Zweite Staffel "Weissensee" in der ARD:Liebe in Zeiten der Staatssicherheit

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Das Erste sendet nun die zweite Staffel Weissensee. (Foto: ARD/Julia Terjung)

Nach drei Jahren sendet die ARD die zweite Staffel von "Weissensee". Es ist eine der besten Serien, die das deutsche Fernsehen hervorgebracht hat. Auch wenn ein wenig dick aufgetragen wird.

Von Katharina Riehl

Romeo hat noch keine Ahnung, wie tief in den Abgrund ihn die ganze Sache mit Julia noch reißen wird, als er auf dem Ball der Familie Capulet seinem Freund Mercutio folgendes erklärt: Die Liebe sei "zu rauh, zu wild, zu tobend, und sie sticht wie Dorn". Liebe, will er sagen, tut weh.

So geht es bekanntlich bei Shakespeare, und es ist natürlich kein Zufall, dass in der ARD-Serie Weissensee die Hauptfigur genau diesen Namen trägt: Julia Hausmann. Ihre Liebesgeschichte mit dem Polizisten Martin ist nichts anderes als eine Variante von Shakespeares großer Tragödie unter veränderten Vorzeichen. Das Liebespaar, das keines sein darf, trennt hier nicht nur ein Streit zwischen zwei Familien, sondern gleich ein ganzes politisches System.

Unabhängigkeit vom lähmenden System

Von diesem Dienstag an, drei Jahre nach dem Ende der ersten Staffel, sendet die ARD nun die Fortsetzung der DDR-Saga Weissensee, einer der besten Serien, die das deutsche Fernsehen überhaupt jemals zu zeigen in der Lage war. Fertig sind die sechs neuen Folgen schon eine ganze Weile, seit März schon kann man sie auf DVD kaufen. Einen Sendeplatz hat das Erste erst jetzt dafür gefunden. Ohne die Vorabveröffentlichung zum Kauf, so konnte man das im Frühjahr nachlesen, wäre die Produzentin Regina Ziegler mit ihrer Serie finanziell dumm da gestanden. Und so ist Weissensee auch ein Beispiel dafür, wie sich Künstler in Zukunft vielleicht immer mehr von diesem oft lähmenden System unabhängig machen könnten.

Rein erzählerisch hätte man sich allerdings auch noch drei Jahre Zeit lassen können, denn die Handlung beginnt sechs Jahre nachdem Julia Hausmann, Tochter einer DDR-kritischen Sängerin, schwanger wurde vom Sohn und Bruder zweier Stasigrößen. Sechs Jahre nachdem sie es für eine gute Idee hielt, einem westdeutschen Journalisten von den Maßnahmen zu berichten, mit denen der Staat ihre Mutter gefügig zu machen versuchte. Und sechs Jahre nachdem Martin Kupfer für Julia Hausmann mit seiner Familie brach und langsam zu ahnen begann, wie viel Schmerz ihnen beiden diese ostdeutsche Romeo-und-Julia-Geschichte noch zufügen würde.

Weissensee hat damals den Deutschen Fernsehpreis gewonnen, für die beste Serie und für Jörg Hartmann als großartig fiesen und zerrissenen Stasi-Karrieristen Falk Kupfer. Eine Grimme-Preis-Nominierung gab es und einen Bambi für Hannah Herzsprung, die Julia dieser Geschichte.

Wider die Seifenopern

Dass Weissensee so viel und Aufmerksamkeit bekam, lag zum einen natürlich an einem guten Drehbuch und einer ganzen Reihe wunderbarer Schauspieler, auch solche, die man sonst im deutschen Fernsehen nicht ständig zu sehen bekommt. Die Stärke von Weissensee lag aber auch in einer der ganz großen Schwächen des deutschen Fernsehens: Denn bemerkenswert war vor allem, dass überhaupt ein Sender eine Serie bot, die bei Dramaturgie und Figurenzeichnung in der selben Liga spielen konnte wie die großen Vorbilder aus dem (zumindest europäischen) Ausland. In Deutschland besteht Serienfernsehen ja sonst praktisch ausschließlich aus heiteren Kriminalgeschichten und Seifenopern, deren Dramen sich nur in der Kulisse unterscheiden, vor der sie stattfinden.

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Die zweite Staffel nun ist ein wenig dicker aufgetragen als die erste. Der ostdeutsche Unrechtsstaat muss sich schon in seiner sehr geballten Schrecklichkeit zeigen, um den Figuren genügend Handlungsanreize anzutun. Knast, Kindesentzug, Menschenversuche für den sozialistischen Erfolg an Reck und Stufenbarren.

In der dritten Staffel, wann immer sie es in die ARD schafft, fällt dann zum Glück die Mauer.

Weissensee , ARD, dienstags, 20.15 Uhr.

© SZ vom 17.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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