50. Münchner Sicherheitskonferenz:Vom Privat-Treffen zum Riesenzirkus

Ein Polizeihund bei der Arbeit bei der Münchner Sicherheitskonferenz.

Hochsicherheitskonferenz: Ein Polizeihund bei der Arbeit vor dem Bayrischen Hof.

(Foto: dpa)

Zur ersten "Internationalen Wehrkunde-Begegnung" Ende 1963 trafen sich Helmut Schmidt und Henry Kissinger noch in der Handwerkskammer - inzwischen hat sich die Münchner Sicherheitskonferenz zu einer gewaltigen Großveranstaltung gewandelt. Der Erfolg des Treffens hat auch mit dem Fasching zu tun.

Von Stefan Kornelius

Mit Mathematik hat Sicherheitspolitik erst mal wenig zu tun. Deswegen kann am Freitag bedenkenlos die 50. Wiederauflage der Münchner Sicherheitskonferenz gefeiert werden, obwohl die Rechnung nicht ganz aufgeht. Eigentlich gab es bisher nur 49 Konferenzen in den 51 Jahren seit der Gründung. Die schiefe Arithmetik lässt sich auflösen: Tatsächlich haben sich die Außen- und Sicherheitspolitiker 49 Mal physisch getroffen, eine Konferenz wurde kurz nach Ausbruch des Golfkrieges 1991 aus Sicherheitsgründen abgesagt. Weil das Treffen aber bis auf die letzte Minute verplant und die Einladungen verschickt waren, wird es gezählt.

Die Verschiebung der Kalenderjahre lässt sich ebenfalls erklären: Einmal fiel die Konferenz aus, weil ihr Gründer Ewald-Heinrich von Kleist seinen Rückzug angekündigt hatte und kein Nachfolger parat stand. Und ganz zu Beginn wurde der Termin von Herbst auf Februar vorverlegt.

Damenbegleitung? Unerwünscht

Der Beginn - das war Ende November 1963, Helmut Schmidt und Henry Kissinger saßen als relativ junge Männer am Tisch zusammen, der Kreis war auf etwa 60 Teilnehmer beschränkt. Die Kuba-Krise war gerade vorüber, und niemand konnte sicher sein, welche Schrecklichkeiten der Kalte Krieg noch bringen würde.

Der Münchner Verleger Ewald-Heinrich von Kleist, ein Heroe der militärischen Widerstandsbewegung gegen Hitler und ein absolut unabhängiger Geist, wollte dieses Forum schaffen, um Sicherheitspolitiker aus Deutschland mit den Strategen aus den USA an einen Tisch zu bringen. Deutschland war noch der Paria in der Allianz des Westens. Konnte man denen trauen? Verschwiegen sollte es deswegen zugehen, intern aber absolut offen, ehrlich.

Damenbegleitung war ausdrücklich nicht erwünscht, und Frauen gab es damals sowieso keine in dieser Branche der internationalen Politik. Also trafen sich die Männer im düsteren Saal der Handwerkskammer zu den Gesprächen. Logiert wurde im Hotel Regina, das nebenan am Maximiliansplatz gelegen war, ganz in der Nähe des heutigen Tagungsorts, dem Bayerischen Hof.

Helmut Kohl und Ewald-Heinrich von Kleist auf der Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik, 1996.

Bundeskanzler Helmut Kohl und Ewald-Heinrich von Kleist auf der Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik, 1996.

(Foto: Frank Augstein/AP)

Von Kleist nannte sein Treffen "Internationale Wehrkunde-Begegnung", ein Name, der heute altbacken und militaristisch klingt. In den Ohren des Humanisten und Preußen von Kleist möglicherweise gar nicht: Er kannte den Krieg und überlebte das nationalsozialistische Regime nur durch Glück. Von Kleist wollte zeitlebens ausschließen, dass sich solch ein Krieg wiederholen könnte. Und er wollte verhindern, dass Deutschland mit seinem Militär isoliert ist. Dazu musste er die Fachleute und Entscheider in der Sicherheitspolitik zusammenbringen.

München entpuppte sich als glückliche Wahl für die Treffen - vor allem in der Jahreszeit um den Fasching herum. Besonders die amerikanischen Gäste - der Teilnehmerkreis wurde erst ein paar Jahre später auf andere Nato-Nationen ausgeweitet - waren hellauf begeistert von der Libertinage, die sich im feierfreudigen Schwabing und auch schon in der Regina-Bar im Hotel bot. Kostümierte und spärlich begleitete Münchner und Münchnerinnen feierten mit den nadelbestreiften Konferenzlern - der Fasching war kein schlechtes Argument, für ein paar Tage nach München zu kommen.

Auch das Flair der Stadt, die Lage des Hotels Regina, später dann des Bayerischen Hofes mitten im Zentrum, erwiesen sich als hilfreich. Als die Konferenz 1991, nach dem Irak-Krieg, aus Sicherheitsgründen ins Hilton am Tucherpark verlegt wurde, hielt der Protest der Konferenzbesucher so lange an, bis die Karawane 1999 wieder in die Innenstadt zog.

