenzeitlich gegen den Inder.

Die Strafverfolger glauben, dass der Mann, der als Asylbewerber nach Deutschland gekommen war, für die Heiratsurkunde und somit seinen Aufenthaltstitel bezahlt hat. Das wäre ein Vergehen nach dem Ausländerrecht. Der Beschuldigte bestreitet den Vorwurf. Am 30. Juli verhandelt das Landgericht München I in zweiter Instanz über den Fall. Dabei gilt es auch, die Rolle der Partnervermittlerin zu beleuchten, die die Deutsche und den Inder 2008 bekannt gemacht hatte. Die Vermittlerin stritt bislang jede Beteiligung an illegalen Vorgängen ab. Wer eigentlich die Frau war, die in Banja Luka vor dem Standesbeamten stellvertretend das Jawort zur Ehe von Anna K. und Kulwinder S. gegeben hatte, konnte nie ermittelt werden.

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