ZDF-Samstagabendshow:"Versteckte Kamera" mit Gätjen: Lass es eine Parodie sein

Die versteckte Kamera 2016; "Versteckte Kamera" im ZDF

Was will der Mann? Steven Gätjen und Uri Geller hantieren mit Golfschlägern

(Foto: ZDF / Patrick Seeger)

Mit dem muffigen 80er-Jahre-Konzept zeigt das ZDF, dass es keine Samstagabendshows kann. Wobei: Der Abend bietet immerhin zwei interessante Momente.

TV-Kritik von Hans Hoff

Die Hoffnung stirbt um 23.22 Uhr. Da ist die neue ZDF-Show Die versteckte Kamera 2016 zu Ende. Niemand ist auf die Bühne gekommen und hat gesagt, dass all das zuvor Erlittene eine einzige Verlade war, dass man den Zuschauern drei Stunden und sieben Minuten lang muffiges 80er-Jahre-Entertainment als vermeintlich frische Unterhaltungsware angedreht hat, als Parodie vielleicht oder als Protest gegen den Druck, immer wieder Neues erfinden zu müssen. Einfach mal was Steinaltes als neu ausgeben, so tun, als könne man im ZDF noch große Show. Das wäre wenigstens eine Idee gewesen.

Aber niemand ist gekommen, um aufzuklären. Es war nicht, wie erhofft, ein Fehler in der medialen Matrix, und deshalb muss man das, was das Zweite da am Samstagabend ausgesandt hat, als bitteren Ernst verstehen. Man blättert als Beobachter danach flugs im Telefonbuch, weil man sich rasch entschuldigen möchte bei allen Mitwirkenden, die man je für Verstehen Sie Spaß? in der ARD gescholten hat. Die machen echt geile Versteckte-Kamera-Sachen da drüben im Ersten. Und den Guido Cantz, den Moderator dort, hat man bislang völlig verkannt.

Wow, weltexklusiv aus Duisburg

Der Wunsch, das ganze Samstagabendgeschehen als ironische Aktion des ZDF verstehen zu wollen, keimt schon um 20.15 Uhr zum Start. Da wird die Show als "live aus Duisburg" gepriesen. Wow! Duisburg! Paradise City. Mehr Glamour geht nicht. Und dann kündigt Moderator Steven Gätjen die acht von Prominenten gedrehten Verlade-Filme mit der versteckten Kamera auch noch als "weltexklusiv" an. Weltexklusiv aus Duisburg. Da kann Las Vegas einpacken. Eat this, America!

Dann wird noch eine "Hammer-Jury" angekündigt, aber in der sitzen dann doch nur Heiner Lauterbach, Carolin Kebekus und Til Schweiger. Sie sollen die Filme ihrer schmerzbefreiten Kollegen "knallhart" beurteilen und werden deshalb öfter mal sagen, dass ein Einspieler toll war. Wenn er nicht toll war, dann war er super oder schön.

Gekommen sind zu dieser Show eine ganze Menge der handelsüblichen Verhaltensauffälligen, also Personen, die man schon so lange nicht vermisst hat. Die Jungs von Boss Hoss etwa, die man ja sonst kaum mal im Fernsehen sieht, sind dabei und zerschrammeln zwischendrin hundserbärmlich eine schöne Dolly-Parton-Nummer. Und Ralf Möller ist anwesend, der hauptberuflich einen Prominenten spielt, der immer wieder behauptet, er habe mal in wichtigen Filmen mitgewirkt. Und Uwe Ochsenknecht und Matthias Schweighöfer und Michelle Hunziker, die mal was mit Gottschalk hatte. Oder mit Eros? Ach, wer will das wissen.

Steven Gätjen könnte so etwas interessieren. Der ehemalige Pro-Sieben-Mann ist der neue Moderator beim ZDF. Früher hat er halbwegs erfolgreich versucht, den Hausherren bei Schlag den Raab zu domestizieren. Deshalb waren sie auf dem Mainzer Lerchenberg der Ansicht, so einer könne mal so richtig frischen Wind ins ZDF bringen. Außerdem trägt er einen Hipster-Bart, also irgend so eine Wuschelbehaarung, die man von Angehörigen der Taliban und arbeitslosen Berliner Drehbuchautoren kennt.

Wenn man etwas Gutes über Steven Gätjen sagen möchte, könnte man anmerken, dass er ein guter Oberkellner wäre. Er kann sich Sachen merken, kann Sätze unfallfrei aussprechen, und hier und da hat er sogar eine kecke Bemerkung parat. Als etwa Jury-Präsident Til Schweiger eine Nummer ausnahmsweise nicht durchweg supertoll findet, gibt Gätjen den Kessen. "Die ausführliche Kritik von Til Schweiger finden sie dann auf Facebook mit ganz vielen Ausrufezeichen", sagt er. Ho, ho, der traut sich was. Hat man ja noch nie gehört! Ein Gag über Schweigers inflationären Ausrufezeichengebrauch!!!!

