ZDF-Sendung:Zu Gast bei Freunden

Neues aus dem Kulturbetriebsnudelbüro: Bevorzugt das "Literarische Quartett" den Verlag Kiepenheuer & Witsch?

Von Christopher Schmidt

Hätte Christine Westermann nicht kurzfristig absagen müssen, weil sie krank geworden war, wäre es in der am Freitagabend ausgestrahlten vierten Ausgabe des Literarischen Quartetts im ZDF zu einer Situation gekommen, die man wahlweise lustig oder skandalös finden kann - in beiden Fällen unter der Rubrik: Neues aus dem Kulturbetriebsnudelbüro. Drei Autoren aus demselben Verlag hätten dann nämlich mit einem Gast, der ebenfalls in ihrem Verlag publiziert, über ein Buch gesprochen, das seinerseits in diesem Verlag erscheint. Der Verlag, der diese Exklusivität genießt, ist der Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch (Kiwi), das Buch Benjamin von Stuckrad-Barres Panikherz.

In der Dienstagsausgabe der Neuen Zürcher Zeitung hat Rainer Moritz, Leiter des Hamburger Literaturhauses, Literaturkritiker und selbst fleißiger Buchautor, spöttisch aufgespießt, was offenkundig ist: dass es im neuen Literarischen Quartett eine Unwucht zugunsten eines einzigen Verlags gibt. Es gehört ja zu den Konstruktionsfehlern der neu aufgelegten ZDF-Literatursendung, ein Stammtrio eingesetzt zu haben, dessen Mitglieder alle im selben Verlag veröffentlichen.

Das Prekäre dieser Konstellation verdichtete sich jedoch, als Maxim Biller, Christine Westermann und der Moderator und Spiegel-Journalist Volker Weidermann als Gast der aktuellen Ausgabe Eva Menasse und damit eine weitere Kiepenheuer-Autorin ins Boot holten. Natürlich findet kein ernst zu nehmender Autor ein Buch nur deshalb gut, weil es im eigenen Verlag erscheint. Und andere schlecht, weil sie in anderen Verlagen erscheinen. So ist es auch hier. Aber wenn ausschließlich Autoren aus einem Verlag über das Buch eines anderen Autors aus ihrem Verlag diskutieren, spielt es keine Rolle, ob sie sein Buch in den Himmel heben oder verreißen. Und deshalb macht es sich Volker Weidermann zu einfach, wenn er am Telefon Nachfragen nonchalant an sich abperlen lässt. Proporzdebatten nennt er "ermüdend, langweilig und blöd". In solchen Kategorien denke er eben nicht, auch wenn das vielleicht naiv sei.

Das ZDF rechnet anders - und sieht deshalb keine Probleme

Doch es geht gar nicht darum, dem Literarischen Quartett Parteilichkeit bei der Auswahl der zu besprechenden Bücher zu unterstellen, wie Rainer Moritz das tut, oder Befangenheit im kritischen Urteil. Und auch bei der Zusammenstellung der Stammbesetzung dürften andere Kriterien ausschlaggebend gewesen sein als die jeweilige Verlagsbindung. Unabhängig von all dem bleibt es eine strukturelle Schwäche der Sendung, dass ihre Teilnehmer immer auch als Autoren, und zwar als Kiwi-Autoren, im Schaufenster sitzen.

Der Kiwi-Verleger Helge Malchow sagt im Gespräch mit der SZ, ihn beschäftige bereits seit Längerem dieses relativ neue Phänomen, dass Journalisten als Buchautoren mindestens genauso erfolgreich seien. Er sieht das jedoch nicht als Problem. Nach seiner Beobachtung stärken mehrfache Loyalitäten - im Fall des Literarischen Quartetts als Fernsehprominente, Journalisten und Buchautoren - die Autonomie gegenüber den verschiedenen Institutionen. "Als ich erstmals von der Zusammensetzung der Kritikerrunde erfuhr, habe ich zunächst einen Schreck bekommen, weil ich eher Nachteile befürchtete: dass unsere Bücher besonders kritisch unter die Lupe genommen werden oder gar nicht erst vorkommen."

Das ZDF weist den Vorwurf der "Verlags-Monokultur" schlicht dadurch zurück, dass es zwei ständige Mitglieder der Sendung nicht als Kiwi-Autoren zählt. Dort heißt es: "Von den festen Mitgliedern des Quartetts ist nur Maxim Biller so etwas wie ein ,Hausautor' von Kiepenheuer & Witsch." Der Verlag sieht das anders. In einer Rundmail feiert er gerade den internationalen Erfolg seines Autors Weidermann mit dem Bestseller Ostende 1936. Sommer der Freundschaft. Das Buch ist der derzeitige Spitzentitel bei Kiwi.

Dass es oft so erschien, als wären Kiwi-Bücher in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) bevorzugt behandelt worden, solange Weidermann dort verantwortlicher Literaturredakteur war, wirkt ebenso wenig vertrauensbildend wie die Tatsache, dass in der aktuellen Sendung über das neue Buch von Antonia Baum gesprochen wird, einer Kollegin Weidermanns bei der FAS, bevor dieser im vergangenen Jahr zum Spiegel wechselte. Oder dass der Galiani-Verlag mit einem Zitat aus Volker Weidermanns Besprechung für den neuen Roman von Karen Duve wirbt. Galiani ist ein Tochter-Verlag von Kiwi. Vielleicht sollte das ZDF die Sendung im Interesse der Transparenz einfach umbenennen. Der Name, der sich anböte, ist aber leider schon vergeben: Kölner Treff.

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