München:Demonstranten versperren Pegida den Weg

Lesezeit: 3 min

Gegendemonstranten vor einer Polizeiabsperrung an der Münchner Freiheit. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Am frühen Nachmittag hat das Verwaltungsgericht das Verbot einer Pegida-Demo an der Münchner Freiheit am symbolträchtigen 9. November aufgehoben.
  • Knapp 3000 Münchner haben am Abend gegen das fremdenfeindliche Bündnis demonstriert.
  • Im Anschluss zogen die Menschen weiter Richtung Münchner Freiheit - um die Kundgebung der etwa 100 Pegida-Anhänger zu blockieren.

Von Thomas Anlauf und Martin Bernstein, München

100 Pegida-Anhänger gegen 1500 Gegendemonstranten: Bei einer Kundgebung in München ist das islamfeindliche Bündnis am Montagabend, dem 77. Jahrestag der Pogromnacht, an seinem "Spaziergang" gehindert worden.

Nach einer Anti-Pegida-Demonstration am Odeonsplatz mit etwa 3000 Teilnehmern zogen viele der Gegendemonstranten weiter Richtung Münchner Freiheit, wo für 19 Uhr eine Kundgebung des Bündnisses geplant war. Am Siegestor wurde der Zug der Gegendemonstranten erstmals von der Polizei gestoppt, mit Absperrgittern und Blockaden versuchten die Beamten, die Menschen vom Weiterlaufen abzuhalten - das funktionierte nur für kurze Zeit. An der Münchner Freiheit angelangt, versuchten Gegendemonstranten und Antifa-Leute, die Kundgebung der etwa 100 Pegida-Teilnehmer zu stören - was ihnen zumindest teilweise gelang.

Pegida-Demo
:"Eine unglaublich perverse Form von Provokationen"

Die Stadt wollte die Pegida-Demo verbieten, die Gerichte hielten die Versammlung für zulässig: 100 Pegida-Anhänger sind am Montagabend aufmarschiert - und 3000 Münchner protestierten dagegen.

Zwischenzeitlich überlegten die Anhänger des islamfeindlichen Bündnisses, ihren "Spaziergang", wie sie ihre wöchentliche Kundgebung nennen, abzubrechen, weil ihre vergleichsweise überschaubare Gruppe von Gegendemonstranten und Einsatzkräften der Polizei eingekesselt war.

Als der Pegida-Vorsitzende Heinz Meyer deswegen den Spaziergang zum Siegestor absagte, kam es zu Tumulten. Pegida-Aktivisten stürmten an die Absperrung und wurden von der Polizei zurückgedrängt. Die Gegendemonstranten feierten das mit der "Ode an die Freude". Laut Angaben der Polizei, die mit etwa 400 Beamten im Einsatz war, befanden sich unter den Teilnehmern etwa zehn Neonazis und Rechtsextreme.

Oberbürgermeister Reiter rechnet mit Pegida ab

Zuvor hatte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bei der Gegen-Kundgebung auf dem Odeonsplatz scharf mit Pegida abgerechnet. Deren Strategie, sich bewusst an sensiblen Orten wie Feldherrnhalle oder Königsplatz zu versammeln, sei "eine unglaublich perverse Form von Provokation" im öffentlichen Raum. "Wir werden in München heute und immer wieder alle aufstehen und uns den Hasspredigern, den Ewiggestrigen und den menschenverachtenden Scharfmachern mit aller Macht entgegenstellen", sagte Reiter unter Applaus. "Damit sie ein für allemal verstehen, dass sie hier mit ihren rassistischen, rechtsextremistischen und antisemitischen Parolen und Anfeindungen keinen Fuß auf den Boden bekommen, geschweige denn jemals wieder salonfähig werden."

Zu der Kundgebung hatte das Bündnis "München ist bunt" aufgerufen. "Wir lassen nicht zu, dass am Odeonsplatz - dem Platz, an dem am 9. November 1938 eine Entwicklung ihren Anfang nahm, die im Holocaust mündete - Neonazis und Rassisten ungehindert ihre Parolen verbreiten können", sagte die Vereinsvorsitzende Micky Wenngatz. Jeder, der hier mitlaufe, unterstütze diese Neonazis und Rassisten.

Der Münchner Philosoph Julian Nida-Rümelin forderte eine "Leitkultur der Humanität". "Diese Stadt", so Nida-Rümelin, "ist in den letzten Jahren zu einer der weltoffensten, tolerantesten, solidarischsten der Welt geworden." Zum Abschluss der Veranstaltung am Odeonsplatz sangen Hunderte Menschen gemeinsam das Moorsoldatenlied von Häftlingen des Konzentrationslagers Börgermoor bei Papenburg.

Stadt befürchtete Hetze von Pegida

Pegida hatte erst am Nachmittag doch noch die Erlaubnis erhalten, dort zu demonstrieren, nach dem die Stadt versucht hatte, die Demonstration zu verbieten. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte am Abend die entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom Vormittag. Die Entscheidung ist eine Niederlage für das Kreisverwaltungsreferat, (KVR), das die Veranstaltung verhindern und sie auf diesen Dienstag verlegen wollte. Die Behörde befürchtete "hetzerische Thesen und antisemitische Provokationen". Auch die Regierung von Oberbayern hatte sich am Freitag der Einschätzung der Stadt angeschlossen.

KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle sagte, das Hauptziel sei erreicht worden - Pegida dürfe am Gedenktag der Pogromnacht nicht vor der Feldherrnhalle demonstrieren. Das Verwaltungsgericht habe trotz seiner anderslautenden Entscheidung gezeigt, dass es die juristischen Argumente der Stadt ernst genommen habe. Die Gerichtsentscheidung, den Pegida-Marsch von der Münchner Freiheit zum Siegestor und wieder zurück zuzulassen, "überrascht nicht sonderlich".

Ermittlungen gegen den Pegida-Vorsitzenden

Bevor das Gericht den Pegida-Protest zugelassen hatte, prüfte es nach eigenen Angaben umfangreiches Filmmaterial über die Versammlungen der vergangenen Wochen, die Gefahrenprognose der Polizei sowie eine Mitteilung des Verfassungsschutzes, der seit Ende Oktober die Beobachtung von Pegida München aufgenommen hat. Außerdem ermitteln Generalbundesanwalt und Landeskriminalamt seit drei Jahren gegen den Pegida-Vorsitzenden Heinz Meyer wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung.

Für Beatrix Zurek, stellvertretende SPD-Fraktionschefin im Stadtrat, ist es "unerklärlich, warum das Gericht erneut so entschieden hat". Der Pegida-Protest sei "beschämend und macht wütend".

© SZ vom 10.11.2015/infu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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