ZDF-Fernsehfilm "Das Attentat: Sarajevo 1914":Finstere Interessen

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Wider das habsburgische Zwangsregiment: Der Attentäter Gavrilo Princip (Eugen Knecht) bei der Tat. (Foto: ZDF)

Das mit der Machtpolitik und dem Zustand von Österreich-Ungarn war vor Beginn des Ersten Weltkriegs doch recht kompliziert. Darum strickt das ZDF aus dem Attentat von Sarajevo einen Verschwörungskrimi à la "JFK". Historisch korrekt ist das nicht - bisweilen sogar absurd.

Von Willi Winkler

Der Kaiser, den Gott darum bis ins 87. Jahr erhielt, konnte seinen designierten Nachfolger nicht leiden. Der eigene Sohn, der vielgeliebte Erzherzog Rudolf, hatte sich durch Selbstmord seiner dynastischen Pflicht entzogen, jetzt sollte den Kaiserthron der Neffe Franz Ferdinand besteigen.

Der hatte sich dummerweise mit einer Frau aus niederem Adel verbunden und sich damit unmöglich gemacht; seine Kinder durften nicht mal mehr seinen guten habsburgischen Namen tragen. Kurz, als dieser ungewollte Thronfolger am 28. Juni 1914 durch die Kugel des bosnischen Serben Gavrilo Princip gestorben war, weinte ihm in Wien außer Karl Kraus keiner eine Träne nach.

"Ich habe nichts verbrochen", erklärt der 19-jährige Attentäter (Eugen Knecht), "ich habe einen Tyrannen ermordet." Der Student Princip ist Teil einer nationalistischen Gruppe, zu der auch (das muss jetzt sein) Nedeljko Čabrinović, Vaso Čubrilović, Miško Jovanović und Danilo Ilić gehörten.

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Sie wollten ihr Land aus dem habsburgischen Zwangsregiment befreien, sind also Idealisten, und die Kugel fliegt dokufiktional in Zeitlupe. Dass zumindest der serbische Geheimdienst an dem Attentat beteiligt war, ist seit fast genau hundert Jahren bekannt.

In seinen " Schlafwandlern" teilt der Historiker Christopher Clark den Serben eine große Mitschuld am Kriegsausbruch zu. Beim ZDF neigt man aber, wie zuletzt bei der Militarian-Harmonists-Serie Unsere Mütter, unsere Väter, seit je zu einer verschlankten Geschichtsdeutung.

Bloß ein Film

Deshalb wird das Attentat gefördert und finanziert von einer kriegslüsternen österreichischen Kamarilla. Heino Ferch ist bei dieser deutsch-österreichisch-tschechischen Ko-Produktion nicht nur aus ZDF-Proporzgründen dabei, sondern, um finstere deutsche Interessen durchzusetzen. Warum auch nicht, es ist doch bloß ein Film.

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Der Regisseur Andreas Prochaska ( Das finstere Tal) wollte aber erkennbar keinen Kostümfilm, sondern einen Polit-Krimi in der Art von JFK. Bei Oliver Stone war es der Staatsanwalt Jim Garrison, der beim Attentat von Dallas einer riesenhaften Ver-schwörung auf der Spur war, hier ist es der Untersuchungsrichter Leo Pfeffer, der aufklären will und nicht aufklären darf, weil der Krieg doch längst beschlossen ist. Und so radelt Pfeffer (Florian Teichtmeister) eifrig durch tschechische Kulissen, verhört und recherchiert und kommt der allfälligen riesenhaften Verschwörung auf die Spur.

Mit Pfeffer im Bett

Den weiblichen Faktor im Kriegsgeschrei liefert die Serbin Marija Jeftanovic (Melika Foroutan), die gemessen an der damaligen Kleiderordnung und auch sonst erstaunlich schnell aus dem Korsett hüpft und mit Pfeffer im Bett liegt, wo sich post-koital folgender Dialog über eine mögliche gemeinsame Flucht nach Paris entspinnt: (Sie:) "Was willst du in Paris machen? (Er:) "Kinder. Vier Stück. Mit dir. Das Geschlecht ist mir egal."

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Leider hält der Film dieses absurde Niveau nicht, sondern muss besagte Verschwörung aufdecken, die es zwar nicht gibt und nicht gab, aber als Weltkriegserklärungsgrund doch mehr hergibt als umständliche Ausführungen über Großmachtpolitik und den wackligen Zustand der Donaumonarchie.

Das Drehbuch von Martin Ambrosch geht offensichtlich auf einen Roman des aus Serbien stammenden Schriftstellers Milo Dor zurück. Die ewig masochistischen Wiener führen seit Anfang des Monats im Theater an der Josefstadt eine Dramatisierung des Sohnes Milan Dor auf. Das ZDF, geschichtsbewusst wie immer, sendet den Film am Todestag Gavrilo Princips.

Das Attentat: Sarajevo 1914 . ZDF. 20.15 Uhr

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Von Hubert Wetzel
© SZ vom 28.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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