Flughafen: Dritte Start- und Landebahn:Münchens umstrittenes Mammutprojekt

Wann beginnt der Bau der dritten Startbahn? Was kostet das Vorhaben? Wie stark leidet die Natur? Der umstrittene Ausbau des Münchner Flughafens ist in einem 2837-seitigen Beschluss genehmigt worden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Großprojekt.

Birgit Kruse, Lisa Sonnabend und Marco Völklein

Dass an diesem Dienstagmorgen der Planfeststellungsbeschluss für die dritte Start- und Landebahn am Münchner Flughafen erlassen worden ist, überrascht nicht. Mit der Baugenehmigung für eines der größten Vorhaben der Verkehrspolitik in Bayern ist gerechnet worden. Interessant ist jedoch, was in dem Dokument steht und welche Begründungen die Regierung von Oberbayern darin zugrunde legt. Darüber einen Überblick zu bekommen, gestaltet sich allerdings schwierig: 2837 Seiten ist der Beschluss lang, allein 44 Seiten umfasst das Inhaltsverzeichnis. Auf der Webseite der Regierung von Oberbayern kann er heruntergeladen werden. sueddeutsche.de gibt einen ersten Überblick.

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Der Planfeststellungbeschluss für die dritte Start- und Landebahn am Flughafen München ist erlassen worden. Klicken Sie auf die Graphik, um zu sehen, wo die neue Bahn entstehen soll.

(Foto: SZ-Graphik)

Was wurde genau genehmigt?

Der wichtigste - und umstrittenste - Punkt ist die vier Kilometer lange Start- und Landebahn, die nordöstlich versetzt zu den bestehenden Anlagen entstehen soll. Genehmigt wurden auch Rollwege und weitere Einrichtungen wie eine dritte Feuerwache oder Schneeabladeplätze. Auch neue Flughafengebäude könnte der Airport errichten: Ein weiteres Terminal im Osten wäre möglich; zudem darf der Flughafen das ,,Satellitenterminal'', mit dessen Bau in diesen Tagen begonnen wird, durch einen Anbau erweitern.

Wie begründen die Befürworter den Bedarf?

Die Regierung von Oberbayern erhofft sich "erhebliche ökonomisch-strukturelle Effekte". Die dritte Startbahn werde den Münchner Flughafen im internationalen Wettbewerb stärken. Nach Schätzungen werde die Zahl der Beschäftigten bei einem Ausbau auf 40.700 Personen im 2025 ansteigen. Ohne Ausbau werde der Flughafen bis dahin voraussichtlich nur 32.500 Personen beschäftigen.

Zudem sei im Jahr 2025 mit 590.000 Flugbewegungen zu rechnen. Ohne dritte Startbahn sei der Flughafen München nicht in der Lage, dies abzuwickeln. Ohne Ausbau könnten nur 480.000 Flugbewegungen bewältigt werden.

Welche Auflagen gibt es?

Um die Belastungen für Anwohner und die Natur zu mindern, hat die Bezirksregierung dem Airport einige Vorgaben auferlegt - zum Beispiel Ausgleichsflächen im Umfang von 908 Hektar zu schaffen. Auch darf die Bahn nur zwischen 6 und 22 Uhr genutzt werden; Ausnahmen sind bei ,,Notfällen oder der Sperrung einer Bahn'' möglich, so die Regierung. Die neuen An- und Abflugrouten hat sie nicht vorgeschrieben - dies obliege der Flugsicherung. Sie akzeptiert auch nicht das Argument der Ausbaugegner, mit größeren Flugzeugen könnten mehr Passagiere befördert werden, was den Bau der dritten Bahn obsolet machen würde. Die Wahl bestimmter Flugzeugtypen könne man den Airlines nicht vorschreiben, erklärt die Regierung. Im Freisinger Stadtteil Attaching hat sie zugleich ein ,,Entschädigungsgebiet'' festgelegt.

Wie funktioniert die Entschädigung?

Die Eigentümer dort können entscheiden: Wollen sie, dass der Flughafen ihnen Schallschutzfenster einbaut? Oder wollen sie verkaufen? Wenn sie sich für den Verkauf entscheiden, gilt der Verkehrswert der Immobilien aus dem Jahr 2007, als der Flughafen den Ausbau beantragt hatte. Die Behörde hat das Gebiet weiter gefasst als nach bisheriger Rechtsprechung üblich. Der Flughafen hatte nur mit etwa 35 Grundstücken gerechnet, deren Besitzer entschädigt werden müssen. Nun sind es 100. Unklar ist, ob das die von Kerkloh zuletzt genannte Investitionssumme in die Höhe treibt: eine Milliarde Euro. Etwa die Hälfte davon sollen in Entschädigungen, Lärmschutz- und Ausgleichsmaßnahmen fließen.

