"Wetten, dass..?" im ZDF:"Ganz schön ausgelutscht"

'Wetten dass ..?' aus Halle/Saale

Weniger laue Witze als sonst: Markus Lanz bei "Wetten, dass..?" aus Halle.

(Foto: dpa)

Nach der Oktober-Ausgabe von "Wetten, dass..?" hagelte es viel Kritik. Auch unser Autor schimpfte: Alte-Leute-Fernsehen! Diesmal wollte er wissen, was die oft vermutete Zielgruppe von der Show wirklich hält und hat sie sich gemeinsam mit seinem 80-jährigen Großvater angesehen. Dessen Urteil fällt deutlich aus.

Von Matthias Kohlmaier

Sechs Wochen ist es her, dass Markus Lanz mit einem ermüdenden Auftritt in Bremen in seine zweite Saison als "Wetten, dass..?"-Moderator gegangen ist. Ich habe die Übertragung damals als Dauerwerbesendung wahrgenommen, die als Samstagabendshow getarnt ist. Und als gänzlich eingestaubtes Fernsehen für eine uralte Zielgruppe. Oder kurz: "TV-gewordene 'Bild der Frau'".

Was aber denken alte Menschen wirklich über "Wetten dass..?"? Um das herauszufinden, habe ich den Samstagabend diesmal mit jemandem vor dem Fernseher verbracht, der es wissen muss - meinem 80-jährigen Opa.

Der wird schon leicht nervös, wenn er nicht mindestens zehn Minuten vor Beginn der "Tageschau" in seinem Fernsehsessel sitzt, lässt sich gern von den Carmen Nebels und Florian Silbereisens dieser Welt bespaßen und guckt "Wetten, dass..?" mit seltenen Unterbrechungen schon immer. Anders gesagt ist er genau der Zuseher, von dem die Programmverantwortlichen von ARD und ZDF nachts träumen. Den Lanz "mit seinen Kinkerlitzchen", sagt er, kann er nicht besonders leiden. Zum Glück setzt er sich trotzdem mit seinem Enkel und einer Flasche Rotwein an diesem Samstagabend vor den Fernseher.

Und das Fazit von Opa und Enkel fällt nach dem ersten Teil der Sendung überraschend positiv aus. "Solange der Lanz nur mit den Leuten plaudert, ist es ganz okay", sagt Opa und: "Zum Glück hat er sich heute noch nicht allzu sehr zum Affen gemacht." Tatsächlich ist ZDF-Dauermoderierer Lanz bedeutend souveräner als zuletzt. Der Plausch mit Fußballer Lukas Podolski gerät recht kurzweilig, die erste Wette ebenso. Dann kommt "Titanic"-Chanteuse Céline Dion und Lanz zeigt leider doch, was er nicht kann.

Nachdem Dion gesungen hat, will Lanz sie auf der Couch an einer ganz bestimmten Stelle drapieren. Klappt nicht, die Dame setzt sich grinsend woanders hin. Als sie dann endlich an der gewünschten Stelle Platz genommen hat, sitzt der Übersetzungknopf im Ohr nicht richtig und es bedürfte ein wenig Spontaneität, um das Gespräch trotzdem in Gang zu kriegen. Aber Lanz kennt keine Spontaneität. Er schaut hilfesuchend an der Kamera vorbei, ob nicht irgendwer ein Pappschild hochhält, auf dem steht, wie es weitergehen könnte.

Als wahnsinnig vielseitigen Moderator haben sie diesen Markus Lanz beim ZDF immer gepriesen. In solchen Situationen stellt sich die Frage: Merken die jetzt gerade, dass das nicht stimmt? Man kann von Thomas Gottschalk halten, was man will - aber der goldgelockte Show-Zampano hätte so eine Situation noch mit einem dutzend Haribo-Lakritzschnecken im Mund locker wegmoderiert. Was meinst du, Opa? "Dem Lanz fehlt einfach der Esprit von Gottschalk." Eben.

"In Las Vegas lachen die sich doch über sowas kaputt"

Wobei auch Gottschalk vermutlich keine Pointe mehr einfallen würde, wenn zum gefühlt 1000. Mal eine Wette ansteht, bei der jemand mit schwerem Gerät eine filigrane Arbeit erledigt. Vor sechs Wochen hatte ein Mann mit seiner Dampfwalze Bierflaschen entkorkt, diesmal hängten zwei Männer mit ihren Baggern Socken auf eine Wäscheleine. Auch der 80-Jährige auf der Couch neben mir findet das "ganz schön ausgelutscht". Markus Lanz nicht, der findet eigentlich immer alles ganz toll, super, Wahnsinn. Und möchte, dass auch alle anderen alles ganz toll, super, Wahnsinn finden. Und so ergibt sich folgendes "Gespräch" über die Baggerwette zwischen Lanz, Céline Dion (die eine eigene Show in Las Vegas hat), Opa und Lukas Podolski:

Lanz zu Dion: "Das wär doch was für Las Vegas."

Dion zu Lanz: "Hhmmm."

Opa zu Lanz: "In Las Vegas lachen die sich doch über sowas kaputt."

Lanz zu Podolski: "Lukas, haste sowas schon mal gesehen?

Podolski zu Lanz: "Nö."

Lanz zu Podolski: "Aber schon toll, oder?"

Podolski zu Lanz: "Ja, schon."

Wenig später hat sich die Gäste-Couch ordentlich gefüllt, neben Podolski und Dion schauen die Schauspieler Armin Rohde, Diana Amft, Elyas M'Barek, Model/Schauspielerin Barbara Meier, Entertainer/Moderator/Sänger Florian Silbereisen und ganz kurz Sängerin/Skandalnudel Miley Cyrus vorbei. Letztere erscheint überraschend großflächig bekleidet, der Rest ihres Auftrittes ist nicht der Rede wert. Silbereisen wurde vor dem Auftritt wie immer das Grinsen hinter den Ohren festgetackert, sein minutenlanges PR-Geschwafel findet sogar Opa, sonst Silbereisen-Fan, ärgerlich: "Dieses Gesäusel hat der doch gar nicht nötig."

Um 23.15 Uhr geht schließlich mit der obligatorischen halben Stunde Verspätung (Opa: "Die überziehen doch nur, weil sie schon immer überzogen haben") eine Sendung zu Ende, die ein klein bisschen kurzweiliger war, als der vorangegangene Auftritt in Bremen. Markus Lanz hat nicht ganz so viele laue Witzchen gemacht, die Gespräche mit den Gästen waren zwar PR-lastig, aber erträglich, die Wetten nicht aufregend, aber in Ordnung. Das macht aber klar: Das ZDF wird den "Wetten, dass..?"-Gaul reiten, bis er tot zusammenbricht. Es werden immer mal wieder bessere Ausgaben dabei sein, wie die gestrige aus Halle an der Saale. Das ist aber Zufall und hat nichts damit zu tun, dass das Showkonzept noch zeitgemäß wäre.

Mein Opa sagt, als wir nach der Lanzschen Abmoderation bereits zu den "Tagesthemen" umgeschaltet haben: "'Wetten, dass..?' ist halt seichte Unterhaltung. Man kann hinschauen oder auch nicht." Ob er denn beim nächsten Mal wieder einschalten wird, will ich wissen. "Mal schauen, vielleicht", sagt er. Von diesem "vielleicht", das wie ein "wahrscheinlich" klingt, wird "Wetten, dass..?" noch eine Weile leben können. Gratulation.

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