Aus für die Fraunhofer Schoppenstube:"Die reißen mir mein Herz heraus"

Seit 39 Jahren wird in der Fraunhofer Schoppenstube von Wirtin Gerti bis zum frühen Morgen gelacht, geschunkelt und gesungen. Nun hat ihr der Vermieter gekündigt. Die Bestürzung unter den Fans der legendären Kneipe ist groß.

Beate Wild

Für Münchens Kneipengänger ist es eine traurige Nachricht: Die Fraunhofer Schoppenstube muss schließen. Der Vermieter will dem Lokal im Glockenbachviertel zum Ende des Jahres kündigen.

LOKALE GROESSEN / Kneipen-Report - Frauenhofer Schoppenstube

Voll besetzte Tische, singende Gäste, ausgelassene Stimmung: Seit 39 Jahren gibt Wirtin Gerti Guhl in der Fraunhofer Schoppenstube den Ton vor. Nun hat ihr der Vermieter gekündigt. Ende des Jahres soll Schluss sein.

(Foto: Johannes Simon)

"Er hat mich am Ostermontagnachmittag angerufen und mir eröffnet, dass er mir jetzt die Kündigung schickt", sagt Gerti Guhl, die Wirtin der legendären Kneipe. "Die reißen mir mein Herz heraus." Die Mutlosigkeit ist ihr anzuhören. Ihre sonst so resolute Stimme zittert.

Seit 39 Jahren ist sie Chefin der inzwischen weit über die Grenzen Münchens hinaus bekannten Boazn, über die derzeit sogar ein Film im Kino läuft. Und nun soll plötzlich alles aus sein. "Der Vermieter hat mir gesagt, er wolle aus dem Gebäude endlich ein ruhiges Haus machen", sagt die Wirtin, die alle nur Gerti nennen, "Büros sollen da rein, das muss man sich mal vorstellen!" Dabei habe sie in all den Jahren noch nie eine einzige Anzeige wegen Ruhestörung bekommen. Noch nie habe sie Ärger mit der Polizei gehabt, beteuert sie. "Da habe ich schon selber immer aufgepasst, dass niemand Krawall macht."

Deshalb ist es für die 64-jährige Wirtin umso unverständlicher, dass man sie plötzlich aus dem Haus haben will. Das Verhältnis mit den beiden Vermieter-Brüdern sei jahrelang immer gut gewesen. Bis diese dann vor fünf Jahren einige Monate nach dem Tod ihres Mannes Werner erstmals mit der Kündigung gedroht hätten. An Weihnachten im vergangenen Jahr wurde es konkreter. "Einer der beiden Vermieter kam bei mir in der Wirtschaft vorbei und hat gesagt, er müsse mit mir reden." Man denke über eine Kündigung nach. Da war Gerti schon vorgewarnt, doch richtig glauben wollte sie es noch nicht: "Erst seit dem Anruf am Ostermontag ist es sicher."

Das Ende der Fraunhofer Schoppenstube wäre ein herber Verlust, nicht nur für das Glockenbachviertel, sondern für ganz München. Schon seit 1904 existiert in den Räumen der Schoppenstube eine Kneipe. 1973 übernahmen Gerti und ihr Mann Werner das Lokal - und erschufen über die Jahre hinweg eine Münchner Rarität. Wenn andere Kneipen schon geschlossen haben, geht es im Schoppenstüberl erst richtig los.

Werner spielte früher die ganze Nacht Akkordeon und sang zusammen mit den Gästen Gassenhauer wie "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins". Bis heute ist die Stimmung dort überschwänglich. Seit dem Tod Werners kommt die Musik zwar meistens vom Band, doch auch heute noch grölen die Nachteulen unter Gertis Regie jedesmal voller Begeisterung mit. Dazu gibt es Bier, Wein, Schnaps und Fleischpflanzerl fürs leibliche Wohl. "Bei mir schauen alle vorbei: Krankenschwestern nach dem Spätdienst, Musiker und Schauspieler vom Gärtnerplatztheater, Kellner und MVV-Fahrer, alteingesessene Münchner und Touristen - und sogar Konditoren vor der Frühschicht", sagt Gerti. Eben ein Treffpunkt für alle.

"Die Münchner brauchen doch eine Heimat, vor allem die Singles und verlorenen Seelen", ruft sie, jetzt schon mit viel kämpferischerer Stimme. Spätestens seit die New York Times vor vier Jahren eine Lobeshymne auf die Schoppenstube anstimmte, ist das Lokal eine Legende. Seit zwei Wochen läuft eine Dokumentation über das nächtliche Kleinod im Arena Filmtheater. Titel: "Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da". Ein Film nicht nur für Stammgäste.

Und so ist es kein Wunder, dass die Nachricht vom bevorstehenden Ende der Kneipe Bestürzung auslöste. Fans der Schoppenstube schrieben auf Facebook "Auf die Barrikaden Leute!", "San die narrisch?", "Die Schoppenstube muss bestehen bleiben!" oder "Lasst uns ne Demo machen!" Mit einer solchen Resonanz habe sie nicht gerechnet, sagt die Wirtin. "Die vielen tollen Reaktionen haben mich total gerührt."

Doch von einer Demo will sie vorerst nichts wissen. Erst stehe noch ein Gespräch mit dem Vermieter an. "Bis ich die Kündigung schriftlich habe, will ich noch abwarten." Das Einzige, was sie gerade händeringend suche, sei ein guter Anwalt.

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