Ellis Kaut wird 90:Hurra, hurra

"Granulation" wünscht auch der Pumuckl. Die Erfinderin des kleinen Kobolds, Ellis Kaut wird 90 Jahre alt. Ihre Wohnung ist voll mit Werken, die sie geschaffen hat. Und auch Pumuckl taucht plötzlich auf.

Judith Liere

Er ist sofort da, taucht im ersten Satz nach der Begrüßung auf, macht sich sichtbar. Auf die Entschuldigung, dass man zu spät zum Treffen erschienen ist, weil der Autoschlüssel verschwunden war und sich nach langer Suche erst im Schuhregal wiederfand, sagt Ellis Kaut: "Das war natürlich der Pumuckl, das sollten Sie doch wissen!"

Kinderdienst: Pumuckl-Erfinderin Ellis Kaut wird 90

Man darf ihr, wie es Pumuckl ausdrücken würde, granulieren: Die in Obermenzing lebende Autorin, Malerin und Bildhauerin Ellis Kaut feiert ihren 90. Geburtstag.

(Foto: dapd)

Ihre Wohnung in Obermenzing ist voll mit Werken, die sie geschaffen hat. An den Wänden hängen Ölgemälde, meist Blumen oder Landschaften. Im Regal reihen sich Hunderte Schachteln mit Dias. Auf dem Sideboard stehen Vasen und Skulpturen, die sie modelliert hat. Und dazwischen: Pumuckls.

Eine Plüschfigur in der Ecke, eine andere, von ihr aus Ton geformt, thront auf dem Sofakissen, Plastikfiguren reihen sich auf der Kommode. Und auch: Bücher vom Kater Musch, vom Flibutz, von Flaps, dem Fehlerflips, und vom klugen Esel Theobald. Ein Schlupp sitzt im Regal - der Roboter mit Seele und mit Fäden an Armen und Beinen, mit denen er in der Augsburger Puppenkiste zum Leben erweckt wurde.

Ellis Kaut, die diesen Mittwoch neunzig wird, hat vieles geschaffen - und doch ist sie vor allem eins: die Pumuckl-Mutter. Sie hat sich daran gewöhnt; und stolz ist sie natürlich auch nicht zu knapp. Der Kobold hat nicht nur seit seinem ersten Auftritt 1962 im Kinderprogramm des Bayerischen Rundfunks bis heute mehrere Generationen von Kindern erzogen und unterhalten, sondern auch Ellis Kaut weltberühmt gemacht.

Aus Lieserl wird Ellis

Und berühmt werden, das wollte sie seit ihrer Kindheit. Erst hat sie Eltern und Verwandte mit ständigen, meist ungefragten Gesangsvorführungen bedacht, dann wollte sie Klaviervirtuosin werden, "Heilige" stand auch einmal auf der Liste ihrer Berufswünsche, 1938 war sie das erste offizielle "Münchner Kindl", sie nahm Schauspielunterricht, schrieb Geschichten, studierte Bildhauerei an der Münchner Akademie, legte das "Lieserl", zu dem ihr Vorname Elisabeth in ihrer Kindheit gemacht wurde, ab und nannte sich schließlich Ellis, weil das eleganter klang. Im Kern ging es bei all ihren kreativen Leistungen immer um eines: Aufmerksamkeit und Anerkennung.

Für den Pumuckl hat sie beides bekommen. "Wenn die Leute über ihn reden, bekommen sie so ein Strahlen. Das macht mich froh", sagt sie. Alle fragen sie immer nur nach dem Pumuckl, also redet sie über den Pumuckl. Ein paar Tage vor ihrem runden Geburtstag sitzt die kleine lebhafte Dame mit der rötlichen Kurzhaarfrisur in ihrer Wohnung und erzählt. Sie hat diese Geschichten schon sehr oft erzählt, aber es scheint ihr nichts auszumachen.

Sie erzählt, wie der Name Pumuckl entstand (bei einer Schneeballschlacht nannte ihr Mann sie mal so), erzählt, wie die Reaktionen von empörten Müttern unglücklicher Kinder nach der allerletzten Folge waren (sie wurde als "Pumuckl-Mörderin" beschimpft), zeigt das Regal, das ihr der Münchner Schreiner gezimmert hat, der das reale Vorbild für den Meister Eder war.

Pumuckl vor Gericht

Der Pumuckl ist an Ellis Kaut kleben geblieben wie an Meister Eders Leimtopf, ist in ihr Leben gehüpft und auf ewig geblieben. Sie hat sich mit ihm arrangieren, in Kauf nehmen müssen, dass er alles andere verdrängte und keinen Platz für andere Figuren zuließ, die nie so erfolgreich wurden wie er. "Das macht er ohne mich, der Herr Pumuckl", sagt sie mehrmals. Und: "Wir haben uns vertragen."

Ellis Kaut  | Ellis Kaut

Der Pumuckl ist an Ellis Kaut kleben geblieben wie an Meister Eders Leimtopf.

(Foto: Regina Schmeken)

Vielleicht reagiert Ellis Kaut deshalb so allergisch, wenn jemand anders Rechte an dem Kobold anmeldet oder glaubt, ihn besser zu verstehen. Weil der Wicht sowieso schon ein Eigenleben in ihrer Welt führt, auf das sie wenig Einfluss hat, und sie deshalb nicht will, dass sich da noch jemand einmischt. Es gab einen jahrelangen Urheberrechtsstreit zwischen ihr und der Pumuckl-Zeichnerin Barbara von Johnson, zuletzt darum, ob der Kobold eine Freundin haben darf. Für Ellis Kaut undenkbar, doch das Gericht gab von Johnson Recht. Kaut redet nicht gerne darüber, sagt bitter: "Ohne Anwalt kann man heute nicht mehr durchs Leben gehen."

Neue Ideen für den Pumuckl hat Ellis Kaut trotz seiner ständigen Präsenz nicht. Überhaupt habe sie das Schreiben nie gemocht, es sei immer eine Qual für sie gewesen. Besonders an den Gedichten des Kobolds ("Was sich reimt, ist gut") habe sie meist länger gesessen als an der ganzen restlichen Szene. Viel lieber schaffe sie Gegenständliches, Gemälde, Skulpturen. Das will sie in den nächsten Jahren auch wieder mehr tun.

Auf die wunderbaren Sprachspielereien des Kobolds, der sich zu seinem Geburtstag übrigens Pokoladenschuddeling wünscht und fordert, dass man ihm granulieren solle, muss Ellis Kauts Publikum also endgültig verzichten. Den Pumuckl, den behält sie nun für sich.

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