ZDF und Schleichwerbung bei "Wetten, dass..?":"Gottschalk war eben Gottschalk"

Thomas Gottschalk bei "Wetten, dass..?"

Thomas Gottschalk bei Wetten, dass..?: Ist es tatsächlich möglich, dass der Programmchef, der gerne im Publikum saß, diese Vereinbarungen nicht kannte?

(Foto: dpa)

Der Fernsehrat verlangt Aufklärung der dubiosen Verträge über Gewinnspiele bei "Wetten, dass . . ?". Der ehemalige Moderator weist jegliches Fehlverhalten zurück - er habe nicht einmal ein Auto erhalten. Und das ZDF sagt, alles war in Ordnung.

Von Katharina Riehl, Claudia Tieschky und Thomas Fromm

Die neue Zeitrechnung sollte beim ZDF im Frühjahr 2004 beginnen. Es ging um nicht weniger als um das große Aufräumen mit Schleichwerbung, und der damalige Programmdirektor Thomas Bellut präsentierte damals seinem Aufsichtsgremium, dem Fernsehrat, interessante Zahlen: Er nannte Summen, die Konzerne bezahlt hatten, um in der aktuellen Staffel der Samstagabend-Sendung Wetten, dass . . ? vorzukommen. Es ging um Unternehmen wie Warsteiner, T-Mobile, Mercedes - und um Summen von 650.000, 900.000, 750.000 Euro.

Bellut brach ein Tabu, beim ZDF wollte er aber für mehr Transparenz sorgen. Intendant Markus Schächter ordnete an, die werblichen Geschäfte des Senders zu reduzieren. Kooperationen wurden 2004, gelöst, eine Clearing-Stelle eingerichtet.

Bei den großen Shows aber sollten die werblichen Elemente bleiben. Sie könne sich das ZDF ohne Partner nicht leisten, sagte Bellut damals. Und: Es wäre "nicht vermittelbar, wenn wir uns einen eigenen Fuhrpark mit Luxusautos zulegen würden", um die Stars zu kutschieren. Wetten, dass . . ? also blieb eine Veranstaltung mit viel Raum für die Einbindung von Auto und Handy. Eingeführt wurde damals aber die Nennung der Geldgeber im Abspann.

Also alles in Ordnung? Der Spiegel hat nun Verträge ausgegraben, die eines zeigen: Wie weit die Zugeständnisse gingen, die Dolce Media, das Unternehmen von Thomas Gottschalks Bruder Christoph, offenbar Unternehmen wie Daimler oder der Firma Solar World gemacht hat. Konkrete Regieanweisungen zitiert das Magazin aus den Dolce-Media-Verträgen für die Sendung. Bei Gewinnspielen sollen dem Sponsor der Preise Einwirkungen auf den Ablauf der Show zugesagt worden sein. Dass Wetten, dass . .? auch ein riesiger Produktzirkus ist, war stets bekannt. Wie weit das wohl ging, nicht. Die Verträge legen den Verdacht nahe, dass ein geschäftstüchtiger Vermarkter das ZDF über Jahre zu seinem Werkzeug gemacht haben könnte.

Und es dürfte für Bellut, den Aufklärer von 2004 und heutigen Intendanten, sehr unangenehm sein. So wie Bellut einzuschätzen ist, wird er aber auch diesmal in der Lage sein, daraus vor allem den Impuls zum Aufräumen zu setzen. 2013 laufen die Verträge mit Dolce Media aus, dann ist die Ära Gottschalk endgültig Vergangenheit.

Der Sender meldete sich am Montag mit einer ausführlichen Stellungnahme. Dem ZDF lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass "im Zusammenhang mit der Präsentation von Gewinnspielpreisen Schleichwerbung bei Wetten, dass . . ? stattgefunden habe. Von dem angegriffenen Vertrag von 2003 kenne das ZDF "nur einen Entwurf". Demnach sei "die redaktionelle Unabhängigkeit des ZDF und die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen gewährleistet". Dazu passt, was Dolce Media nun mitteilte: Man habe gegenüber "dem ZDF zu keinem Zeitpunkt Vorgaben gemacht, die die redaktionelle Freiheit des ZDF berühren". Zu keinem Zeitpunkt seien Rechtsvorschriften verletzt worden. "Insbesondere ist die Durchführung von Gewinnspielen rechtlich abgesichert." Christoph Gottschalk sei verreist und könne sich "erst nach seiner Rückkehr in die Aufklärung einschalten".

