Russischer Rocksänger Andrej Makarewitsch:Nicht der einzige Idiot

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Andrej Makarewitsch habe vor "Flüchtlingskindern aus Donezk" gesungen. Aber in hysterischen Zeiten kommt es darauf nicht an. (Foto: Imago Stock&People)

Der Rocksänger Andrej Makarewitsch war stets beliebt in Russland. Dann kritisert er den Krieg, spielt ein Konzert in der Ostukraine - und wird als Verräter des Vaterlands beschimpft. Ganz alleine ist er mit seiner Meinung allerdings nicht.

Von Julian Hans, Moskau

In hysterischen Zeiten können Dinge, die sonst normal sind, Schicksale besiegeln. Musiker geben Konzerte. Andrej Makarewitsch tut das seit 45 Jahren. Der Kopf und das einzige ständige Mitglied der 1969 gegründeten Rockgruppe Maschina Wremeni (Zeitmaschine) ist für Millionen Russen eine der wenigen Konstanten in ihrem Leben. Reformen kommen und gehen, Systeme stürzen ein und Imperien zerfallen, italienische Salami kommt in die Geschäfte und verschwindet wieder - die Musik von Maschina Wremeni war immer dabei.

Ihre Lieder sind keine Protestsongs, aber sie haben jene Poesie, in der jeder Zuhörer seine eigenen Träume wiedererkennt; und für viele Sowjetbürger war das der Traum von der Freiheit. Sie glaubten ihn zum Beispiel im Lied von der Wegbiegung zu erkennen, in dem es heißt, dass man nicht immer nur vorwärts marschieren kann, dass irgendwann eine Wende kommt.

"Makarewitsch macht schon lange mit den Faschisten gemeinsame Sache."

Doch jetzt hat der 60-jährige Makarewitsch offenbar das falsche Konzert gegeben. Jedenfalls am falschen Ort, meinen einige in Russland. Er hat in Swjatogorsk gespielt, einem Ort in der Ostukraine, den die Armee zuvor von den Separatisten befreit hatte. In den Zeitungen wüteten die Kritiker. Makarewitsch veröffentlichte daraufhin ein Foto, es zeigt jubelnde Jungen und Mädchen. Er habe, schrieb er, vor "Flüchtlingskindern aus Donezk" gesungen. Aber in hysterischen Zeiten kommt es darauf nicht an. Es war ein Auftritt auf der falschen Seite.

Für manche genug, um aus einem Vergötterten einen Verdammten zu machen. Der Abgeordnete Jewgenij Fjodorow von der Kreml-Partei Einiges Russland sagte der Iswestija: "Andrej Makarewitsch macht schon lange mit den Faschisten gemeinsame Sache. Diese Wahl hat er schon vor einiger Zeit getroffen, als er sich auf die Seite der Feinde der Russischen Föderation stellte. Wir sollten über eine Aberkennung seiner staatlichen Auszeichnungen nachdenken und das Gesetz so überarbeiten, dass man Personen ihre Auszeichnungen aberkennen kann, wenn sie das Vaterland verraten."

2008 gab er auf dem Roten Platz ein Konzert - unterstützt von Wladimir Putin

Und der "Maschinist Makar" hat viele Auszeichnungen erhalten. Er trägt den Orden "Für Verdienste vor dem Vaterland" und den Titel "Verdienter Künstler der Russischen Föderation". Während des Augustputschs 1991 spielte er auf den Barrikaden vor dem Weißen Haus und wurde dafür als "Verteidiger der Freiheit Russlands" geehrt. 2008 gab er auf dem Roten Platz ein Konzert zur Unterstützung von Wladimir Putin und Dmitrij Medwedjew. Aber seit Beginn des Ukraine-Konflikts spricht sich der inzwischen ergraute Künstler entschlossen gegen den Krieg aus.

Das ist unpopulär. Trotzdem glaube er nicht, dass das Publikum sich von ihm abwendet, sagte er der Nowaja Gaseta: "Jeden Tag kommen zwanzig Unbekannte auf der Straße auf mich zu, drücken mir die Hand und bedanken sich für irgendwas. Das gab es früher nicht. Ich bin also offenbar nicht der einzige Idiot."

© SZ vom 19.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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