Zeitungen in Israel:Auflagenstarkes Sprachrohr

Regierungsfreundliche Unternehmer kaufen sich in Israel den Zeitungsmarkt - die Grenzen zwischen Kapital, Politik und Medien verschwimmen zusehends. Und unabhängige Titel wie "Maariv" sind in Gefahr.

Peter Münch, Tel Aviv

Mittlerweile fliegen die Fäuste. Als sich aufgebrachte Mitarbeiter der israelischen Zeitung Maariv zu Wochenbeginn Zugang zu den Büros verschaffen wollten, in denen ihre Pensionsfonds verwaltet werden, kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Unverrichteter Dinge mussten die Demonstranten abziehen - und ihr Weg führt in eine höchst ungewisse Zukunft.

Zeitungen in Israel: Wie viele andere unabhängige Zeitungen ist auch Maariv von der Schließung bedroht. Die Mitarbeiter demonstrieren auf der Straße. Ihre Zukunft jedoch ist ungewiss.

Wie viele andere unabhängige Zeitungen ist auch Maariv von der Schließung bedroht. Die Mitarbeiter demonstrieren auf der Straße. Ihre Zukunft jedoch ist ungewiss.

(Foto: AFP)

Ihr Blatt ist akut von der Schließung bedroht. Verkauft und verraten fühlen sich die 2000 Mitarbeiter, von denen maximal 300 bis 500 eine Aussicht darauf haben, von Kündigung verschont zu bleiben. Und der Absturz der drittgrößten Zeitung des Landes ist nur ein Beispiel für den Niedergang der israelischen Presse. Die Zeitungen leiden nicht nur unter chronischem Geldmangel - sie drohen auch zu Spielbällen politischer Interessen zu werden.

Maariv ist so alt wie der Staat Israel. Gegründet im Februar 1948 von einem aus Deutschland stammenden Journalisten legte die Zeitung stets Wert auf ihre Unabhängigkeit. Von der politischen Mitte wanderte sie in den vergangenen Jahren weiter nach rechts, vor allem aber stürzte sie in immer tiefere Turbulenzen. Die Auflage sank, die Anzeigenerlöse schrumpften. Als Retter präsentierte sich im Frühjahr 2011 der Industrielle Nochi Dankner, der die Zeitung für 147 Millionen Schekel, umgerechnet 30 Millionen Euro, kaufte und noch 200 Millionen Schekel investierte. Dankner hoffte auf größeren politischen Einfluss, doch die Rechnung ging nicht auf. Sein Wirtschaftsimperium ist ins Wanken geraten, und als erstes hat er nun Maariv abgestoßen, wo sich ein Schuldenberg von 400 Millionen Schekel aufgetürmt hat.

Mitglied in Netanjahus Likud-Partei

Käufer für 40 Millionen Schekel ist der rechtsgerichtete Verleger Schlomo Ben Zwi, dem bereits die Zeitung Makor Rishon gehört. Er ist Mitglied der regierenden Likud-Partei von Premier Benjamin Netanjahu und ausgewiesener Freund der Siedler-Bewegung. Ob er eine rasche Fusion beider Blätter betreibt, ist noch unklar, angekündigt aber hat er bereits Massenentlassungen bei Maariv, gegen die seit Wochen protestiert wird. Angeschlossen haben sich auch Journalisten anderer Medien. So gingen auch Angestellte der Zeitung Haaretz auf die Straße, bei der 80 der insgesamt 400 Mitarbeiter von der Kündigung bedroht sind. Entlassungen sind zudem beim Massenblatt Jedioth Achronoth geplant.

Das in vielen Ländern zu beobachtende Zeitungssterben wird in Israel noch erheblich beschleunigt durch den Erfolg der Gratiszeitung Israel Hajom. 2007 war das Blatt, das allmorgendlich kostenlos verteilt wird, vom jüdischen US-Milliardär Sheldon Adelson gegründet worden, nachdem ihm der Kauf von Maariv nicht geglückt war. Heute ist Israel Hajom die auflagenstärkste Tageszeitung des Landes. Mit einem Marktanteil von knapp 39 Prozent hat sie Jedioth Achronoth (36 Prozent) überholt und Maariv (elf Prozent) sowie die anspruchsvolle Haaretz (sieben Prozent) abgehängt. Zu schaffen macht das Blatt der Konkurrenz überdies mit Dumpingpreisen im Anzeigenverkauf.

Adelson verfolgt in Israel eine so klare politische Agenda wie in den USA, wo er die Republikaner mit seinen im Casino-Geschäft verdienten Millionen an die Macht bringen will. Israel Hajom gilt als Sprachrohr der Regierung seines Freundes Netanjahu, dessen Wahlsieg das Blatt 2009 mit publizistischem Sperrfeuer befördert hatte. So verwischen die Grenzen zwischen Kapital, Politik und Medien, und am Ende könnte das "Volk des Buches", wie die Juden sich nennen, ein Volk ohne unabhängige Zeitungen werden.

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