Zweite Kirchen-Debatte bei Günther Jauch:Gott ist Gott und Lafontaine ist Lafontaine

Oskar Lafontaine Günther Jauch

Oskar Lafontaine (Die Linke) am Sonntagabend bei Günther Jauch

(Foto: imago stock&people)

Katholiken sind also ein bisschen wie Fans des FC Schalke 04: Thema bei Günther Jauch ist zum zweiten Mal in Serie die Kirche und deren Bezug zum wirklichen Leben. Dieses Mal ist immerhin ein katholischer Bischof unter den Gästen, das gängige Prinzip von Talksendungen wird trotzdem ad absurdum geführt. Trotz Oskar Lafontaine.

Eine TV-Kritik von Matthias Kohlmaier

Erst tritt bei Günther Jauch der katholische Publizist Martin Lohmann auf und verbreitet mit jedem Statement so viele pseudobiblische Ewiggestrigkeiten wie nur irgend möglich. Dann wittert Erzbischof Gerhard Ludwig Müller eine "Pogromstimmung" gegen die Katholiken. Und schließlich bezeichnet der Papst seine christlichen Brüder und Schwestern als "das meistverfolgte Volk" auf Erden.

Das alles ist passiert, nachdem zwei katholische Krankenhäuser in Köln einer vergewaltigten Frau die Behandlung verweigert hatten. Grund genug für die Redaktion von Jauchs Sonntagabend-Talkshow, ein zweites Mal über die katholische Kirche zu sprechen. Sequels funktionieren doch auch im Kino prima (in der ersten Sendung ging es um die Gnadenlosigkeit der Kirche).

"Wie lebensnah ist die Kirche?", lautete daher die Frage, die Moderator Jauch mit seinen Gästen klären wollte. Eines sei schon an dieser Stelle verraten: Es war eine schrecklich harmonische Sendung zu einem Thema, das auch beim zweiten Talk in Serie eine Menge hergegeben hätte. Doch auf der Bühne wurde Moderator Jauch von fünf Menschen eingerahmt, die ob ihrer Ansichten überhaupt keinen Grund hatten, miteinander in Streit zu geraten.

Katholischer Bischof glänzt durch Anwesenheit

Da war der katholische Bischof Hans-Jochen Jaschke, der die Sache seiner "Mitbrüder" vertrat, aber gemäßigt und ständig darauf bedacht, keinesfalls als ähnlicher Hardliner wahrgenommen zu werden wie Publizist Lohmann eine Woche zuvor. Aber immerhin: Jaschke war anwesend - in der ersten Sendung hatte nicht ein einziger Bischof auf den Jauch'schen Ledersesseln Platz nehmen wollen.

Das Credo von Jaschke lässt sich derweil in einigen wenigen seiner Aussagen trefflich zusammenfassen: "So kann es nicht weitergehen!", "Herr Lohmann vertritt nicht die Position der Kirche!" und "Ich will aus dieser Ecke raus!". Das klingt ein wenig nach den Weisheiten eines Fußballtrainers, der kurz vor dem Rausschmiss steht. Wie sich in der katholischen Kirche etwas ändern soll, die Antwort blieb der mitnichten unsympathische Hamburger Weihbischof jedoch schuldig.

Apropos Fußball: Johannes B. Kerner war auch da, allerdings nicht in seiner gewohnten Funktion als (Sport-)Moderator, sondern als gläubiger Christ. Er zweifle immer wieder an seinem Glauben, erklärte Kerner und schloss mit einer kleinen Witz-Melange aus Sport und Religion: "Man fühlt sich derzeit als Katholik ein bisschen wie als Schalke-Fan." Dass ausgerechnet Kerner es war, der den Gesprächen eine menschliche Note gab, sagt eine Menge über die Gäste und über deren Auswahl aus.

"Das Leben ist schwierig"

Diejenigen, die wirklich gehört hätten werden müssen, saßen nämlich gar nicht auf der Bühne, sondern waren im Publikum und in den diversen Einspielern der Sendung versteckt. Die Arbeitnehmer kirchlicher Einrichtungen, die nach öffentlichem Bekenntnis zur eigenen Homosexualität oder einer zweiten Heirat den Job beim zweitgrößten Arbeitgeber Deutschlands verloren haben. Oder die Frau, die für miserablen Lohn bei einer Pflegeeinrichtung unter evangelischer Trägerschaft arbeitet. Sie alle kamen vor, aber nur am Rande und viel zu kurz.

Auf der Bühne konzentrierte sich die Sendung lieber auf kleinteilige Fachsimpeleien über die "Pille danach", praktische und theoretische Ansätze im Katholizismus und ähnliche Dinge, die die Diskussion nicht weiterbringen konnten. Der Bruder von Bibel-Hardliner Lohmann, Klaus Lohmann, wurde ebenso im Publikum versteckt und durfte sich nur in wenigen Sätzen von den kruden Thesen seines Bruders abgrenzen, ehe Jauch ihm das Wort wieder entzog. Lohmanns letzte Worte: "Das Leben ist schwierig." Amen.

Auf der Bühne glänzte Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, noch mit der Einschätzung: "Gott ist Gott." Da mache evangelischer oder katholischer Glaube keinen Unterschied. Zu den im Einspieler angeprangerten Dumping-Löhnen in evangelischen Einrichtungen beließ er es bei der Aussage: "Wir machen Druck, dass so was nicht mehr passiert."

Ebenso wenig erhellend war die Anwesenheit der beiden Gäste aus der Politik: Sylvia Löhrmann, Grüne und stellvertretende Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, konnte zur Diskussion kaum etwas beitragen, was möglicherweise auch daran lag, dass sie - gefühlt - nur einmal zu Wort kam.

Messdiener Lafontaine

Und Oskar Lafontaine? War eben Oskar Lafontaine. Das Thema "Dumping-Löhne" nutzte er für einen kurzen Seitenhieb auf die Regierungskoalition und sprach mit Bezug auf die sinkenden Gehälter von den "Ferkeleien der letzten Jahre". Von den Kirchen verlangte er, angesichts der Situation von Leiharbeitern "laut aufzuschreien, um glaubwürdig zu bleiben".

Die Quintessenz aus dem "Kirchen-Talk, Teil 2": Wenn fünf Menschen auf der Bühne sitzen und alle mehr oder minder einer Meinung sind, dann führt dies das Prinzip einer Talksendung ad absurdum. Und im konkreten Fall bleibt die Frage: Hätte man nicht lieber über die plagiatsverdächtigen Doktorarbeiten einiger Politiker und die Neubesetzung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung talken sollen?

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