"Wetten, dass..?" mit Markus Lanz:Jetzt mit Senioren-Wette

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Ärger mit Hollywood-Stars ist nach dieser "Wetten, dass..?"-Sendung nicht zu erwarten, denn die waren gar nicht da. Die Highlights der Show verdankt Markus Lanz hochkarätigen Musik-Acts, einem Mädchen mit Computer-Hirn und einer neuen Wett-Kategorie.

Eine TV-Kritik von Sarah K. Schmidt

Vielleicht haben Tom Hanks, Halle Berry und Denzel Washington rumgetratscht, dass auch amerikanische Filmstars in der "german freakshow" erniedrigendem Klamauk ausgesetzt werden könnten. Vielleicht war Hollywood aber auch einfach nur wegen der Oscar-Verleihung am Tag darauf verhindert. Fest steht: Markus Lanz' fünfte "Wetten, dass...?"-Sendung musste allein mit deutschen und österreichischen Gästen als Wettpaten stattfinden.

Es wirkte ein wenig wie eine Notbesetzung, wen Markus Lanz da in einem Reisebus mit übereifrig abgeklebtem Mercedes-Stern nach Friedrichshafen gekarrt hatte. Kabarettist Michael Mittermeier, Tatortkommissarin Simone Thomalla, Schauspielerkollege Axel Prahl, Torwart-Titan Olli Kahn und Österreichs Skifahrer-Legende Hermann Maier. Für die nach 1990 Geborenen durften auch die kürzlich aus dem Dschungelcamp entlassene Drag-Queen Olivia Jones und Joey Heindle, der Gewinner der umstrittenen RTL-Show, kurz auf der Couch in trendigem Grau-Orange platznehmen, bevor sie zur Betreuung der Stadtwette entsendet wurden.

Die niedrigkarätige Besetzung mag auch Mitschuld an der mäßigen Quote tragen: 8,57 Millionen Menschen sahen zu. Das ist zwar eine Quote von immerhin 22,8 Prozent und mehr als die RTL Konkurrenz-Veranstaltung "DSDS" verzeichnen konnte, aber der niedrigste Wert bislang in Lanz' kurzer "Wetten, dass ...?"-Karriere.

"Schlimmer kann es nicht mehr werden"

Passend zur Gästeliste verfolgten Moderator Markus Lanz und Cindy aus Marzahn - als Assistentin bis Sommer fest eingekauft - zum Beginn der Show das Motto "Schlimmer kann es nicht mehr werden". Ilka Bessin, in ihrer Paraderolle als Plattenbau-Prinzessin, zwängte sich in bayerisch angehauchte Tracht. Deutlich zu viel Aufwand für einen einzigen mauen Brüderle-Witz: "Er sagte mir an einer Bar, ich könnte drei Dirndl ausfüllen..." Unterboten nur noch von: "Ich habe noch etwas Pferd im Zahn nach einer Büchse Ravioli."

Vom Jetlag-müden Mittermeier war nicht viel Unterstützung zu erwarten, Axel Prahl steuerte ein paar Geschichten aus seiner offensichtlich wilden Jugend bei, die beiden Sport-Veteranen Kahn und Maier füllten vor allem physisch den ihnen zugedachten Platz aus und langweilten sich mehr oder weniger offensichtlich.

Und Simone Thomalla? Die ZDF-Schnulze der Schauspielerin mit dem kreativen Titel "Frühlingsgefühle", zu der ein Trailer gezeigt wurde, kann wohl kaum ausreichend für die Einladung gewesen sein. Doch zum Glück ist ihre Tochter mit Rammstein-Frontmann Till Lindemann liiert - und Heino hat einen Rammstein-Titel gecovert. Und gleich wird der blonde Sonnenbrillen-Barde bei "Wetten, dass...?" auftreten. Fertig ist die Moderation. Um die gelungen hinzubekommen, musste Markus Lanz denn auch angestrengt auf seine Kärtchen schauen.

Dass der Fernsehabend dennoch ein paar Highlights zu bieten hatte, lag an den Musik-Acts und Wettkandidaten. Die siebenjährige Lina überzeugte in der bewährten Kategorie Kinder-Wette, die wie immer außer Konkurrenz lief. Keiner der Couch-Gäste hatte verstanden, worum es eigentlich gehen sollte - als die Drittklässlerin auch schon begann einzelne Worte in die Nullen und Einsen eines Computer-Binärcodes zu "übersetzen". Die Begriffe stammten von den Wettpaten, Olli Kahn hatte sich "Tor" für sie erdacht und gerade beim ersten und kürzesten Begriff, passierte ein Fehler. "Barbie" - 01000010 01100001 und so weiter - sowie "Kommissar" und "Zwerg" meisterte das Zahlentalent aber mit Bravour.