Wann wird mit dem Bau begonnen?

Auch wenn mit dem Bau sofort begonnen werden könnte - ein genauer Termin ist noch nicht bekanntgegeben worden. In der Erklärung der Regierung von Oberbayern ist zu lesen, dass die Flughafen München GmbH (FMG) "verbindlich erklärt habe, dass sie von der Genehmigung keinen Gebrauch machen wird, bevor nicht auch den anderen Beteiligten der Planfeststellungsbeschluss rechtsförmlich bekanntgegeben wurde." Der Bund Naturschutz in Bayern fordert die FMG auf, nicht vor Abschluss des Klageverfahrens mit dem Bau zu beginnen - also erst, wenn der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in erster Instanz über die Klagen der Gegner entschieden hat.

Wie werden die Gegner reagieren?

Geklagt wird auf jeden Fall gegen den Beschluss, das haben die Startbahngegner schon angekündigt. Offiziell zugestellt wird der Beschluss den Gemeinden noch nicht jetzt, sondern erst im September. Damit kommt die Regierung von Oberbayern den Gegnern entgegen, da dann die Sommerferien vorbei sind. Nach der Zustellung bleiben den Gegnern vier Wochen Zeit, Klage einzureichen, weitere sechs Wochen, um diese zu begründen. Der Bund Naturschutz Bayern bereitet bereits eine Klage vor und rechnet damit, diese Ende Oktober beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einreichen zu können. Dann wird dort in erster Instanz über die Klage entschieden. Wie lange sich die Verhandlungen hinziehen werden, ist indes unklar.

Wie stark leidet die Natur?

Ist mit erhöhtem Fluglärm zu rechnen?

Gruenes Licht fuer dritte Startbahn am Muenchner Flughafen

Nach dem Bau der dritten Startbahn ist laut Regierung von Oberbayern mit 590.000 Flugbewegungen pro Jahr zu rechnen, ohne den Ausbau mit 480.000.

(Foto: dapd)

Eine der größten Sorgen der Anwohner ist, dass es zu erhöhtem Lärm in ihrer Heimat kommt. Und auch die Regierung von Oberbayern gibt in dem Beschluss zu: "Das Vorhaben führt teilweise zu erheblichen Mehrbelastungen infolge Fluglärms." Allerdings sei "das Vorhaben mit den Belangen des Schutzes der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Fluglärm vereinbar". Künftig seien deutlich mehr Menschen im Flughafenumland vom Lärm betroffen. Tagsüber erhört sich die Zahl der Betroffenen, die einem Lärm von 52 bis 55 dB ausgesetzt sind, von 14.100 auf 23.700. Nachts nehme - laut des Beschlusses - die Zahl der Betroffenen allerdings ab. Dann gebe es statt 10.175 nur noch 7080 Personen, die Lärm ausgesetzt sind. Umliegende Kindergärten, Schulen oder Altenheime könnten weiter betrieben werden.

Wie stark leidet die Natur?

Für die dritte Startbahn müssen rund 1780 Hektar, die außerhalb des bisherigen Flughafens liegen, erschlossen werden. Viele befürchten deswegen Beeinträchtigungen für die Natur und Umwelt. In dem Planfeststellungsbeschluss heißt es dazu: "Die Regierung von Oberbayern kommt zum Ergebnis, dass alle vermeidbaren Eingriffe unterlassen und die unvermeidbaren Beeinträchtigungen von Naturhaushalt und Landschaftsbild vollständig kompensiert werden." Es sei zu prüfen, ob geschützte Tier- und Pflanzenarten durch den Bau der dritten Startbahn beeinträchtigt werden. Dazu zählen unter anderem Fledermausarten, die Zauneidechse oder der Schmetterling Ameisenbläuling. Einige Vogelschutzgebiete würden durch den Flughafenausbau durchaus beeinträchtigt. Kritiker befürchten, dass Kiebitze, Große Brachvögel, Wiesenschafstelzen, Feldlerchen, Grauammern, Wachteln, Wachtelkönige, Pirole, Trauerschnäpper und Flussregenpfeifer, die in diesem Teil des Schutzgebietes Nördliches Erdinger Moos leben, erheblich zu kämpfen haben werden. In dem Beschluss heißt es weiter: "Bei Planung und Ausführung des Vorhabens müssen alle zumutbaren Anstrengungen unternommen werden, um Beeinträchtigungen von Natur und Landschaftsbild möglichst gering zu halten".

Warum hat der Ort Attaching eine Sonderrolle inne?

