ZDF-Affäre der CSU:Wie Pressesprecher Journalisten unter Druck setzen

Pressesprecher wollen die Medien beeinflussen und machen deshalb Druck auf Journalisten. Das ist in Ordnung. Es ist ihr Job. Solange sie die Grenzen wahren und sich Journalisten davon nicht kirre machen lassen.

Thorsten Denkler, Berlin

Horst Seehofer und der EX-CSU-Sprecher Michael Strepp: Es ist eine Herausforderung für Journalisten, die nötige Distanz zu Politikern und ihren Sprechern zu bewahren.

Horst Seehofer und Ex-CSU-Sprecher Hans Michael Strepp: Es ist eine Herausforderung für Journalisten, die nötige Distanz zu Politikern und ihren Sprechern zu wahren.

(Foto: dapd)

So plump, so dreist, wie offenbar der inzwischen nur noch Ex-CSU-Sprecher Hans Michael Strepp versucht haben soll, Einfluss zu nehmen, gehen Pressesprecher in der Regel nicht vor. Es ist klar, beide Seiten brauchen sich: Journalisten wollen Informationen. Pressesprecher haben - in der Regel - Informationen, je länger die Leine ihrer Chefs ist, desto mehr. Und sie wollen sie loswerden.

Aber Sprecher und Journalisten haben grundsätzlich andere Interessen. Journalisten wollen alles wissen, die ganze Wahrheit. Sprecher wollen ihre Chefs, ihr Organisationen, ihre Parteien - kurz: ihre Arbeitgeber - gut dastehen lassen.

Vor allem in der Politik sind Sprecher mehr als anderswo auf Journalisten angewiesen. Politiker wollen gewählt werden, Parteien ebenso. Dafür brauchen sie Öffentlichkeit. Und die stellen, trotz neuer Möglichkeiten für jeden, digital zu publizieren, vor allem Journalisten her.

Andererseits brauchen Journalisten für ihre Berichterstattung Informationen aus dem Zentrum der Macht. Politiker, zumal dann, wenn sie in Spitzenpositionen sitzen, stehen nicht jederzeit für ein Interview oder ein Hintergrundgespräch bereit. Darum sind gut informierte Sprecher von enormer Bedeutung für den Informationsfluss. Sie erklären, wie ihr Chef tickt oder wie dessen Gegner ticken und kennen sich in den Fachgebieten ihres Chefs wenigstens so gut aus wie dieser selbst.

Natürlich versuchen Sprecher, die öffentliche Meinung über die veröffentlichte Meinung zu beeinflussen. Das ist ihr täglicher Job. Dafür werden sie bezahlt, und das geschieht auf unterschiedlichste Weise. Nur selten so oberflächlich polternd wie im Fall Strepp.

Es beginnt damit, einfach einen guten Umgang mit Journalisten zu pflegen. Dazu gehört, die Berichterstattung niemals im Vorfeld direkt zu beeinflussen, also etwa auf eine Nichtveröffentlichung von kritischen Beiträgen hinzuwirken. Im besten Fall bleiben sie entspannt, wenn in einem Kommentar mal wieder der Rücktritt des Brötchengebers gefordert wird. Dann können sie ihren Chef beruhigen und danach gelassen mit dem Autoren mal einen Kaffee trinken gehen.

Auch Journalisten machen inhaltliche Fehler. Werden Zahlen falsch wiedergeben, gewichtige Argumente außer Acht gelassen oder nur ein falscher Geburtsort aufgeschrieben, dann rufen Sprecher auch direkt in den Redaktionen an und erklären die Sachlage. Was völlig legitim ist.

Druckmittel der Sprecher

Druck gibt es dennoch. Sehr subtilen Druck allerdings. Berichtet ein Journalist wiederholt kritisch über einen Politiker, dann kann es passieren, dass er auf der nächsten Auslandsreise nicht mehr mitgenommen wird. Sprecher versorgen einzelne Journalisten, die ihnen wichtig erscheinen, auch mit Exklusivinformationen: Papiere, Referentenentwürfe für neue Gesetze, Zitate und Interviews. Das kann auch ein Belohnungs- und Bestrafungssystem sein: Belohnung für wohlgesonnene Journalisten. Bestrafung für Journalisten, die solche Informationen plötzlich nicht mehr bekommen.

Sprecher organisieren Hintergrundgesprächsrunden mit ihren Chefs, wenn diese eine gewisse Bedeutung erlangt haben. In den Runden wird meist vermeintlich offen "unter drei" gesprochen. Was bedeutet, dass nichts nach außen dringen darf. Allerdings lassen sich die Runden, in denen sich tatsächlich etwas Erwähnenswertes abspielt, an wenigen Fingern abzählen.

Die Frage, ob jemand in oder out ist, wird von manchen Journalisten dennoch eher über- als unterschätzt. Deshalb ist auch das ein Druckmittel für Sprecher. Wer schlecht über eine Partei schreibt, wird zu den Runden nicht mehr oder gar nicht erst eingeladen.

Es hängt dann oft vom Medium ab, wie lange so ein Bann vorhält. Auf die auflagen- und quotenstarken Meinungsführer kann so schnell kein Sprecher dauerhaft verzichten. Wer für vermeintlich eher kleine Medien arbeitet, dem kann es passieren, dass ein Bann nie aufgehoben wird.

Strepp hätte es wissen müssen

Für politische Journalisten bedeutet das vor allem eines: sich nicht kirre machen lassen. In der Politik lassen sich leichter als etwa in der Wirtschaftsberichterstattung Informationen auch über Umwege beschaffen. Oft sind Sprecher auch nicht erste, sondern letzte Ansprechstation während der Recherchen. Informanten können Abgeordnete sein, deren Sprecher, Ministerialbeamte, Verbandsvertreter. Im besten Fall braut sich eine Geschichte um einen Sprecher zusammen, ohne dass der etwas merkt.

Wie so häufig hängt alles vom persönlichen Kontakt ab, vom Vertrauen. Die Herausforderung ist, dabei immer die nötige Distanz zu wahren. Wer heute gut mit einem Sprecher auskommt, muss dennoch morgen in der Lage sein, ihm den Sumpf in dessen eigenem Haus vorzuhalten und darüber zu berichten.

Strepp ist auch so ein Fall. Er war allseits angesehen und geachtet. Aber er hat die Grenzen des Zulässigen überschritten, unredlich gehandelt. Dafür musste er gehen. Er hätte es wissen müssen.

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