30. Münchner Filmfest:Glitzern im Multiplex

Statt zelebriertem Starkult und rauschenden Partys bietet das Filmfest München familiäre Stimmung und Beschaulichkeit - doch etwas mehr Glamour täte dem Festival gut. Die neue Frau an der Spitze hat bereits ein Versprechen abgegeben.

Philipp Crone und Christian Mayer

Man weiß noch nicht genau, wofür die Sonnenbrille steht, aber das neue Motiv für das Münchner Filmfest, das derzeit überall in der Stadt plakatiert ist, regt die Phantasie an. Ist die Sonnenbrille ein Symbol für die abgedunkelten Räume, in denen sich Besucher in den kommenden Tagen in fiktive Welten begeben können?

Steht sie für vom Blitzlicht geblendete Schauspieler auf dem roten Teppich? Für Ehrengäste wie Melanie Griffith, die in München den Cinemerit-Award erhält? Oder dient sie einfach nur der Tarnung für schwer verkaterte Filmgäste, die sich zu lange auf einer Premierenparty herumgetrieben haben?

Die Sonnenbrille löst jedenfalls die strengen, ganz grafisch gehaltenen Plakate ab. Sie steht auch für einen Aufbruch, der mit der neuen Filmfestchefin Diana Iljine beginnen könnte. Nach dem Gründervater Eberhard Hauff, der mit legendären Filmküssen als Plakatmotiv warb, und ihrem Vorgänger Andreas Ströhl ist sie die erste Frau an der Spitze.

Eine neue Kampagne und eine ordentliche Dosis Glamour können dem Münchner Filmfest, das in diesem Jahr zum 30. Mal stattfindet, nur gut tun. Schließlich haben es die Münchner zum Beispiel mit ihren Spielstätten nicht ganz so leicht. An diesem Freitag liegt der rote Teppich für den Eröffnungsfilm Starbuck im Mathäser aus, und leider hat das Multiplex-Gebäude am Stachus den Charme eines Einkaufszentrums.

Während in der Hauptstadt zur Berlinale das Festivalkino am Potsdamer Platz weiträumig abgesperrt ist und Tausende Fans sich hinter Gittern drängeln, ist die Filmfeststimmung an der Isar eher freundlich-zurückhaltend. Und beschaulich: Aufgedonnerte Filmdiven, anrauschende Limousinen, kreischende Fans - die sucht man hier vergebens.

Und trotzdem funktioniert das Festival selbst bei hochsommerlichen Temperaturen als Familientreffen der Branche, die sich bei den Veranstaltungen der großen Fernsehsender, bei der Bavaria-Party oder beim Empfang des Film-Fernseh-Fonds trifft. Schauspieler, Regisseure und Produzenten treten hier mit sommerlich lässiger Lockerheit auf und signalisieren: Ich bin da, ich bin im Geschäft, mit mir könnt ihr rechnen.

Es sind Parallelwelten, die während des Filmfests in München weitgehend ohne Überschneidungen existieren.

Fest der vielen Filme

Wenn sich die Branche zur Eröffnungsparty im Bayerischen Hof trifft, dann sieht das aus, als ob sich die abgeschottete Filmkaste vor dem Publikum schützt. Dabei ist es eher so, dass viele Münchner das Festival mehr als eine Ansammlung von sehenswerten neuen Filmen auf engstem Raum und in kurzer Zeit sehen denn als eine Versammlung der Darsteller, Regisseure, Produzenten und derer, die es werden wollen.

Das Filmfest in München ist auch ein Fest der vielen Filme, 186 sind es in diesem Jahr. Daran ergötzt sich die Parallelwelt der Filmverschlinger. Das sind Menschen, die ihre Woche nach den Startzeiten in den verschiedenen Kinos planen, die schon gespannt auf die Retrospektive von Regisseur Rainer Werner Fassbinder warten oder auf Der Bernd, eine Dokumentation über den im vergangenen Jahr gestorbenen Produzenten Bernd Eichinger.

Aber die Cineasten kämen nicht auf die Idee, im Anschluss an eine Matinee am Dienstagmorgen um neun Uhr im Gasteig zum ZDF-Empfang um elf Uhr im H'ugo's am Promenadeplatz zu gehen, damit ein bisschen von dem Glanz der Darsteller auf sie abfällt.

Drei Welten, parallel

Die Stadt vermittelt bisweilen den Eindruck, als ob sie für diese Zeit den Besuch der weltweiten Filmbranche erdulden würde. Es gibt aber kein kollektiv-euphorisches Gastgebergefühl, wie das bei großen Sportereignissen oft der Fall ist. Hier die Empfänge, dort die Cineasten, und drumherum jene, die oftmals gar nicht mitbekommen, was gerade in der Stadt vorgeht.

Drei Welten, parallel. Dabei wäre es gerade beim Münchner Filmfest im Vergleich zu anderen großen Festival-Kalibern wie Berlin oder Cannes leicht, die Welten zu vermischen. Denn das hiesige Filmfest ist in mancher Hinsicht fast barrierefrei. Karten gibt es ausreichend, die Empfänge sind nur selten hochgesicherte Exklusivveranstaltungen, sondern gerne schlicht: kurzer Teppich, keine Absperrung, frischer Prosecco.

Minu Barati-Fischer, Filmproduzentin und in Berlin lebende Frau des ehemaligen Außenministers Joschka Fischer, drückt es so aus: "Das Filmfest in München hat etwas sehr Familiäres. Und das Wetter ist natürlich meistens wunderbar, ganz anders als die Schneematsch-Berlinale im Februar. Da spielen dann alle ein bisschen Cannes." Und so etwas gefällt der 35-Jährigen, die sich gerne auf roten Teppichen ablichten lässt.

Dominik Graf ist in der Hinsicht das Gegenstück zu Barati-Fischer. Für ihn ist das Filmfest in seiner bisherigen Art wie geschaffen. Der eher scheue Regisseur ist kein Mann für glanzvolle Galas und ausladende Gesten. Er sagt meistens auch eher wenig. Zum Filmfest nur so viel: "Melanie Griffith zu ehren, ist eine sehr gute Wahl. Und ansonsten bin ich jetzt einfach mal gespannt, was Iljine, die neue Leiterin, auf die Beine stellt."

Vielleicht kann sie ja beide zufrieden stellen, Graf und Barati-Fischer, und damit wohl die meisten Bedürfnisse befriedigen - wenn sie dem Filmfest ein wenig mehr Glamour verleiht und gleichzeitig seinen familiären Charakter wahrt.

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