Der Ort Attaching liegt etwa auf halber Strecke zwischen dem Flughafen und Freising. Die Bewohner werden erhöhtem Lärm ausgesetzt sein sowie starken Luftverwirbelungen und Licht. Deswegen bietet der Freistaat ihnen Entschädigungen an. In Attaching-Süd können Wohnungseigentümer ihre Grundstücke und Wohnungen zum Verkehrswert veräußern. Die weiteren Bewohner bekommen finanzielle Mittel, um Schallschutzbaumaßnahmen zu errichten.

Wie sind die ersten Reaktionen vor Ort auf die Baugenehmigung für die dritte Startbahn?

Dieter Thalhammer (SPD) ist Oberbürgermeister in Freising. Seine erste Reaktion: "Der Bescheid war ein Schock. Ich habe bis zuletzt auf einen Sieg der Vernunft gehofft." Das sei alles eine "sehr dubiose Geschichte", weil die gleiche Regierung von Oberbayern Luftreinhaltepläne für die Stadt München vorantreibe und die Umlandgemeinden um Mithilfe bitte. "Aber uns setzen sie mit der dritten Startbahn einen Emittenten vor die Nase, der kaum zu übertreffen ist. Da sehe ich die Neutralität und die Fürsorgepflicht für die Bürger verletzt." Auch Thalhammer hält eine Klage nicht für ausgeschlossen.

Franz Spitzenberger von der Bürgerinitiative Attaching ist enttäuscht: "Wir sind sehr frustriert, die Stimmung ist gedrückt, aber der Kampf geht jetzt erst richtig los. Hier geht es um Leib und Leben, das ist kein Vergleich mit Stuttgart 21, da geht es nur um ein paar Bäume."

Welchen Einfluss hat die Finanzkrise auf den Ausbau?

Gibt es ein Nachtflugverbot?

Ja, mit Ausnahme von Notsituationen und dem Ausfall einer der bestehenden Bahnen wird auf der dritten Startbahn zwischen 22 und 6 Uhr kein Flugzeug starten oder landen.

Welchen Einfluss hat die Wirtschafts- und Finanzkrise auf den Ausbau?

Aufgrund des Ausbruchs der Wirtschafts- und Finanzkrise im Herbst 2008 hat sich der Planfeststellungsbeschluss verzögert. Einige Prognosen mussten neu berechnet werden. So gehen die Prüfer nun nicht mehr von etwa 607.000 Flugbewegungen im Jahr 2020 aus, sondern nur noch von 536.000 Flugbewegungen.

Was kostet die dritte Startbahn?

Die Kosten für die dritte Startbahn schätzt der Münchner Flughafen auf etwa eine Milliarde Euro. Bei der Vorstellung der Verkehrszahlen für das erste Halbjahr 2011 kündigte Flughafen-Chef Michael Kerkloh an, dass das Unternehmen die Bausumme selbst tragen werde. "Das Geld haben wir", sagte er damals und erläuterte, aus welchen Posten sich die Summe zusammensetzt. Dabei geht Kerkloh davon aus, dass nur etwa die Hälfte der Investitionssumme für den Bau aufgewendet werden wird. Die restlichen 500 Millionen Euro müssten für die Erschließung von Flächen sowie Lärmschutz und andere Ausgleichsmaßnahmen investiert werden.

Die Gegner kritisieren, dass bislang noch kein Finanzierungsplan öffentlich bekanntgemacht oder gar diskutiert wurde. Der Bund Naturschutz befürchtet, dass möglicherweise Steuergelder für den Bau eingesetzt werden. Deswegen hat er einen Brief an Münchens Oberbürgermeister Christian Ude geschrieben. Mehrere Millionen Euro hat allein das Erstellen des Planfeststellungsbeschlusses gekostet, heißt es in dem Planfestellungsbeschluss der Regierung.

Wird sich die Verkehrsanbindung zum Flughafen verbessern?

Eine schnellere Verbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen Innenstadt und Flughafen ist in dem Beschluss nicht vorgesehen. Allerdings heißt es unkonkret: "Es gibt mehrere Planungen zur Verbesserung der öffentlichen Anbindung." Einen Bedarf für eine bessere Anbindung für Autofahrer sieht die Regierung von Oberbayern nicht zwingend, allerdings seien ohnehin einige Projekte bei der Infrastruktur geplant. Zwar wird mit einem erhöhten Autoverkehrsaufkommen gerechnet, allerdings würde durch den Ausbau vor allem die Zahl der Umsteigepassagiere ansteigen - und somit Münchens Straßen nicht stark betroffen sein.

Seit wann gibt es Ausbaupläne für den Münchner Flughafen?

Der Plan für eine dritte Startbahn ist alt: Sie war bereits im Planfeststellungsverfahren für den Flughafen im Jahr 1981 enthalten, dann aber angesichts der Proteste fallengelassen worden. Doch die Betreiber des Flughafens hatten nie Zweifel daran gelassen, dass sie die Startbahn brauchen würden, wenn der Flugverkehr weiter wächst.

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