Das wirklich Gute an Gätjen ist aber vor allem seine Diskretion. Kaum hat er seine Ansage vollendet, verschwindet er komplett aus der Erinnerung des Zuschauers und belästigt diesen nicht mit eventuell zu befürchtenden Eruptionen von Charisma oder Originalität. So wie sich das für einen ganz dem Dienstleistungsgedanken verpflichteten Oberkellner nun mal gehört.

Leider hat diese wenig nachhaltige Bildschirmpräsenz von Gätjen auch einen Nachteil. Sie lenkt die volle Aufmerksamkeit auf das Showkonzept, das im Jahre 2016 eigentlich nicht mehr als solches bezeichnet werden dürfte. Wer es Show nennt, dass man acht Verladefilme zeigt und erst eine Jury und am Schluss die Zuschauer über den besten Film abstimmen lässt, hat von Show keine Ahnung oder arbeitet beim ZDF, was ungefähr auf dasselbe hinausläuft.

"30 Opfer in einer verrückten, tierischen Nacht"

Einmal läuft in Duisburg ein Dinosaurier durch die Zuschauerreihen, und die erste Assoziation ist nicht Angst, sondern der Gedanke, dass zu seiner Zeit so eine Show bestimmt mal ein Hit war.

Aber dann gehört der Dino nur zum Beitrag von ZDF-Fernsehkoch Nelson Müller, der am Ende von den Zuschauern als bester Filmlieferant gekürt werden wird. In seinem Film erschreckt Müller Ahnungslose, denen er aus einer Tiefkühltruhe entgegenspringt oder denen er nachts einen als Riesenspinne verkleideten Hund in den Weg schickt. Als einziger hat Müller verstanden, worauf es bei guten Versteckte-Kamera-Filmen ankommt. Schneller Schreck, schneller Gag.

"30 Opfer in einer verrückten, tierischen Nacht", jubelt er am Ende seines Beitrags, bei dem es vor allem Frauen sind, die sich in einsamen Gängen oder düster ausgeleuchteten Tiefgaragen zu Tode erschrecken. Als problematisch hätte man bei solch einem Film die an sich komplett überflüssige geografische Verortung einschätzen können, aber sehr offensichtlich fand man es beim ZDF eine tolle Idee, ohne zwingenden Grund immer wieder per Dom-Einblendung darauf hinzuweisen, dass der ganze Horror sich in Köln abspielt. Das bringt den einzig halbwegs kritischen Kommentar aus der Jury ein, denn die sonst um eine knackige Derbheit selten verlegene Komikerin Carolin Kebekus beurteilt den Beitrag zurückhaltend als "Sehr, sehr schön, aber auch sehr asi."

Selbst für die Jugend ist was dabei

Weniger asi sind die restlichen sieben Filme, die ein bisschen wirken, als wären sie für eine vom Sender lange vernachlässigte Zielgruppe entstanden. Man kann dementsprechend erstaunlich finden, wie viel Geld das ZDF an einem Samstagabend für ein Programm ausgibt, das man, abgesehen von Müllers Beitrag, problemlos auch im Kinderprogramm hätte versenden können.

Selbst für die Jugend ist was dabei. Oder besser gesagt: Soll was dabei sein. Irgendwann schießt Gätjen ein gestelltes Foto, auf dem angeblich zu sehen ist, wie Schweighöfer von seinem Kollegen Florian David Fitz eine gelangt bekommt. Das lädt er bei Twitter hoch und liest nach zehn Minuten ein paar Tweets vor. Deutlicher kann man der Netzkultur draußen nicht klar machen, dass man keinerlei Ahnung hat, wie sie tickt.

Dass der Zuschauer schließlich aus der Show dann doch noch was lernen kann, verdankt er einigen eher unfreiwilligen Nebensätzen, die wohl aus Schludrigkeit hineingeraten und dann dringeblieben sind.

Zum einen ist da die Anmerkung Schweighöfers zu nennen, dass das ZDF-Team seines Beitrags mit der Bitte an ihn herangetreten sei, seine Verlade-Aktion zu wiederholen, weil der überraschte Florian David Fitz bei der Ursprungsaktion zu wenig Reaktion gezeigt habe. Das habe er natürlich abgelehnt, sagt Schweighöfer, lenkt aber damit die Aufmerksamkeit auf die Frage, wie das ZDF mit der Überraschung in Überraschungsfilmen sonst so umgeht.

Den anderen großen Moment liefert Ralf Möller, der am Beginn seines Einspielers die Jungs von Boss Hoss ganz herzlich begrüßt, mit ihnen vertraut plaudert, nach Plänen fragt und so weiter. Als sie zur Tür heraus sind, will er dann von einer Frau wissen, wer die beiden eigentlich gewesen seien und offenbart damit einen Grundsatz aus der Showbranche: Immer erst einmal zu jedem sehr freundlich sein und so tun als ob. Auch wenn man von nichts eine Ahnung hat.

Für diese beiden Momente hat sich Die versteckte Kamera 2016 gelohnt. Für alles andere nicht.

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