Zum Tod von Dieter Pfaff:Er hat verstanden

Er spielte auch den "Dicken" - aber nicht nur: Dieter Pfaff war einer, der die Menschen anrührte. Mit seinen zum Schluss selbstentworfenen Rollen nutzte er seinen starken Sympathiewert für Höheres. Das Publikum wird einen Schauspieler vermissen, der nicht nur spielen wollte. Ein Nachruf.

Von Ruth Schneeberger

Dieter Pfaff ist tot

Er hatte auch schwerere und alberne Rollen, doch zum Schluss schrieb er sie sich selbst: Dieter Pfaff.

(Foto: dpa)

Der "Fahnder" trug Vokuhila, weit offene Hemden und war immer unter Strom, um ihn herum die vorlauten, unterwürfigen oder jovialen Nerdbrillen-, -Geheimratsecken- und Fliegenträger, die auch jetzt noch in vielen deutschen Polizei-Serien anzutreffen sind, bisweilen sogar von denselben Schauspielern verkörpert. Die Krimiserie "Der Fahnder" war in den 80er Jahren Kult im deutschen TV, unter anderem auch wegen ihrer schmissigen Titelmelodie. Doch es gab einen Polizisten im Team, der weniger durch seine Verwegenheit, seinen Mut, Einsatz oder einen besonders skurrilen Charakter hervorstach. Er war auch meist nicht bei Einsätzen dabei, sondern hielt die Stellung in der Wache. Sein Name war Otto. Und er wurde - in einer Nebenrolle - zum schrulligen Star.

Die Rolle des netten Dicken in der ARD-Vorabendserie "Der Fahnder" machte Dieter Pfaff zu einem der beliebtesten Schauspieler des Landes. Zuvor war der gebürtige Dortmunder, Sohn eines Polizisten, nach einem abgebrochenen Lehramtsstudium und der Schauspielausbildung an deutschen Bühnen vorwiegend als Dramaturg und Regisseur unterwegs, politisch motiviert durch die 68er-Bewegung; in Graz brachte er als Professor für Schauspiel (1983 bis 1990) anderen das Spielen bei.

Der Dicke, der Papa, der Schatz

Doch dann kam diese kleine, scheinbar unscheinbare "Fahnder"-Rolle als "Otto Schatzschneider" (1984 bis 1996) - und Dieter Pfaff war geboren, für das Fernsehpublikum. Wer sich heute, aus Anlass seines Todes im Alter von 65 Jahren, die alten Folgen noch einmal anschaut, versteht sofort, warum daraus in den Jahren darauf und bis zuletzt die immer größeren, immer tragenderen, eindrucksvolleren und eindringlicheren Rollen erwuchsen, die ihm auf den Leib geschrieben wurden. Bis Pfaff am Ende, zusammen mit Regisseur Dominik Graf, fürs ZDF den "Sperling" erschuf (1996 bis 2007), der ihm zum endgültigen auch künstlerischen Durchbruch verhalf.

Bis zu der preisgekrönten Rolle des urigen Kommissars, der seine Fälle mit mindestens so viel Traurigkeit wie Feingefühl löste, wurde Pfaff, seiner Leibesfülle entsprechend, noch eher auf die typischen Rollen festgelegt: "Bruder Esel", ein liebenswert menschlicher Franziskanerpater, "Unser Papa", der nach der hingebungsvollen Pflege seiner todkranken Frau noch mal auflebt, schließlich schlicht "Der Dicke" (2005 bis 2012), ein schlitzohriger Rechtsanwalt vom Hamburger Kiez mit Herz.

Den "Sperling" (1996 bis 2007) aber, der später Gastauftritte bei "Kommissar Beck" hatte, und vor allem den Psychotherapeuten "Bloch" (2002 bis 2012), diese beiden Charaktere hatte Dieter Pfaff selbst fürs Fernsehen entworfen. Um den sonst im TV oft eher eindimensionalen Rollenbildern etwas hinzuzufügen: ein menschliches Antlitz, das aus Widersprüchen besteht, aber von einem tiefen Verständnis getragen wird. Für die Menschen, für die Welt und ihre Abgründe, die in jedem schlummern.

Abseits der Leistungsgesellschaft und doch mittendrin

Während andere seines Fachs, ebenso beliebt oder ähnlich begabt als Schauspieler oder Komödianten, sich oft genug mit der Rolle des lustigen Dicken zufrieden gaben und sie fürs Publikum voll ausfüllten, gelang Dieter Pfaff als perfektionistischem Charakterdarsteller mehr: Mit "Bloch" schuf er eine Rolle, die, bisweilen unkonventionell bis zur Sturheit, in Abgründe und Feinheiten der menschlichen Psyche vorzudringen vermochte, wie sie sonst im TV eher als Feindbild zu sehen sind. Bloch, und damit Pfaff, brachte die Verrücktheiten und Ver-Rücktheiten der Menschen dem Publikum näher - auf eine friedliche, verständnisvolle Weise.

Stark und einfühlsam, beharrlich und verständnisvoll

Das ist sein großes Verdienst - abgesehen davon, dass die Zuschauer Dieter Pfaff schon alleine für sein einfühlsames Spiel liebten -, dass er seinen Rollen eine zweite Dimension gab, und damit für Verständnis warb für die Schwächen der Menschen, das Straucheln, abseits der Leistungsgesellschaft. Er spielte selten die Bösen, dazu war er nicht prädestiniert, sondern meist die Gütigen. Das konnte hin und wieder, getragen durch seine unmittelbare Präsenz, schon fast zu viel des Guten werden. Doch er war und blieb unschlagbar darin, den beharrlichen und einfühlsamen Sympathieträger zu geben und diese Rolle dafür einzusetzen, weniger sympathische Züge des Menschen in die Gesellschaft zurück zu integrieren.

Weshalb ihn nun, nach seinem Ableben, sehr viele Menschen vermissen werden. Das Fernsehen täte gut daran, ihn jetzt noch einmal so zu zeigen, wie er zu Beginn seiner TV-Karriere war, als liebenswert spleeniger "Otto": Es war schon alles da, und was noch in ihm schlummerte, das wollte noch alles raus.

Dieter Pfaff starb am Dienstag im Kreise seiner Familie in Hamburg an Lungenkrebs. Er hinterlässt seine Frau Eva, seine Jugendliebe, mit der er seit 1969 verheiratet war, und die gemeinsamen Zwillinge Johanna und Maximilian, die ebenfalls beim Film arbeiten.

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