18-Jähriger überfährt Freund:"Er ist genug bestraft"

  • Als zwei 18-jährige Freunde gemeinsam mit dem Auto eine Spritztour unternehmen, kommt es zu einem tragischen Unfall.
  • Michael T. überfährt seinen Freund, Thomas M. erstickt unter dem Wagen.
  • Die Familie des Opfers hat T. bislang nicht verziehen. Aber in der Verhandlung vor Gericht einigen sich die Familien nun darauf, das Verfahren einzustellen.

Von Christian Rost

Seit drei Jahren kannten sich die Schüler Michael T. und Thomas M. (Namen geändert) aus Ottobrunn. "Ich muss immer an ihn denken, er war mehr als ein Freund", sagte T. am Dienstag unter Tränen. Er ist schuld am Tod von Thomas M. und trägt schwer daran. Die beiden 18-Jährigen hatten am 8. August 2014 eine Spritztour mit einem Auto unternommen. Weil das BMW Cabrio plötzlich seltsame Geräusche von sich gab, stoppten die Schüler den Wagen und sahen unter der Motorhaube nach, ob etwas kaputt ist. Als sich dann T. ans Steuer seines Autos setzte und kurz Gas gab, um den Motor hochzudrehen, machte der Wagen einen Satz nach vorne und überrollte Thomas M. Er erstickte unter dem Gewicht des Autos.

Am Dienstag musste sich sein Freund am Münchner Amtsgericht verantworten. Die Anklage hielt ihm fahrlässige Tötung vor. In sich zusammengesunken saß der junge Mann mit seinem Verteidiger Maximilian Matt auf der Bank vor dem Richtertisch, ihm gegenüber saßen die Eltern und die Schwester des Getöteten als Nebenkläger. Michael T. sah sie erstmals seit dem tragischen Unfall, sie wollten bislang keinen direkten Kontakt zu ihm. Die Eltern verlangen eine angemessene Strafe für den Tod ihres Sohnes. Doch was ist angemessen als Strafe bei einem tödlichen Unfall, bei dem der Verursacher genauso leidet wie die Hinterbliebenen des Opfers? "Ein Leben lang wird ihn das verfolgen", darauf wies auch Staatsanwältin Rebecca Hupke mit Blick auf den weinenden Angeklagten hin.

Regelrecht unter das Auto gezogen

Michael T. konnte sich nicht mehr erinnern, welches Pedal er gedrückt und weshalb der Wagen plötzlich nach vorne gesprungen ist. Vermutlich war der erste Gang schon eingelegt, als er den BMW startete. In der Fahrschule habe er gelernt, beim stehenden Fahrzeug den Gang drin zu lassen, sagte er. Als er dann während des Testlaufs den Fuß von der Kupplung nahm, dachte er offenbar nicht mehr daran.

Michael T. schrie sofort um Hilfe, rief die Feuerwehr und versuchte, den Wagen selbst anzuheben. Vergeblich. Selbst den Feuerwehrleuten gelang es zunächst nicht, einen Wagenheber anzusetzen oder das Opfer unter dem Fahrzeug herauszuziehen. Erst mithilfe eines starken Luftkissens konnte der BMW weit genug angehoben werden, dass der Notarzt zumindest einen Arm von Thomas M. greifen konnte. Sein Puls war nicht mehr zu fühlen. Möglicherweise drei, maximal fünf Minuten habe das Opfer noch gelebt, sagte eine Gutachterin vom Institut für Rechtsmedizin. Wäre die Bergung in dieser kurzen Zeit gelungen, hätte das Opfer möglicherweise überlebt, weil sonst keine inneren Organe geschädigt wurden. So aber drückte das Gewicht des Autos immer mehr auf die Lungen des Schülers und brachte die Atmung schließlich zum Stillstand.

Vermittler zwischen den Familien war eher eine "Kommunikationsbremse"

Michael T. durfte nicht zur Beerdigung seines Freundes. Erst am nächsten Tag konnte er mit einem Bekannten zum Grab. Der Bekannte hatte die Aufgabe übernommen, die Anteilnahme von T.s Familie an die von Thomas M. zu übermitteln. Der Mann, ein Arzt, sollte ihr auch "jegliche erdenkliche Hilfe" im Namen des Angeklagten anbieten. Tatsächlich nahm er seine Aufgabe aber nicht mit dem gebotenen Ernst wahr, wie sich vor Gericht zeigte. Die Richterin meinte, der Vermittler habe sich eher als "Kommunikationsbremse" erwiesen. Auch deshalb konnten die Eltern des Getöteten dem jungen Mann auf der Anklagebank bislang nicht verzeihen.

Als jedoch der Vater des Opfers vor Gericht gesehen hatte, wie sehr auch Michael T. leidet an seiner Schuld, sagte der Mann unter Tränen: "Er hat großen Mist gemacht, aber er ist genug bestraft." Die Prozessbeteiligten einigten sich darauf, das Verfahren einzustellen: Allerdings unter der Auflage, dass sich T. binnen eines halben Jahres zu einer Aussprache mit den Hinterbliebenen trifft. Er stimmte dem Vorschlag zu.

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