Neuordnung bei Gruner + Jahr:Kommerz und Inhalt

Bislang gibt Julia Jäkel keine Interviews. Trotzdem wird nun klarer, wie sie Gruner + Jahr steuern will, nachdem sie im September in der Vorstand aufgestiegen ist. Die 40-Jährige setzt auf eine Handvoll Vertrauter, zu denen etwa "Brigitte"-Chef Stephan Schäfer zählt. Bei manchen im Verlag löst das eine mittlere Glaubenskrise aus.

Lisa Priller-Gebhardt und Katharina Riehl

Gruner + Jahr: Schäfer wird Verlagschef bei Life

Tradition des "unternehmerisch agierenden Journalisten": Brigitte-Chefredakteur Stephan Schäfer (links) wird nun auch Geschäftsführer des Frauenmagazins. Außerdem folgt er bei Gruner + Jahr Julia Jäkel (rechts) in der Funktion des Verlagsgeschäftsführers der Life-Gruppe nach. 

(Foto: dpa)

Das innere Gleichgewicht am Hamburger Baumwall liegt auch in der Hand eines Schreiners. Im dritten Stock des Verlagsgebäudes soll er im ehemaligen Büro des Vorstandsvorsitzenden Bernd Buchholz eine Trennwand einziehen. In das Büro ist kürzlich die neue Vorstandsfrau Julia Jäckel eingezogen, ihr Zimmer soll nun etwas kleiner werden - so klein etwa wie die ihrer Vorstandskollegen. Man will wohl den Eindruck einer prima inter pares vermeiden.

Im September stieg Julia Jäkel, zuvor Verlagsgeschäftsführerin für die Life-Gruppe (Brigitte, Schöner Wohnen) zum Vorstand auf; Buchholz ging. Von ihr wird viel erwartet, eine Digital-Strategie etwa - attraktive Beteiligungen und gewinnbringende E-Commerce-Plattformen sind bisher vor allem im Portfolio der Konkurrenten von Burda, Holtzbrinck und Springer zu finden. Zudem verlieren die großen Magazine Brigitte und Stern Leser, auch bei den Anzeigen tun sich beide schwer. Und vor allem über die Zukunft der Financial Times Deutschland wird viel spekuliert.

Julia Jäkel gibt bislang keine Interviews, und doch hat man zuletzt einen ersten Eindruck bekommen, wie und mit wessen Hilfe sie den Verlag in den kommenden Jahren steuern könnte. Sie setzt auf eine Handvoll Vertrauter: Neben der Verlegerin Angelika Jahr, deren berufliches Erbe sie 2008 mit der Verlagsleitung von Essen & Trinken und Schöner Wohnen antrat und wie deren Eltern sie ihre Zwillinge benannte, sind das vor allem zwei Männer: Christian Krug, dem Jäkel die Gala anvertraute, und natürlich Stephan Schäfer, den sie zum Brigitte-Chef machte und dem sie gerade neben der redaktionellen auch wirtschaftliche Verantwortung übertrug. Schäfer gibt drei seiner fünf Chefredaktionen ab (Essen & Trinken, Häuser, Couch) und folgt Jäkel als Verlagsgeschäftsführer der Life-Gruppe.

Schäfer ist damit (gemeinsam mit Co-Chefredakteurin Brigitte Huber) nun sowohl inhaltlich als auch wirtschaftlich für Brigitte verantwortlich, und was man dort nun verändern will, dürfte die Begeisterung über die neue Führung erst einmal mäßig nur steigern. Am Donnerstag bestätigte der Verlag auf Anfrage zahlreiche Einschnitte - Ziel sei es "die Qualität der Brigitte zu verbessern, sie inhaltlich zu stärken und die Redaktion effizienter aufzustellen".

Brigitte werde sich demnach von einzelnen Mitarbeitern trennen, betroffen sei beispielsweise das "Living Ressort" und der Leserservice; die Heftreihe Brigitte Balance wird eingestellt - die letzte Ausgabe erscheint bereits am 5. Dezember; Hintergrund sei "die mangelnde wirtschaftliche Perspektive". Zudem werde die Brigitte-Versuchsküche mit der Küche des Magazins Essen & Trinken zusammengeführt. Kurzum: Es wird gespart. Und mit Jäkel und dem Chefredakteur-Geschäftsführer Schäfer sind solche Schritte offenbar schnell umzusetzen.

Viele befürchten engere Verknüpfung von Redaktion und Geschäft

Schon bevor die Kürzungen bei Brigitte bekannt wurden, sollen die Reaktionen am Baumwall auf das neue Amt für Stephan Schäfer gemischt gewesen sein. Die einen sehen Schäfer als "Jahrhunderttalent", blattmacherisch wie im Anzeigenverkauf; "die Kunden lieben ihn", sagt der Marketingchef eines Konkurrenzverlages. "So einer kann bestens redaktionelle Umfelder schaffen, in denen sich Anzeigenkunden wohl fühlen", sagen Gruner-Manager.

