ZDF-Sitcom mit Sascha Hehn:Mensch, spiel dich doch mal selbst

ZDF-Pressetermin zu 'Lerchenberg'

Sascha Hehn spielt sich in der ZDF Sitcom "Lerchenberg" selbst.

(Foto: dpa)

Neues aus der Anstalt: Das ZDF holt den "Traumschiff"-Kapitän Sascha Hehn als Helden einer Sitcom. Es ist der Versuch von öffentlich-rechtlicher Selbstironie. Den meisten Mut dabei zeigt Hehn, der sich in den ersten vier Folgen selbst spielt.

Von Harald Hordych

Es ist wie früher, Sascha Hehn, groß und kerzengerade, steht in der Mitte, er lächelt, und sechs Frauen stehen um ihn herum und lächeln auch.

Es könnte das ZDF-Traumschiff sein, es könnte die Schwarzwaldklinik sein, geheilte Patientinnen lächeln auch so, oder Angehörige von geheilten Patientinnen. Aber es ist nur das Foyer der Sendebetriebsgebäude des Zweiten Deutschen Fernsehens, und Sascha Hehn ist nicht mehr blond, er ist nicht als Kapitän des Traumschiffs und auch nicht als Dr. Udo Brinkmann aus der Schwarzwaldklinik angetreten. Er trägt Jeans und ausgelatschte Birkenstock-Schuhe und er hat einen Foto-Termin für eine neue Serie, und die Frauen sind vor allem ZDF-Frauen, die in ihrem Leben schon einiges gemacht haben, aber bestimmt noch keine Serie mit Sascha Hehn.

Die verantwortlichen Damen des Kleinen Fernsehspiels, der unangepasstesten, manchmal sprödesten und nicht selten spannendsten Feature-Abteilung des Zweiten Deutschen Fernsehens posieren mit einem der größten Quotenbringer dieses Senders. Das hätte sowohl Hehn als auch Claudia Tronnier, der Leiterin des Kleinen Fernsehspiels, vor 20 Jahren mal jemand sagen sollen. Lerchenberg heißt eine neue Sitcom, deren Hauptfigur Sascha Hehn heißt, gespielt von Sascha Hehn.

Draußen umwabert Nebel die 70er-Jahre-Verwaltungsbauten des ZDF, dann fängt es auch noch an zu schneien, es würde vielleicht helfen, jetzt das Traumschiff anzukündigen, sich ein bisschen wegträumen zu können von Mainz-Lerchenberg, aber Sascha Hehn und das ZDF werden vorerst für vier Folgen ganz bei sich sein: Das Foyer, von dem aus die großen Nachrichtenstudios und das ZDF-Sportstudio erreicht werden können, sieht aus wie der Eingangsbereich einer Problemzonen-Gesamtschule. Niedrige Decken, viereckige Betonsäulen, riesige Abluftröhren, grüne Türen, gelbe Wände. Anders als die schick durchgestylten Studiowelten sind die Räumlichkeiten betont nüchtern gehalten. Die Botschaft: Hier werden keine Gebühren verprasst.

Eine Portion Selbstironie ist vonnöten

"Wir gehen jetzt in die K-Zone", sagt eine Presse-Dame. Es klingt, als ob jetzt eine Delegation von Verwaltungsbeamten zum Etatjahresabschlussgespräch beordert würde. So ist diese große Sendeanstalt nun mal ein bisschen: Landratsamt und Glamourherstellungsfabrik. Und wer sich eine Weile auf den langen Fluren umtut, der merkt, dass eine Portion Selbstironie vonnöten ist, um Außenstehende an dieser Welt teilhaben zu haben.

Noch mehr Selbstironie aber muss Sascha Hehn, 58, zeigen. Er spielt sich in mancher Hinsicht selbst, also den Mann, der immer einen gut aussehenden, blonden, hilfsbereiten Idealschwiegersohn gespielt hat. Vor allem aber spielt er jetzt einen Sascha Hehn, dessen Karriere ins Stocken geraten ist. So sehr, dass in dieser Sitcom eine ehemalige Geliebte, die beim ZDF Redaktionsleiterin ist, versucht, ihm beim ZDF eine letzte Chance zu verschaffen. Hehn (gespielt von Hehn) wird von einer dazu verdonnerten natürlich total ernsthaften Assistentin (Eva Löbau) wie sauer Bier angeboten, kratzt an allen Büro-Türen und hat wohl auch im Lauf der Jahre unangenehme Wesenszüge entwickelt. Den Mut, den Sascha Hehn der Redaktion attestiert, muss man wirklich auch Sascha Hehn bescheinigen.

Ein Format, das Hehn auf den Leib geschrieben wurde

Ihm fällt die alberne Rolle vielleicht leichter, weil er im richtigen Leben gerade erst zum Kapitän des Traumschiffs zurück zum ZDF-Dienst berufen wurde. Das ZDF wagt es wiederum, weil hinter dem "schwierigen Prinzip der Selbstreferentialität" die Redaktion des Kleinen Fernsehspiels steckt - und "die durften immer schon Sachen ausprobieren, die ein bisschen unter dem Radar durchgehen", wie Katharina Dufner erklärt.

Mit ihrer Kollegin Milena Bonse, Regisseur Felix Binder sowie den Produzenten Maren Lüthje und Florian Schneider entwickelte sie ein Format, dass es so noch nicht in Deutschland gegeben habe - es wurde Hehn auf den Leib geschrieben. Und es folgt natürlich dem großen Vorbild amerikanischer Insider-Serien wie 30 Rock oder Curb your Enthusiasm, die aus der Innenwelt des Fernsehens berichten, sehr komisch und sehr gnadenlos. Es wird die Frage sein, wie viel sich die Macher einer Sitcom trauen werden, die aus dem Inneren einer ordentlichen deutschen Fernsehanstalt Geschichten erzählen wollen.

"Und zwar deutsche Geschichten, keine abgekupferten amerikanischen", sagt Produzent Florian Schneider. "Wir wissen, dass es zwischen deutschen und amerikanischen Serien eine große Kluft gibt, aber wir wollen mit unseren tollen Darstellern und tollen Drehbuchautoren nur die Mechanismen der Serien wie die dramaturgischen Muster und die aufwendigen Autorenteams kopieren. Mehr aber nicht."

Angst vor Selbstzensur hat an diesem trüben Wintertag niemand. Hehn findet die Bücher großartig. Und dass so etwas "nur einer machen konnte, der so bekannt ist wie ich. Das war auch eine Chance für etwas Neues."

Dass alles ein Experiment ist, wird daran ersichtlich, dass die Serie vorerst nur aus vier Folgen à 25 Minuten besteht und "um Ostern herum", so Claudia Tronnier, erst in ZDF neo und dann bald im Hauptprogramm ausgestrahlt wird. Lerchenberg soll näher an die Prime Time herangerückt werden als das Kleine Fernsehspiel, das im ZDF entweder kurz vor und kurz nach Mitternacht kommt. Sascha Hehn wünscht sich jedenfalls, dass ein Erfolg dazu führt, "dass noch der ein oder andere Kollege dazukommt. Und sagt: Mensch, jetzt spiel ich mich auch mal selber und krieg auch mal richtig einen druff. Dann wird das ein ewiges Format."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: