85. Geburtstag von Richard Süßmeier:Wirt mit Witz

85. Geburtstag von Richard Süßmeier: Immer noch hält Richard Süßmeier, verkleidet als Kellnerin Maria, auf einem Biertragl stehend die Fastenrede beim Starkbieranstich im Augustinerkeller.

Immer noch hält Richard Süßmeier, verkleidet als Kellnerin Maria, auf einem Biertragl stehend die Fastenrede beim Starkbieranstich im Augustinerkeller.

(Foto: Claus Schunk)
  • Richard Süßmeier feiert seinen 85. Geburtstag.
  • Süßmeier war unter anderem Wirt des Straubinger Hofs, der Gaststätte Großmarkthalle, des Spöckmeier und des Forsthauses Wörnbrunn.
  • Vor allem aber war er Wiesn-Wirt des Armbrustschützenzeltes und 14 Jahre lang Sprecher der Wiesnwirte.

Ein Porträt von Franz Kotteder

Ein Wirt muss rechnen können, keine Frage, er muss seine Zahlen im Blick haben. Das setzt man bei einem Wirt voraus, und erst recht bei einem Prachtexemplar dieses Berufsstandes wie Richard Süßmeier, der an diesem Samstag seinen 85. Geburtstag feiert. Süßmeier war unter anderem Wirt des Straubinger Hofs, der Gaststätte Großmarkthalle, des Spöckmeier und des Forsthauses Wörnbrunn, vor allem aber war er Wiesn-Wirt des Armbrustschützenzeltes und 14 Jahre lang Sprecher der Wiesnwirte. Als solcher hatte er es natürlich oft zu tun mit der Rechnerei und der Frage nach den Zahlen.

Von Süßmeiers Fähigkeiten, sogar völlig ohne Zahlen zu rechnen, profitieren die Wiesnwirte noch heute. So einfallsreich wie Süßmeier hat vor und nach ihm keiner mehr die alljährlichen Fragen nach den Einnahmen eines Wiesn-Wirtes (nicht) beantwortet wie er - und das, ohne je eine einzige Zahl zu nennen! Legendär und auch heute noch immer wieder zitiert ist seine Replik: "Was ein Wiesnwirt verdient? Oane links und oane rechts!" Die Prognose sei gestattet: Mit diesem Satz werden sich noch in hundert Jahren Wirtesprecher aus der Affäre ziehen.

Doch damit ließ es Süßmeier nicht bewenden. Lautete die Frage: "Was bleibt einem Wirt nach 14 Tagen Oktoberfest?", so antwortete er: "Nach 14 Tagen bleibt einem Wirt gar nichts. Weil aber das Oktoberfest zum Glück 16 Tage dauert, bleibt dann doch a bisserl was hängen." Nur unwesentlich konkreter wurde er einmal bei einer Talkshow in der Lach- und Schießgesellschaft: "Ein Wiesnwirt verdient mal ein bisserl mehr, mal ein bisserl weniger. Aber das gleicht sich wieder aus. Wenn er weniger verdient, macht ihm das mehr aus. Wenn er mehr verdient, macht ihm das weniger aus."

Schriebe man diesen Satz mit seiner zutiefst dadaistischen Logik Karl Valentin zu, kein Mensch würde da stutzig werden. Tatsächlich ist Richard Süßmeier in seinen besten Momenten ein valentinesker Denker reinsten Wassers. Auch wenn er von der Statur her das krasse Gegenteil des langen und hageren Valentin war und ist - mit manchen seiner Sätze ist er dem Münchner Genie aus der Au um ein Vielfaches näher als die meisten Träger des Karl-Valentin-Ordens mit all ihren angeblich preiswürdigen Aussagen zusammengenommen. Aber der Verleiher, die Faschingsgesellschaft Narrhalla, hält ja seit 1973 Leute wie Helmut Kohl, Heino, Edmund Stoiber und Vitali Klitschko für valentinesker. Süßmeier kommt in den Annalen noch nicht mal als Laudator vor. Ein Peter Gauweiler hingegen schon.

Süßmeier und Gauweiler verbindet eine entscheidende Begebenheit

Ach ja, der Gauweiler. Wenn man heute im Münchner Büro von Peter Gauweiler anruft, weil man ein paar Sätze von ihm hören will zum 85. Geburtstag von Richard Süßmeier, kann man lange warten. Man kann auch mehrmals anrufen, einen Rückruf gibt es nicht. Gauweiler hat ganz offenkundig keine Lust, sich noch einmal mit Richard Süßmeier abzugeben. Vielleicht ist ihm die ganze Sache aber auch ein bisschen peinlich im Nachhinein, wer weiß das schon so genau?

Dabei verbindet die beiden, Richard Süßmeier und Peter Gauweiler, eine ganz entscheidende Begebenheit, die den einen seine fast schon märchenhafte Karriere kostete und die Karriere des anderen erst so richtig in Schwung brachte. Gauweiler war damals, 1984, Kreisverwaltungsreferent in München und sehr um seinen Ruf als harter Hund und Scharfmacher bemüht, "law and order" (Recht und Ordnung) waren praktisch seine weiteren Vornamen. Und weil der CSU-Mann als oberster städtischer Vertreter der Ordnungsbehörde auch für das Oktoberfest zuständig war, hatte er es auch mit Richard Süßmeier zu tun, dem Sprecher der Wiesn-Wirte.