Bei anderen im Verlag hat Schäfers Berufung in die Geschäftsführung eine mittlere Glaubenskrise ausgelöst, viele befürchten eine engere Verknüpfung von Redaktion und Geschäft. Sie stellen sich diese Frage: Sollte ein Chefredakteur nicht seine Redaktion vor den Begehrlichkeiten der Geschäftsführung schützen, anstatt diese in Personalunion zu stellen?

Betriebsrat beschwert sich bei Presserat

Man führe damit die Tradition des "unternehmerisch agierenden Journalisten fort", hieß es bei Schäfers Ernennung. Das ist natürlich PR-Prosa, und wahr ist auch: Chefredakteure wie Werner Funk (Stern) oder Anne Volk (Brigitte), die als Beispiele genannt wurden, führten die Titel zu einer Zeit, als die Vokabel "Printkrise" noch nicht fester Bestandteil des Blattmacher-Wortschatzes war. In Zeiten schrumpfender Auflagen und Anzeigenerlöse, in Zeiten von E-Commerce und Sonderveröffentlichungen, hat die Verknüpfung von kaufmännischer und journalistischer Verantwortung einen anderen Beigeschmack.

Die Sorge um Nähe von redaktionellen Inhalten und Kommerz ist nicht neu. Im September hatte der Betriebsrat intern auf einen Fall bei Essen & Trinken hingewiesen, es ging um ein Extraheft "in Kooperation mit Autostadt (Volkswagen)": In drei von sechs Artikeln sei "ausdrücklich in eigener Sache" über Autostadt berichtet worden - man sah die Redaktion "in unzulässiger Weise für Verlagsinteressen missbraucht". Der Compliance-Ausschuss prüfte, behandelte die Ergebnisse aber auch intern vertraulich. Der Betriebsrat hat sich inzwischen beim Presserat beschwert.

Gruner + Jahr verweist dazu nun auf ein Interview mit Stephan Schäfer in Horizont. Der erklärt da, das Compliance-Gremium sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kundenkommunikation "eindeutig und ausreichend" als solche gekennzeichnet sei - lediglich sei angemerkt worden, "dass künftig im Impressum eine klarere Kennzeichnung des Auftraggebers erfolgen solle". Der Verlag fügte hinzu, es werde "definitiv keinen Schwenk in Richtung Gefälligkeitsjournalismus und PR-Blattmache geben". Und Schäfer ließ bei Horizont auch wissen: Einen Konflikt wegen seiner neuen Doppelrolle sehe er nicht.

Alles ok, soll das heißen, doch im Verlag wird gerade jetzt so manches besonders kritisch angeschaut. In Heft 10/2012 von Essen & Trinken zum Beispiel verweist das Inhaltsverzeichnis inmitten der bebilderten Anrisse von verschiedenen Beiträgen auch auf eine Anzeige eines Sektherstellers - die finde sich auf Seite 82. Das Wort "Anzeige" ist zwar am oberen Rand zu lesen, aber Anmutung und Schriften ähneln den anderen Themenanrissen auf der Inhalts-Seite schon sehr. Kann ein Leser da noch zwischen Inhalt und Werbung unterscheiden? Der Verlag erklärt, die Trennung zwischen Redaktion und Anzeige sei gewährleistet, weil diese "als Anzeige klar und deutlich gekennzeichnet" sei.

Auch Jäkels zweite Neubesetzung Christian Krug wird von den Anzeigenkunden geschätzt - und auch bei seiner Benennung gab es Kritik. Der neue Gala-Chefredakteur verantwortet nicht nur das People-Blatt, sondern führt auch das firmenfinanzierte Lufthansa-Magazin weiter und ist Editorial Advisor für die Firmenzeitschriften. Der Deutsche Journalisten Verband erklärte, Auswirkungen auf die journalistische Unabhängigkeit zu befürchten. Vom Verlag hieß es dazu auf Anfrage, man sehe bei Christian Krug "keine Gefährdung der redaktionellen Unabhängigkeit".

"Abhängigkeit ist Geschäftsgrundlage"

Dass Krug sich mit Abhängigkeiten zumindest auskennt, zeigte er, als er seine Karriere als Chefredakteur des Lifestyle-Titels Max beendete. Via Spiegel ermöglichte er dem staunenden Laien Einblicke in die Verflechtungen von Modejournalisten und Anzeigenkunden - von eingeforderter "redaktioneller Unterstützung" erzählte er. Im Modejournalismus gehe es nicht darum, ob ein Medium von den Anzeigen abhängig sei. "Diese Abhängigkeit ist Geschäftsgrundlage. Es geht allenfalls um das wie weit?", schrieb Krug 2008.

Am 21. November tagt der Aufsichtsrat von Gruner + Jahr. Auch mit den Sorgen von innen könnte sich Jäkel noch beschäftigen müssen.

In einer vorherigen Version des Textes hieß es, Julia Jäkel habe ihre Kinder nach den Eltern von Angelika Jahr benannt und nicht wie. Julia Jäkel legt aber Wert darauf, ihr Kinder nach ihren eigenen, namensgleichen Urgroßeltern benannt zu haben.

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