ZDF zeigt interaktiven Krimi:Und alle so #fupp

Im ZDF läuft seit Freitagabend die neue Krimireihe "Die letzte Spur". Dabei kann das Fernsehpublikum live im Internet mitermitteln. Aber die Zuschauer sind mit dem innovativen Ansatz des Senders überfordert.

Carsten Janke

Es klang von Anfang an verlockend: "Fupp!", erklärte Sonja Schünemann im ZDF-Morgenmagazin. "Das kommt automatisch auf das Smartphone. Fupp! Das kommt einfach zu Dir, und da geht der Trend hin, dass Fernsehen und Internet verknüpft werden."

ZDF-Krimiserie 'Spurlos verschwunden'

Gut für die Interaktivität, schlecht fürs Verständnis: "Die letzte Spur" presst neun verschiedene Charaktere in 45 Minuten, darunter Hans-Werner Meyer als Kriminalhauptkommissar Oliver Radek und Jasmin Tabatabai als Kriminalhauptkommissarin Mina Amiri.

(Foto: dapd)

Die Redakteurin von www.heute.de erklärte im Frühstücksfernsehen dem staunenden Publikum auf einem großen Bildschirm, was Social TV ist. Bei jedem "fupp" ploppte, Verzeihung, fuppte ein neues Fenster mit einer Nachricht auf.

Social TV, man könnte es auch "Rudelfernsehen" nennen, ermöglicht dem Publikum, sich im Internet über das zu unterhalten, was man gerade im Fernsehen sieht. Da werden über Facebook oder Twitter Kommentare ausgetauscht, Zusatz-Informationen gegeben und bei spannenden Filmen wird gemeinsam über das Ende spekuliert.

"Fupp!" - das klang so schwungvoll, dass es die Internetgemeinde gleich zum neuen Trendbegriff kürte, natürlich mit der Zeichensetzung, die beim Kurznachrichtendienst Twitter üblich ist: "#fupp". In den sozialen Netzwerken hatte sich "Die letzte Spur" damit gut ins Gespräch gebracht.

Verdächtig: Gärnter, Ex oder Patriarch?

Die Krimireihe spielt in Berlin, in der Vermisstenstelle des Landeskriminalamtes. Der sonst übliche Tote am Anfang jeder Folge entfällt. Stattdessen verschwinden Personen wie aus heiterem Himmel und die Zuschauer begeben sich mit den Kommissaren auf Spurensuche. Es bleibt offen, ob der Vermisste in jeder Folge rechtzeitig wiedergefunden werden kann. Aber hier geht es ja auch weniger um den Fall, als um dessen Interaktivität.

Das ZDF will ausprobieren, was in englischsprachigen Ländern schon länger verbeitet ist. Die Zuschauer haben die Möglichkeit, per Smartphone, Tablet oder PC, im Internet einen "zweiten Bildschirm" (second screen) zum normalen Fernseher zu öffnen, auf dem sie die TV- Episoden live kommentieren und Gesichter möglicher Täter auf einer Tafel anbringen können ("Fupp!"). Schon in der ersten Folge der neuen Krimireihe ergab sich so aus den fortlaufenden Nutzerkommentaren ein witziger Subtext zum Fernsehgeschehen.

Die beiden Kommissare Oliver Radek und Mina Amiri ("Wie sieht denn die Tabatabai aus?") ermitteln im Fall einer harmonischen Kleinfamilie, aus welcher der Vater während eines Baumarkt-Besuchs plötzlich verschwindet ("Der Gärtner wars!"). Kurzzeitig machen sich die ehemaligen Lebenspartner verdächtig ("Der Ex wäre zu offensichtlich."). Bald schon stoßen die Fahnder aber auf einen Erpressungsskandal um den Ex-Schwiegervater des Verschwundenen ("Der Patriarch wars").

Die Internetnutzer verdächtigen während der 45 Minuten Sendezeit so ziemlich alles und jeden, hinter der Entführung zu stecken: den Hund des Entführten, den Kommissar, ein Neugeborenes, den Baumarktleiter, den Baumarktmitarbeiter, sogar den Baumarkt. Nach einigen Abschweifungen ("ZDF ist der Täter!") kann man zehn Minuten vor Schluss aus den Kommentaren lesen, wie sich die Internetnutzer auf den Pharma-Patriarchen eingeschossen haben, der letztendlich auch wirklich hinter der Entführung steckt ("Harry, hol schon mal den Wagen"). Er gesteht und der Entführte wird gefunden.

Diskreter Kulturschock

Was das ZDF hier probiert, ist ein diskreter Kulturschock. Einerseits möchte man dem treuen Publikum der Freitagabend-Krimis ein anspruchsvolles Krimi-Format bieten. Immerhin haben auf diesem Sendeplatz einst "Derrick" und "Der Kommissar" ermittelt und "Soko Leipzig" und "Stolberg" kämpften vergeblich gegen Quotenverluste. Andererseits möchte man ein junges, technikaffines Publikum erreichen.

So technikaffin das Publikum aber auch gewesen sein mochte, viele waren von der Kombination Krimi-Schauen, Kommentieren und Täter-Finden überfordert ("Ich find den Chat fast spannender als den Film"). Das umständliche Drehbuch machte es noch schwieriger: Neun verschiedene Charaktere wurden in eine Dreiviertelstunde gepresst (Hunde und Baumarktmitarbeiter nicht mitgezählt). Dies ging auf Kosten der Dialoge und der Ausgestaltung der Charaktere. Mit "fuppen" kam man kaum nach.

Die Krimireihe "Die letzte Spur" ist dennoch ein großartiges Experiment! Sie öffnet im angestaubten Zirkuszelt des ZDF einen Spalt, durch den man schon mal in die lichte digitale Zukunft sehen kann. Man muss sich daran gewöhnen, plötzlich neben den Usern "Lerchenberg", "Mopsi" und "Queen911" auf der virtuellen Fernsehcouch zu sitzen. Auf lange Sicht wird das dem Massenmedium Fernsehen gut tun.

"Die letzte Spur" (in weiteren fünf Folgen), ZDF, freitags, 21:15 Uhr

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