Affären um Katar:Wie der FC Bayern das Fifa-System stützt

Affären um Katar: Beste Bedingungen: der FC Bayern fliegt im Januar wieder ins Trainingslager nach Katar.

Beste Bedingungen: der FC Bayern fliegt im Januar wieder ins Trainingslager nach Katar.

(Foto: imago)

Der Fußball-Weltverband ist von Korruptionsvorwürfen durchdrungen, doch seinem Chef Blatter kann das nichts anhaben. Warum? Man höre Rummenigge zu, wie er das Trainingslager des FC Bayern in Katar rechtfertigt.

Kommentar von Detlef Esslinger

Wer ergründen will, warum Joseph Blatter von der Spitze der Fifa, des Weltfußballverbandes, einfach nicht zu verdrängen ist, der braucht nur zwei Dinge zu tun: einen Vergleich ziehen zu Politik und Gesellschaft - und Karl-Heinz Rummenigge zuzuhören.

Wäre Blatter der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und hätte eine schwiemelige Modellbauaffäre am Hals - Horst Seehofer könnte ihn sich nicht mehr leisten. Zahllose Politiker sind aus vergleichsweise nichtigen Gründen zurückgetreten, aber es war notwendig. Entweder bekamen sie eine Affäre nicht in den Griff, oder sie waren (wenn auch nur vorübergehend) nicht mehr über jeden Zweifel erhaben. Zur Begründung ihres Rücktritts heißt es dann oft, dass sie zu "einer Belastung" geworden sind. Sie gefährdeten das Zutrauen der Wähler zumindest in die Partei, der sie angehören. Aus vergleichbarem Grund musste auch der Bischof von Limburg gehen; wegen seines Gebarens waren in seiner Diözese die Menschen in Scharen ausgetreten. Eine Kirche ohne Gläubige ist so wenig wert wie eine Partei ohne Wähler.

Modellbau- und Protzbischofskandale sind indes nichts im Vergleich zu alldem, was seit Jahren von der Fifa bekannt wird. Diesen Verband umwehen keine Affären; dieser Verband ist eine Affäre. Es tut im Grunde wenig zur Sache, ob der Präsident Blatter all seiner korrupten Kollegen nicht Herr werden will oder nicht kann - oder ob er selber vom Stamme Nimm ist. Wie sagte Michael Garcia, der namens der Fifa die Vergabe der Weltmeisterschaften an Russland und Katar auf Korruption untersuchte, bei seinem Rücktritt in der vergangenen Woche? "Kein unabhängiges Komitee, kein Ermittler oder Schiedsgericht kann die Kultur einer Organisation ändern." Blatter, seit 1998 Präsident, zuvor seit 1981 Generalsekretär, ist die Frucht dieser Kultur. Er wird diese nicht mehr antasten.

Blatter kann egal sein, wie sein Ansehen ist

Nur: Er muss es auch gar nicht. Der Unterschied zwischen der Fifa und fast jeder anderen Organisation ist der: Der Fifa kann ihr Ansehen letztlich egal sein. Es reicht völlig aus, wenn der Verband ab und an so tut, als bekümmere es ihn. Dann schließt er einen besonders dummdreisten Funktionär aus; dann kündigt er an, den Garcia-Bericht zu Russland und Katar doch zu veröffentlichen; irgendwann, irgendwie.

Die Fifa braucht keine Gläubigen und keine Wähler. Sie sitzt auf einem Produkt, das so gut wie unzerstörbar ist. Die Fifa braucht bloß Fußballspieler und Fußballfans. Genau jene Wechselwirkung, die es zwischen Wählern und Politikern, zwischen Gläubigen und Bischöfen gibt - die gibt es zwischen Fußballfans und Fußballfunktionären nicht. Letztere können sich fast alles herausnehmen, sie werden nicht "zur Belastung". Schlimmstenfalls werden sie ausgepfiffen, wie Joseph Blatter beim Besuch fast jeden Fußballspiels. Aber letztlich ist es die Faszination ihres Sports auf der ganzen Welt, die sie erstens trägt und zweitens nährt. Kein Satz von Michael Garcia wird Fußballfans je so beschäftigen wie ein 7:1 gegen Brasilien oder der bizarre Absturz von Borussia Dortmund.

Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandschef des FC Bayern, hat am Wochenende unfreiwillig erklärt, warum Blatter so ungefährdet ist, dass er sogar vor einer weiteren Amtszeit an der Spitze der Fifa steht. (Rummenigge würde ihn, wie die meisten seiner deutschen Kollegen, gerne loswerden.) Im ZDF-Sportstudio beklagte Rummenigge zunächst den Mangel an Demokratie und Transparenz in der Fifa, wurde dann aber gefragt, warum der FC Bayern denn erneut sein Wintertrainingslager im sinistren Katar aufschlagen wird. Weil dort die sportlichen Bedingungen die besten seien, antwortete er. So ist das beim Fußball generell: Sofern der Ball schön läuft, ist letztlich alles andere egal.

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