Für jede Gaudi zu haben

Süßmeier sagt heute, er habe Gauweiler damals wohl völlig falsch eingeschätzt. Das kann man so sagen - jedenfalls, was das Verständnis von Spaß angeht. Süßmeier war immer schon für jede Gaudi zu haben, Mitte der Fünfzigerjahre als Faschingsprinz, später dann bei den "Schnallenbällen" im Straubinger Hof am Viktualienmarkt, bei denen er sich als "Puffmutter Ricarda" kostümierte. Damals gab es noch jede Menge Prostituierte in der Altstadt, landläufig "Schnallen" oder bestenfalls "Flitscherl" genannt. Worüber Süßmeier blödelte, das schaffte Gauweiler einfach ab: In seine Amtszeit als Kreisverwaltungsreferent fiel die Ausweitung des Sperrbezirks auf beinahe die ganze Stadt.

Da trafen also zwei recht unterschiedliche Charaktere aufeinander, und während der Wirtesprecher seine Freude am Derblecken hatte, verstand der Ordnungspolitiker gar keinen Spaß. Gauweiler wollte mit der Hebung der Schankmoral auf der Wiesn punkten. Süßmeier machte sich darüber lustig, indem er sich als Gauweiler verkleidete und an seinen Schänken im Armbrustschützenzelt Plakate mit dem Konterfei des Kreisverwaltungsreferenten und der Aufschrift "Gauweiler is watching you" aufhängte. Vor versammelter Presse ließ er vorführen, wie seine Kellner aus einem ganzen Hendl drei halbe machten. Ein Scherz natürlich, die dritte Hälfte war zuvor in das ganze Hendl eingenäht worden.

Nach einer Razzia war das Zelt weg

Derlei Scherze schätzte Gauweiler nicht. Er schlug zurück, mit einer Anzeige wegen Schankbetrugs und einer Razzia. Was das schlechte Einschenken anging, hatte die Stadt keine Chance, sie verlor alle Prozesse gegen Süßmeier. Anders sah es mit dem Ergebnis der Razzia aus: 23 ausländische Aushilfen unter den gut 300 Beschäftigten im Armbrustschützenzelt hatten keine gültige Arbeitserlaubnis, das kostete Süßmeier die Konzession. Auch wenn er damals nicht der einzige auf der Wiesn gewesen sein dürfte, der Hilfskräfte ohne groß nachzufragen einstellte: Da half auch kein Anruf beim CSU-Vorsitzenden und Stammgast Franz Josef Strauß mehr, das Zelt war weg.

Süßmeier hat das eine ganze Weile lang nicht verwinden können. Der Entzug der Konzession, das war schon etwas mehr als eine links und eine rechts. Es traf ihn auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Aus dem Armbrustschützenzelt hatte er eines der großen Bierzelte gemacht, nachdem er es 1958 übernommen hatte. Anfangs war es ja nur eine ehemalige Baracke des Reichsarbeitsdienstes gewesen und eigentlich nur ein besseres Vereinsheim der Armbrustschützengilde auf dem Oktoberfest.

Ein Ausflug ins Hotelfach war nicht ganz zu glücklich

Süßmeier verstand aber immer schon, was seine Gäste wollten, und er gab es ihnen. Die meisten seiner Gaststätten florierten schnell, nur ein Ausflug ins Hotelfach war nicht ganz so glücklich. Alles in allem aber blieb dann doch "a bisserl was hängen". Süßmeier hat jedenfalls auch diesen Schicksalsschlag verkraftet, ebenso wie andere: den frühen Tod des Vaters kurz vor der Währungsreform und elf Jahre später den seiner beiden Brüder. Oder dann in den Neunzigerjahren die Trennung von seiner Frau Christa, die er gegen den Widerstand seines Schwiegervaters, des Bierbarons Pschorr, 1962 geheiratet hatte.

Heute ist Richard Süßmeier ein abgeklärter, älterer Herr im Ruhestand, der nach wie vor für eine spritzige Rede gut ist. Immer noch hält er, verkleidet als Kellnerin Maria, auf einem Biertragl stehend die Fastenrede beim Starkbieranstich im Augustinerkeller, und wenn seine Wirtskollegen einen witzigen Redner brauchen, ist er bis heute die erste Wahl. Er ist vielleicht etwas milder geworden mit den Jahren, aber allzu viel Respekt vor hohen Herrschaften oder den Insignien der Macht hat er nach wie vor nicht. Weil ihn so etwas nicht beeindruckt, haben ihn die Kollegen vom Hotel- und Gaststättenverband neulich mit einem goldenen Biertragl geehrt, "weil der Richard keine Orden mag", so der Münchner Kreisvorsitzende Conrad Mayer. Er habe eine "Blech-Allergie", soll Süßmeier das mal begründet haben. Weshalb es nicht einer gewissen Ironie entbehrt, dass die Wiesenwirte ihren diesjährigen Wiesnkrug ausgerechnet mit einem Zinndeckel schmücken, auf dem sein Konterfei abgebildet ist.

Womit er zu seinem 85. Geburtstag geehrt wird, das ist noch nicht heraus. Er feiert ihn am Sonntag, in einer seiner früheren Wirtschaften. "Leger wird's zugehen", sagt er, "es darf auch jeder reden, der mag." Ein Redner aber steht schon fest, das wird die rund 200 Gäste freuen. "Ich muss mich ja schließlich auch bedanken, da werde ich dann schon was sagen."

Richard Süßmeier

"Ein Wiesnwirt verdient mal ein bisserl mehr, mal ein bisserl weniger. Aber das gleicht sich wieder aus. Wenn er weniger verdient, macht ihm das mehr aus. Wenn er mehr verdient, macht ihm das weniger aus."

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