Überhaupt zeigte sich Lina als durch und durch höfliches Kind. Cindy, die sich mittlerweile in den gewohnten pinken Hausanzug geworfen hatte, fragte das Mädchen, was es von ihren Schuhen halte. "Die sind schon cool", antwortete Lina, woraufhin Cindy sogleich ein Paar in Kindergröße ihrer scheußlichen Pantoffeln mit pinker Pudel-Fratze hervorzauberte. Schnell legte Lanz dann doch noch die Reise ins Disneyland Paris obendrauf - wobei sich dieses Kind vermutlich mehr über einen Ausflug ins Silicon Valley gefreut hätte.

Es menschelt nun auch beim ZDF

Neben der Kinder-Wette hatte "Wetten, dass...?" eine weitere Sonderkategorie im Programm. Offensichtlich will sich das ZDF entschiedener auf das gehobene Durchschnittsalter der Zuschauer einstellen - mit der Senioren-Wette. Offiziell wird die zwar nicht so genannt. Aber was sonst könnte der dafür Grund sein, dass Reinhold Sack, laut Lanz "der älteste, der stärkste, der beste Wagenheber der Welt", in seinem schwarz-glänzenden Gewichtheber-Body auf das Samstagabend-Publikum losgelassen wurde? Mit einem kleinen Bäuchlein über dem Ringergürtel stemmte der 66-jährige Glatzkopf drei Go-Karts während des Boxenstopps zum Reifenwechsel.

Die übrigen Wetten bewegten sich im unteren Mittelfeld - und jede gelang. Ein schniefender Trick-Fahrradfahrer öffnete mit den Speichen seines Spezialrads 20 Bierflaschen. Der gute Mann war nicht nur gesundheitlich stark angeschlagen, sondern auch emotional. Nach gewonnener Wette schüttelten den Hornberger abwechselnd Husten- und Weinkrämpfe. Sein verstorbener Vater habe die Idee zu seiner Wette gemeinsam mit ihm entwickelt. Persönliches Schicksal wird nicht nur im Nachbarprogramm RTL bei DSDS honoriert, Daniel Rall wurde mit großem Abstand Wettkönig des Abends.

Justin Timberlake: ein "grundsympathischer Zeitgenosse"

Die hochkarätigen Musik-Gäste zeigten umso deutlicher den Kontrast zum provinziellen Rest der Show, allen voran Justin Timberlake - ein "grundsympathischer Zeitgenosse" und absolut "tiefenentspannt", wie Markus Lanz nicht müde wird zu betonen. Muss er auch sein, denn Timberlake darf nach seiner Darbietung noch auf dem Sofa Platz nehmen.

Ganz spontan folgt dann noch ein Elvis-Presley-Ständchen, begleitet von Meister Lanz persönlich am Keyboard. So langsam macht er tatsächlich Stefan Raab Konkurrenz. Bei seinen Moderationen und im Gespräch zeigt Lanz sich zwar noch immer hölzern und uninspiriert. Mit umso mehr Elan stürzt er sich in alle Aktionen, die Körpereinsatz von ihm fordern.

Dem ZDF-Intendanten dürfte kurz flau in der Magengegend geworden sein, als Markus Lanz partout auch noch einmal den Bocksprung probieren musste und mit Schwung, dafür aber kopfüber, gen Mattenboden stürzte. Alles noch mal gut gegangen: nur das Knie gestoßen. Für gefühlte 15 Stunden Wochen-Sendezeit muss vorerst kein Ersatz gesucht werden.

"Guck dir den Dieter an, der hat sogar ein Auto..."

Das große Finale: Heino, fast 75, singt einen Hit seines neuen Cover-Albums: "Junge, warum hast du nichts gelernt? Guck dir den Dieter an, der hat sogar ein Auto..." Währenddessen marschieren hundert Friedrichshafener Freizeit-Transvestiten, wie Olivia Jones sie nennt, auf. "Und dann noch deine Haare, da fehlen mir die Worte. Musst du die denn färben?"

"Wetten, dass..?" mit Markus Lanz im Dezember
:Schön betulich

So kann "Wetten, dass..?" auch sein: Keine Hektik, kein Durcheinander. Lästermäuler werden sagen: Ziemlich langweilig. Aber die Frauen nahmen in Lanz' dritter Sendung gerne das Heft in die Hand.

Es ist der schönste, der wahrhaftigste Moment der Show. Musikalisch verschmelzen der Schlagerstar und Die Ärzte, dazu ein gut gelauntes Spektakel, bärtige Gesichter unter Perücken, ein souveräner und entspannter Moderator - da ist "Wetten, dass...?" so wie es sein soll und ganz bei sich. Für dieses versöhnliche Ende der durchwachsenen Show wird Markus Lanz seinen Wetteinsatz sicher gern zahlen: Er wird am nächsten Morgen im Bodensee baden gehen.

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