ZDF-Talk zu Globalisierungsverlierern:Gabriel weigert sich, den Illner-Talk mit einer Knallermeldung zu retten

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Erneut umschiffte Sigmar Gabriel die Anwort auf die K-Frage

(Foto: imago/Metodi Popow)

Niemand brüllt, alle dürfen ausreden - das ist das Positive am Illner-Talk zum Thema Globalisierungsverlierer. Der Rest ist ein substanzloser Galopp durch den Problemgarten.

TV-Kritik von Hans Hoff

"Keine Sendung ohne diese Frage", sagt Sigmar Gabriel und versucht so etwas wie ein Stöhnen in seine Stimme zu legen. Das gelingt ihm nicht sehr überzeugend, denn er hat an diesem Donnerstagabend offenbar Kreide gefressen, um vor allem staatstragend daherzukommen und nicht durch seine berüchtigte Unbeherrschtheit aufzufallen.

Deshalb kann ihn auch die absehbare Frage von Maybrit Illner nicht schocken. Natürlich will die wissen, ob er denn jetzt Kanzlerkandidat wird oder nicht. So etwas fragt man natürlich als Moderatorin, wenn man schon mal den Bundeswirtschaftsminister und SPD-Vorsitzenden zu Gast hat.

Vielleicht hat Illner ganz kurz gehofft, dass sie aus ihrer Diskussionsrunde wenigstens mit einer Knallermeldung aussteigen kann. Gabriel macht's. Das wäre doch eine Schlagzeile, die alle vergessen ließe, dass die Plauderrunde, die gerade absolviert wurde, eine eher müde war. Aber Gabriel schweigt eisern.

"Wir haben ein ziemlich großes Rad gedreht", sagt deshalb die Gastgeberin zum Abschied und versucht damit den Umstand zu bemänteln, dass sie 66 Minuten lang weitgehend wahllos von Thema zu Thema gehoppelt ist und sich dem angekündigten Problembereich nur gelegentlich mal genähert hat.

"Gewinne steigen, Jobs verschwinden - wer kümmert sich um die Verlierer?", lautete die Frage, die über der ZDF-Talkshow schwebte, was vorsichtshalber mal so schwammig formuliert war, dass man unter solch eine Schlagzeilenfrage notfalls auch die Erörterung von Bundesligabegegnungen hätte packen können.

Immerhin geht es zivilisiert zu

Bezeichnend für die Substanz dieser Show steht Illners Frage an einen Diskussionsteilnehmer. "Schauen auch Sie mit einem sorgenvollen Auge in die Zukunft?", will sie zwischendrin wissen. Was für eine Frage. Genauso gut hätte sie fragen können, ob jemand gegen schlechtes Wetter ist, wenn er ein Picknick geplant hat.

Wollte man partout etwas Positives über diese Gesprächsrunde sagen, könnte man anmerken, dass es höchst zivilisiert zuging. Niemand brüllte, und die meiste Zeit konnte jeder gepflegt ausreden. Mit fünf Diskussionsteilnehmern am Tisch galoppierte Illner quer durch den angrenzenden Problemgarten.

Sie thematisierte kurz den SPD-Niedergang, ließ den Sinn von Hartz 4 erörtern, den VW Skandal streifen, überhöhte Boni anprangern, Elektromobilität fordern und Leiharbeiter bedauern. Für jeden etwas dabei, und am Ende der Chose hatte jeder etwas gesagt, aber niemand wirklich etwas Substantielles beigetragen.

Dauerabfrage gefälliger Statements

Im Hintergrund hatte Illner eine Moderne-Zeiten-Deko installieren lassen. Viele Zahnräder waren dort zu bewundern, und eines präsentierte sich schwarz-rot-golden, warum auch immer. Irgendwas mit Industrie und Deutschland wird wohl gemeint gewesen sein. Irgendwas lautet dann auch das Motto der Redebeiträge. Alle sagen was, und fast nie gibt es bei dieser Dauerabfrage gefälliger Statements bemerkenswerte Widerworte.

Ein, zwei Mal macht wenigstens Katja Kipping kurz den Versuch, sich gegen die Aussagen von Gabriel aufzulehnen, der Hartz 4 verteidigt und sagt, dass die Globalisierung zwei Seiten haben könne und man nicht alle Volkswagenmitarbeiter wegen Dieselgate zum Buhmann machen dürfe. Aber immer wenn die Vorsitzende der Linken zum Widerspruch ansetzt, erteilt die Stuhlkreis-Dompteuse Illner lieber dem anwesenden Volkswirtschaftsprofessor oder dem Wirtschaftsjournalisten oder dem Autoverbandspräsidenten in der Runde das Wort und lässt damit die Luft raus.

Facebook-Nutzer als Showstopper

Oder sie hat als Showstopper ein paar Facebook-Nutzer parat, die auch noch unbedingt zu Wort kommen sollen, um zu zeigen, dass diese Sendung aber so was von hip ist, was soziale Medien angeht. Spätestens da keimt der Gedanke, dass man sich die Gäste am Tisch demnächst auch sparen kann. Man liest dann nur noch Twitter- oder Facebook-Posts vor, befragt Betroffene und täuscht so Vielfalt vor. Am Ende der Illner-Sendung hat dann fast ein Dutzend Menschen etwas gesagt, und das meiste klang gar nicht mal falsch.

Dann ist noch ein Einspieler übrig, der nicht ungenutzt vergammeln soll. Er dreht sich um Gabriel, um das, was der so alles zu tun hat, um die Gefahren, denen man als Wirtschaftsminister begegnet. "Wo ist das Problem", brummelt Gabriel danach selbstzufrieden, aber bevor er noch Substantielles addieren kann, ruft Illner lieber nochmal den Autoverbandspräsidenten auf, der nicht nur Gabriel selbst, sondern auch dessen Einsatz für den Freihandel und das zugehörige Abkommen Ceta lobt.

Da versucht Kipping, sich ein letztes Mal aufzulehnen, aber sie dringt erneut nicht durch. Schon ist Illner dabei, die nachfolgende Sendung mit Markus Lanz anzukündigen. Da wird auch geredet. Sicherlich mindestens genauso belangvoll.

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