Zweites Halbfinale beim Eurovision Song Contest:Achtung, Schwiegersohn

Emin, der Schwiegersohn des Präsidenten, gilt in Aserbaidschan als Popstar. Damit er es auch europaweit wird, hat die Familie ihn kurzerhand als Pausenact beim ESC-Finale untergebracht. So einfach hat es nicht jeder: Nach dem zweiten Halbfinale in Baku muss unter anderem die Holländerin ihren Häuptlingsschmuck einpacken.

Hans Hoff

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Das zweite Halbfinale hat Kandidaten in die große Show am Samstag katapultiert, die man dort eigentlich nicht erwartet hatte.

(Foto: AFP)

An der Promenade von Baku steht ein Bus. "Ireland" steht drauf, drinnen werden die singenden Hüpfbälle des irischen Duos Jedward vermutet. Die sollen an diesem Donnerstagabend hier gleich ein Konzert geben. Stand auf einem Aushang. Deshalb umlagern nun erstaunlich viele junge Mädchen den Bus. Immer wieder steigen Polizisten ein, verschwinden hinter den abgedunkelten Scheiben und besprechen vermutlich die Lage.

Hundert Meter sind es bis zur Freiluftbühne. Unmöglich zu schaffen für die beiden Stars, denen es nach 2011 zum zweiten Mal gelungen ist, ins Finale des Eurovision Song Contest (ESC) zu kommen. Aber den mühsamen Weg durch die Menge können sich Jedward sparen. Ihr Bus muss wieder abdrehen, weil just zu der Zeit, in der sie eigentlich eingeplant waren, ein anderer die Bühne betritt. Und den mögen die jungen Aseris offensichtlich noch viel lieber als die verrückten Iren.

Emin, der Schwiegersohn des Präsidenten, gilt hierzulande als Popstar. Und er soll es auch europaweit werden, weshalb die Familie ihn kurzerhand als Pausenact beim ESC-Finale untergebracht hat. Man beweist halt Familiensinn.

Emin lacht viel auf der Bühne, er sieht gut aus, und er strengt sich an. Er bewegt die Lippen und will singen, aber dann strömt aus seinem Inneren doch nur Billigpop der arg konstruierten Art. Wären da nicht drei auffällig weit vorne platzierte Backgroundsängerinnen, das Ganze wäre wohl noch leichter als die musikalische Seichtsoße zu erkennen, die es ist.

Emin trägt ein schlichtes schwarzes T-Shirt, eine leicht schlabbrige Jeans. Man sieht ihm nicht an, dass er längst Millionär ist, dass er in London lebt und dass er dank Heirat über die allerbesten Kontakte in allerhöchste Regierungskreise verfügt. Heute ist Emin der Kumpel, der Star zum Anfassen, einer, der wie sein Heimatland unbedingt vom Finale des ESC profitieren will.

Dort sind nun auch ein paar Künstler angekommen, bei denen man das eigentlich nicht erwartet hatte. Die Türkei galt nicht als großer Favorit, schaffte es beim zweiten Halbfinale aber in die letzte Runde. Dafür ist Holland raus. Die Indianerin mit der Wandergitarre kann ihren Häuptlingsschmuck abnehmen und nach Hause fahren. Stattdessen sind ein paar Balkan-Länder weiter: Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien. Ebenso Litauen, Estland, Norwegen und natürlich das nach wie vor als sicherer Sieger geltende Schweden. Auch die Ukraine und Malta dürfen noch hoffen, während Slowenien, Weißrussland und der arg nach Rocky Horror Picture Show klingende Georgier ihre Sachen packen müssen.

Inzwischen haben sich Serbien und die Türkei in der örtlichen Liste der Favoriten weit nach oben geschoben. Zwar tut das ihrer Unerträglichkeit wenig Abbruch, aber wer sich daran erinnert, dass im Finale ja noch die Schreitante aus Albanien lauert, findet im direkten Vergleich auch sonst eher als unterirdisch empfundene Beiträge plötzlich ganz und gar himmlisch.

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