Zeitungsdesign:Meister des Vergnügens

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Javier Errea ist einer der bedeutendsten Gestalter in der Zeitungsbranche. In seinem nun erschienenen großartigen Band erweist er sich als Anti-Defätist und Erklärer eines Mediums, das noch nie so wertvoll war wie jetzt.

Von Bernd Graff

Javier Errea verfügt über eine herzerfrischend schonungslose Offenheit bei unbeugsamem Optimismus. Er ist der heitere Anti-Defätist in einer Branche, die aus schweren, oft existentiellen Krisen lernen musste: Errea, geboren 1967 in Pamplona, ist Zeitungsdesigner, einer der bedeutendsten weltweit. Die von ihm gestaltete Wirtschaftszeitung el Economista etwa wurde 2007 als "World's Best-Designed Newspaper" ausgezeichnet. Jetzt hat Errea einen eindrucksvollen Band im Gestalten-Verlag herausgebracht, der nicht nur Designerkollegen interessieren wird, sondern alle, die in diesem Jahrtausend mal eine Zeitung in die Hand genommen haben: Newspaper Design. Editorial Design from the World's Best Newsrooms.

"Wir stehen da, wo wir stehen, weil wir den beispiellosen Niedergang zugelassen haben, wir haben aktiven Anteil an der Krise, die den gedruckten Journalismus total erfasst hat", schreibt er da. Doch die Wurzel des Journalismus, argumentiert er, ist immer noch Geschichtenerzählen, und Geschichten müssen heutzutage gerade wegen der Herausforderung durch die 7/24-News vor allem visuell erzählt werden. Darum hat er dieses brillante Buch vorgelegt. Errea ist, wie gesagt, Zeitungsdesigner, und er hat Recht. Nachrichten müssen seit je mit bildhafter Information angereichert werden, um ihre Bedeutung herauszustellen, aber auch, um sie "sexy" zu machen. Errea ist auch darin Meister, dazu ein Kenner anderer Großmeister, so gesehen ist er der Maître de Plaisir des wirkungsvollen Zeitungsmachens.

Das Buch strotzt nicht nur vor historischen Beispielen, den wirkmächtigsten Zeitungsanmutungen der Geschichte, es zeigt vor allem heutige Leuchttürme im gedruckten Alltag. Und es belegt und begründet, was gutes Zeitungsdesign auszeichnet: Es ist nicht Aufhübschung, sondern selber maßgeblicher Teil des Storytellings. Und das über alle, auch digitalen, Kanäle.

Damit ist die sehr weite Folie ausgebreitet, vor der Errea die großartigsten Zeitungsdesigns und die Köpfe dahinter vorstellt. In Beispielen wird bis in die Abmessungen der Typographie, Bildgrößen und Überschriften hinein durchdekliniert, was Zeitungen von Magazinen lernen können und wie es etwa die New York Times geschafft hat, strahlender Herold für Innovation im Zeitungsdesign zu werden und über Jahrzehnte zu bleiben: Die "Old Gray Lady", so ihr Spitzname, war in Sachen Layout und Design niemals Grau und alt. Andererseits, das macht die Untersuchung der französischen Libération deutlich, kann eine Zeitung im digitalen Geschäft gerade dadurch prägnant bleiben, dass sie dem vertraut, was Zeitungen wie Magazine groß gemacht hat: Die Porträt- und Reportagefotografie. Errea gelingt also nicht lediglich der alles und nichts streifende Par-Force-Ritt. Nein, er belegt auf eindrucksvolle Weise, warum Print gerade im digitalen Zeitalter viel mehr ist als Holzverarbeitung im Papierwesen.

Newspaper Design. Editorial Design from the World's Best Newsrooms. Gestalten, Berlin 2018, 288 Seiten, 49,90 Euro.

© SZ vom 09.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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