"München ist der Oscar für die Freaks der Sicherheitspolitik"

Dort freilich stieß die Veranstaltung mit ihren aufwendigen Sicherheitsvorkehrungen auf den Unmut der Münchner, die einen Polit-Auflauf dieser Qualität misstrauisch beäugten. Selbst wenn ein enthusiastischer US-Teilnehmer vergangenes Jahr twitterte: "München ist der Oscar für die Freaks der Sicherheitspolitik" - die Münchner wussten es nicht immer zu schätzen, dass es auf der Welt keine vergleichbare Großveranstaltung der internationalen Politik gibt. Dieses Jahr kommen 20 Staats- oder Regierungschefs, 50 Außen- und Verteidigungsminister und Teilnehmer aus allen Winkeln der Welt.

Ein als Tod verkleideter Mann mit einer Drohne über dem Kopf und einem roten Steuerhebel in der Hand nimmt am 02.02.2013 an einer Demonstration gegen die 49. Münchner Sicherheitskonferenz in der Innen

Ein als Tod verkleideter Mann mit einer Drohne über dem Kopf und einem roten Steuerhebel in der Hand nimmt am 2. Februar 2013 an einer Demonstration gegen die 49. Münchner Sicherheitskonferenz in München teil.

(Foto: dpa)

Nach dem Kosovo-Krieg und mehr noch nach Beginn der Bush-Kriege im Gefolge der Anschläge am 11. September 2001 kochte auch der politische Protest gegen das Treffen hoch, das von Kleist nach dem Fall der Mauer in Münchner Sicherheitskonferenz umbenannt hatte (allerdings ohne die vor allem amerikanischen Gäste je von diesem Namen zu überzeugen). Auf den Straßen versammelten sich Tausende Demonstranten, die mit dem Verständnis von Sicherheitspolitik im Saal nichts anfangen konnten und einen radikalen Pazifismus verlangten.

Dieser Konflikt ist bis heute nicht ausgeräumt, die Gegner haben inzwischen ihre eigene Veranstaltung geschaffen, die Münchner Friedenskonferenz. Erstmals nehmen in diesem Jahr auch Beobachter der Friedenskonferenz am Treffen im Bayerischen Hof teil.

Die Stadt in Person des Oberbürgermeisters reagierte uneindeutig. Zwar hieß Christian Ude die internationalen Gäste stets willkommen und öffnete häufig auch das Rathaus. Gleichzeitig ließ er seine Sympathie für den Protest erkennen. So ist Ude vielleicht ganz symptomatisch für die Ambivalenz der Münchner gegenüber den prominenten Gästen und ihren schwierigen Stoffen: Nachrüstung, Doppelbeschluss, Abschreckung, Nuklearstrategie. Zuletzt entspannten sich die Fronten zusehends, vielleicht auch, weil die Konferenz vielfältiger geworden ist und transparenter.

Große Pläne, kleine Gesten - ohne Protokoll

Vor allem aber ist die Tagung gewachsen. Aus der privaten Runde ist ein gewaltiger Konferenzzirkus geworden, der von 800 Journalisten beobachtet wird und mehr als nur den Bayerischen Hof belegt. Gäste logieren inzwischen in vielen Hotels der Stadt, das Pressezentrum ist ausgelagert, Abendessen oder Nebenveranstaltungen finden in ganz München statt, auch vor und nach der eigentlichen Konferenz. Das Wachstum begann bereits unter Kleists Nachfolger, Horst Teltschik, der vor allem Osteuropäer, Russen und auch schon einige Asiaten an den Tisch holte.

Wolfgang Ischinger.

Wolfgang Ischinger bei der Vorstellung des Buches "Towards Mutual Security. Fifty Years of Munich Securiy Conference" im Januar 2014.

(Foto: dpa)

Der dritte Leiter der Konferenz, Wolfgang Ischinger, betreibt mit dem Treffen geradezu Markenpolitik. Unlängst hat gar ein Student seine Abschlussarbeit über das Markenphänomen MSC verfasst. Wer auf die Parallelveranstaltung der globalen Wirtschaftselite in Davos schaut, der weiß, welches Potenzial noch in München steckt.

Übers Jahr verteilt treffen sich heute schon verschiedene Zirkel mal zur Energiepolitik, mal zu den Problemen von Cyber-Sicherheit. Große Konzerne sind plötzlich mit ihren Vorstandsvorsitzenden vertreten und auch die Zivilgesellschaft - NGOs, Aktivisten, auch ein paar der Kritiker. Das macht die Konferenz zu einem Riesenbetrieb, den man am besten nutzen kann, wenn man den Terminkalender schon ein paar Wochen zuvor gefüllt hat.

Denn dies ist der andere Wert des Drei-Tage-Palavers: Politiker, hohe Beamte und selbst die professionellen Notengeber an der Seitenlinie bekommen angenehm verdichtet jeden Gesprächspartner serviert, den sie sich nur wünschen. Informell, ohne Protokoll, ohne Erklärungsnot, einfach so.

In den Mauern des Bayerischen Hofs gibt es zwar keinen Fasching mehr. Aber in den Suiten und Salons lassen sich diskret Kontakte zwischen verfeindeten Parteien anbahnen, große Entwürfe schmieden oder einfach nur kleine Gesten austauschen.

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