Werbung bei "Wetten, dass..?":Die Vergangenheit will nicht ruhen

Versteckte Werbung ist eigentlich ein Auslaufmodell. Beim ZDF drehte sie noch Runden - oder ist sie gar noch gültige Praxis?

Christopher Keil

Was war das für eine Zeit, 2002? Die erste Börsenblase war zerplatzt, die Spaßgesellschaft lag mit allen Aktienkursen am Boden, nur das gebührenfinanzierte TV feierte munter weiter. Im Sommer 2002 etwa lieferte das ZDF eine Wetten,dass..?-Produktion aus dem Euro-Disney-Park in Paris ab, die heute ungeschnitten ein Lehrfilm wäre. In dem Lehrfilm ginge es darum, was öffentlich-rechtliches Fernsehen nicht sein kann, und was Fernsehen grundsätzlich nicht machen sollte.

Thomas und Christoph Gottschalk, 2003

Kreative Lösungen: Unternehmer Christoph Gottschalk (links) hier mit seinem Bruder Thomas Gottschalk. 

(Foto: RUMPF, STEPHAN)

Norbert Schneider, damals Direktor der nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt, schrieb dem unmittelbar zuvor gewählten Intendant Markus Schächter nach der Ausstrahlung einen Brief. Er beklagte die Dreistigkeit von Schleichwerbung, von Produktplatzierungen in der von Thomas Gottschalk moderierten Show. Schneiders Vorstoß ist außergewöhnlich gewesen, denn die Landesmedienanstalten kontrollieren nur die kommerziellen Sender. ARD und ZDF kontrollieren sich selbst, über ihre Rundfunk- und Verwaltungsräte. Schneider war überhaupt nicht zuständig.

Inzwischen sind Gestern und Heute schwer vergleichbar. EU-Kommissare und deutsche Politiker haben neue Grundlagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geschaffen. Im aktuellen 13.Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist Product Placement unter Umständen erlaubt: in Filmen, Serien, Sportsendungen und Sendungen der leichten Unterhaltung - sofern ARD und ZDF nicht selbst Produzent sind über eine ihrer vielen Produktionstöchter, und sofern die Platzierung unentgeltlich geleistet wird.

2002 war Product Placement verboten. Wie oft, wenn etwas verboten ist, entwickelt sich ein kreativer Markt, der Lösungen anbietet, das Verbot zu umgehen - angeblich, ohne es rechtlich zu umgehen. Für das ZDF hat Gottschalk-Bruder Christoph mit seinem Unternehmen Dolce Media Kooperationspartner gewonnen, Firmen, die sich engagierten, um gewissermaßen als sechster Kandidat in der Familienshow aufzutauchen oder eine Party oder Außenwette auszurüsten.

Die allgemein als Produktionsbeihilfe deklarierte Partnerschaft funktionierte lange. Wetten, dass..? baute die Produkte in die Sendung ein, die Firmen bezahlten. Immer hieß es, das Placement sei in Übereinstimmung mit den Normen der Anstalt gesetzt. Bestenfalls räumte ein ZDF-Sprecher ein, dass es sensible Grenzbereiche gebe. Stets erfolgte der Hinweis, "dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen auf der Grundlage des Rundfunkstaatsvertrages verpflichtet sei, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen".

Das ZDF argumentierte folglich: Je mehr Gummibärchen, Autos oder Paketzusteller in einer Show untergebracht werden, desto wahrscheinlicher wird es, dass die Gebühren nicht erhöht werden.

Die Bild-Zeitung deckte nun auf, wie Warsteiner 2004 auf Product Placement setzte. Für 2005 plante der Bierbrauer mit einem Sponsoring-Budget für Wetten, dass..? in Höhe von 410.000 Euro. 2004 waren es noch 1,183 Millionen Euro. Etwas mehr als acht Minuten war das Bier-Logo laut Bild in den sieben Folgen 2004 zu sehen. Warsteiner war das offenbar zu wenig, das Investment zu hoch.

Das ZDF teilte an diesem Freitag mit: "Die Firma Dolce Media hat in Abstimmung mit dem ZDF einen Catering-Vertrag mit der Brauerei für die jeweilige Stadtwette. Diese Vereinbarung lief Ende 2005 aus. (...) Eine werbliche Inszenierung der Brauerei oder ihrer Produkte fand nicht statt. Diese Praxis ist auch nach derzeit gültigem Staatsvertrag zulässig."

Zulässigkeit und Programmverträglichkeit passen aber nicht immer zusammen. ZDF-Programmchef Thomas Bellut weiß das. Er genehmigt vieles nicht, das erlaubt wäre und geht wohl auch kompromisslos gegen Verstöße vor. Trotzdem hat er ein Problem: In den vergangenen 25 Monaten musste er vier Fälle versteckter Werbung klären - den "Fall Kiewel", den "Fall Fernsehgarten", den "Fall Lafer", und seit dieser Woche beschäftigt ihn der "Fall Schirmakazie" (eine Schauspielerin posiert im Film vor einem Parfümlogo, das dem Logo ihrer eigenen Pflegelinie ähnelt).

Schleichwerbung soll staatsvertraglich eigentlich ein Auslaufmodell sein. Nun drehte es im ZDF ein paar Runden zu viel.

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