Das ZDF argumentiert, egal was Dolce Media in den Verträgen versprochen habe, im Programm selbst sei alles mit rechten Dingen zugegangen - spätestens seit nach einer "grenzwertigen Präsentation" 2007 die Clearing-Stelle des ZDF sowie Programmchef Bellut eingegriffen hätten: "Durch ein enges Zusammenspiel von Redaktion, Regie und Moderator wird seither sichergestellt, dass auch in schwer vorhersehbaren Situationen Gewinnspielpreise nicht zum Gegenstand von Moderationen oder Gesprächen werden, die einen werblichen Charakter entfalten können. Dazu erhielt der Moderator für jede Sendung einen von den Justiziariaten des ZDF und des ORF geprüften Text."

Gottschalk, hart getroffen

2007 - das war nach dem Vertrag von Dolce Media und Daimler (2003 bis 2006), seitdem ist Audi Vertragspartner bei Wetten, dass . . ?. Über die aktuellen Vertragsinhalte ist nichts bekannt. Audi bestätigte auf SZ-Anfrage, dass man einen gültigen Vertrag mit Dolce Media habe, die redaktionelle Entscheidung über die Präsentation der Autos liege aber alleine beim ZDF. Der Vertrag mit Audi läuft Mitte 2013 aus. Im Unternehmen soll man nach SZ-Informationen eher erwarten, dass die Kooperation nach den Vorwürfen nicht fortgesetzt wird.

Eine ganz andere Frage stellt sich angesichts der Vertragsdetails aber auch: Ist es tatsächlich möglich, dass der Programmchef, der bei Wetten, dass . . ? gerne im Publikum saß, diese Vereinbarungen nicht kannte? Und wenn es so war: Müsste ein öffentlich-rechtlicher Sender nicht kontrollieren, welche Deals gemacht werden?

Der Fernsehrat des ZDF, der für die Programmaufsicht zuständig ist, hat eine Politikerdichte wie sonst vermutlich nur der Bundestag in Berlin. Es sind dieselben Aufsichtsgremien, die mit Chefredakteuren erbittert über die parteipolitische Färbung von Dreiminutenbeiträgen in Magazinsendungen streiten. Schauten sie bei Wetten, dass. . .? nicht genug hin? Der langjährige Chef der Mainzer Staatskanzlei und ZDF-Fernsehrat Martin Stadelmaier, SPD, sagte der SZ: "Diese Dinge liegen sehr lange zurück, aber der Fernsehrat hat sich immer wieder mit dieser Frage beschäftigt und auch Korrekturen vorgenommen." Johannes Beermann, CDU-Staatskanzleichef aus Sachsen, sagt dagegen: "Gottschalk war eben Gottschalk. Wenn es Fehlverhalten gab - die Sachverhalte sind rechtlich und im Ablauf ohne die konkreten Unterlagen kaum zu beurteilen - müssen sie zügig aufgeklärt werden."

Ruprecht Polenz, Chef des Fernsehrats, will die Sache bei der nächsten Sitzung zum Thema machen. Die Mediensprecherin der Bundestags-Grünen, Tabea Rößner, findet, das ZDF müsse "schnell und lückenlos" aufklären. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass "das ZDF das Dolce Vita Einzelner befördert."

Von Dolce Vita will der Anwalt von Thomas Gottschalk jedenfalls nicht wissen. Er meldete sich Montagnachmittag zu Wort. Der Moderator sei "weder Vertragspartner der im aktuellen Spiegel erwähnten Verträge", noch an den Verhandlungen oder Abschlüssen beteiligt gewesen. Ihm persönlich sei daher in diesem Zusammenhang auch keinerlei Fehlverhalten vorzuwerfen.

Schwer treffe Gottschalk, hieß es, der vermittelte Eindruck, er habe aufgrund von Verträgen oder Gewinnstreben den verunglückten Wettkandidaten Samuel Koch in seiner Fahrzeugwahl bei der verhängnisvollen Wette beeinflusst. Im Gegenteil habe er bei der Probe "eindringlich abgeraten, über eine Limousine zu springen", und Samuel mehrfach "beschworen", sich mit den Smarts zufrieden zu geben.

Und wichtig ist ihm auch: Gottschalk habe weder, wie der Spiegel schreibe, einen Mercedes zur Verfügung gestellt bekommen, noch "jemals privat eines der Audi Modelle genutzt, mit denen er im Artikel abgebildet wird". Für das ZDF wird das noch nicht alle Fragen beantworten.

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