9. November:2500 Münchner demonstrieren gegen Pegida

  • Am frühen Nachmittag hat das Verwaltungsgericht das Verbot einer Pegida-Demo an der Müchner Freiheit am symbolträchtigen 9. November aufgehoben.
  • Das islamfeindliche Bündnis hatte sich mit Rechtsmitteln gegen das Demonstrationsverbot der Stadt München gewehrt.
  • Vor der Feldherrnhalle am Odeonsplatz versammelten sich abends gut 2500 Münchner, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu setzen.

Von Thomas Anlauf und Martin Bernstein

Am 77. Jahrestag der Pogromnacht haben am Montag viele Münchner des 9. November 1938 gedacht, als in ganz Deutschland Synagogen, jüdische Einrichtungen und Geschäfte durch Nationalsozialisten angezündet wurden und die Verfolgung und Ermordung jüdischer Mitbürger ihren ersten grausamen Höhepunkt fand.

Vor der Feldherrnhalle am Odeonsplatz versammelten sich abends knapp 3000 Münchner, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu setzen. Vor der Rednerbühne hielten Demonstranten ein riesiges Transparent hoch, auf dem Hunderte farbige Handabdrücke zu sehen waren. Darüber stand: "Geflüchteten die Hände reichen".

Auf dem Odeonsplatz rechnete Oberbürgermeister Dieter Reiter scharf mit Pegida ab. Deren Strategie, sich bewusst an sensiblen Orten wie Feldherrnhalle oder Königsplatz zu versammeln, sei "eine unglaublich perverse Form von Provokationen" im öffentlichen Raum. "Wir werden in München heute und immer wieder alle aufstehen und uns den Hasspredigern, den Ewiggestrigen und den menschenverachtenden Scharfmachern mit aller Macht entgegenstellen", sagte Reiter unter Applaus. "Damit sie ein für allemal verstehen, dass sie hier mit ihren rassistischen, rechtsextremistischen und antisemitischen Parolen und Anfeindungen keinen Fuß auf den Boden bekommen, geschweige denn jemals wieder salonfähig werden."

Zu der Kundgebung hatte das Bündnis "München ist bunt" aufgerufen. Die Teilnehmer von Pegida-Veranstaltungen "machen sich mit Nazis gemein und bereiten ihnen den Boden", sagte Vereinsvorsitzende Micky Wenngatz. Auch der Münchner Philosoph Julian Nida-Rümelin war unter den Rednern und forderte eine "Leitkultur der Humanität". "Diese Stadt", so Nida-Rümelin, "ist in den letzten Jahren zu einer der weltoffensten, tolerantesten, solidarischsten der Welt geworden." Zum Abschluss der Veranstaltung sangen Hunderte Menschen das Moorsoldatenlied, geschaffen von Häftlingen des KZ Börgermoor bei Papenburg.

Pegida hatte am Montag doch noch die Erlaubnis erhalten, an der Münchner Freiheit zu demonstrieren. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte am Abend eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom Vormittag. Zur Begründung hieß es, die öffentliche Präsenz einer bestimmten Gruppierung am 9. November verleihe für sich genommen ihrer Versammlung "noch keine eindeutige Stoßrichtung gegen das Gedenken, dem dieser Tag gewidmet ist". Die Entscheidung ist eine Niederlage für das Kreisverwaltungsreferat, (KVR), das die Veranstaltung verhindern und sie auf diesen Dienstag verlegen wollte. Die Behörde befürchtete "hetzerische Thesen und antisemitische Provokationen". Auch die Regierung von Oberbayern hatte sich am Freitag der Einschätzung der Stadt angeschlossen.

KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle sagte am Montag, das Hauptziel sei erreicht worden - Pegida dürfe am Gedenktag der Pogromnacht nicht vor der Feldherrnhalle demonstrieren. Das Verwaltungsgericht habe trotz seiner anderslautenden Entscheidung gezeigt, dass es die juristischen Argumente der Stadt ernst genommen habe. Die Gerichtsentscheidung, den Pegida-Marsch von der Münchner Freiheit zum Siegestor und wieder zurück zuzulassen "überrascht nicht sonderlich".

Die Pegida-Veranstaltung unter dem Titel "Fall der Mauer am 9.11. - Mit friedlichen Spaziergängen die Politik gestalten, damals wie heute" begann gegen 19 Uhr mit knapp 100 Teilnehmern. Laut Angaben der Polizei, die mit rund 400 Beamten im Einsatz war, befanden sich unter den Teilnehmern etwa zehn Neonazis und Rechtsextreme.

Doch bevor Pegida überhaupt losgehen konnte, blockierten Hunderte Gegendemonstranten die Leopoldstraße. Als der Pegida-Vorsitzende Heinz Meyer deswegen den Spaziergang zum Siegestor absagte, kam es zu Tumulten. Pegida-Aktivisten stürmten an die Absperrung und wurden von der Polizei zurückgedrängt. Die Gegendemonstranten feierten das mit der "Ode an die Freude". Bevor das Gericht den Pegida-Protest zugelassen hatte, prüfte es nach eigenen Angaben umfangreiches Filmmaterial über die Versammlungen der vergangenen Wochen, die Gefahrenprognose der Polizei sowie eine Mitteilung des Verfassungsschutzes, der seit Ende Oktober die Beobachtung von Pegida München aufgenommen hat. Außerdem ermitteln Generalbundesanwalt und Landeskriminalamt seit drei Jahren gegen den Pegida-Vorsitzenden Heinz Meyer wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung.

Für Beatrix Zurek, stellvertretende SPD-Fraktionschefin im Stadtrat, ist es "unerklärlich, warum das Gericht erneut so entschieden hat". Der Pegida-Protest sei "beschämend und macht wütend".

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