Wetten dass..?:Die Fragen nach dem Sturz

Das ZDF gerät nach dem schrecklichen Unfall bei "Wetten dass..?" in die Kritik. Der Kandidat war schon bei den Proben gestürzt, der Sender ließ die Wette trotzdem zu - warum?

Seit 1981 läuft auf dem ZDF die Show Wetten dass..?, 192 Folgen und manche gefährliche Wette hat es seitdem gegeben - doch noch nie einen solch schrecklichen Moment wie am Samstag in Düsseldorf, als der Schauspielstudent Samuel bei seiner Wette schlimm stürzte und noch in der Nacht auf die Intensivstation eines Krankenhauses gebracht wurde.

Schwerer Unfall bei 'Wetten, dass..?'

Moderator Thomas Gottschalk brach am Samstagabend "die Wetten dass..?"-Sendung nach einem schlimmen Unfall ab.

(Foto: dapd)

Doch während nun die Angehörigen um den Gesundheitszustand des Wettkandidaten bangen und der eigentlich als Show-Act vorgesehene Justin Bieber dazu aufrief, für Samuel und seine Familie zu beten, werden die Fragen an den übertragenden Sender immer lauter.

Denn während Moderator Thomas Gottschalk noch in der Sendung auf die zahlreichen geglückten Versuche in der Probe hingewiesen hatte, zitierte die Badische Zeitung den Kandidaten mit Worten, die Gottschalks Aussage widersprechen. Am Donnerstag sei er "zweimal schwer gestürzt", hatte Samuel Koch vor der Sendung dem Blatt gesagt. "Der Wettteil klappt noch nicht. Allerdings sind die Voraussetzungen so, dass es in der Sendung funktionieren könnte." Am Sonntag bestätigte das ZDF, dass es bei den Proben einen Sturz gegeben habe. Dieser sei aber "völlig undramatisch" gewesen.

Spiegel Online zitierte zudem aus ZDF-internen Dokumenten, nach denen Samuel seine Wette selbst als gefährlich einstufte. "Es ist ein ekelhaftes Gefühl, Autos, die auf einen zufahren, entgegenlaufen zu müssen", soll er danach gesagt haben. Schwierig sei auch, dass die Sprünge bei jedem Auto unterschiedlich hoch und lang sein müssten.

Bisher hatte es bei den 192 Folgen erst drei nennenswerte Verletzungen gegeben. Einmal schlug sich Gottschalk die Lippe auf, einmal stürzte seine Co-Moderatorin Michelle Hunziker mit einem Motorroller - und im Oktober 2008 brach sich ein Kandidat beim Versuch, mit einem BMX-Rad über ein Einfamilienhaus zu springen, das Bein.

Schon immer in der Sendungsgeschichte gab es gefährliche Wetten. "Ich erinnere mich an junge Leute, die Hauswände hochgeklettert sind, und an einen jungen Mann, der mit Skateboards über ein Haus gesprungen ist", sagte Gottschalk selbst am Abend des Unfalls in der ZDF-Nachrichtensendung heute-journal. Pikanterweise war als zweite Wette des Abends ein Motorrad-Stunt vorgesehen.

Nun stellen sich viele Zuschauer die Frage, ob der Sender die Gefahr der Wette hätter erkennen - und sie ablehnen müssen. "Es ist ein Unfall passiert", sagte Gottschalk nach Angaben von Spiegel Online in einem Treffen nach der Sendung den ZDF-Mitarbeitern. "Es ist deswegen so furchtbar, weil wir in einer Konkurrenzsituation sind." Dabei habe er gedacht, er habe für die Sendung "genau das Paket, um gut auszusehen".

"in einer Konkurrenzsituation" befindet sich der Sender unter anderem mit RTL. Dort läuft samstags derzeit mit Top-Quoten die Sendung Das Supertalent. Zuletzt machte die Show unter anderem auf sich aufmerksam, weil dort ein Hypnotiseur reihenweise Zuschauer und Jury-Mitglieder manipulierte oder ein Samurai-Künstler eine Gurke abschlug, die an den Hinterkopf eines Menschen angebunden war. Manchen Zuschauern drängt sich nun ein übler Verdacht auf: Wollte das ZDF mit ähnlichen Aktionen mithalten gegen die private Konkurrenz?

Der Sender kündigte Konsequenzen für die Auswahl künftiger Wetten an, verteidigte aber zugleich die Entscheidung für die riskante Wette. "Alle Wetten werden von Redaktion, Produktion und einem Sicherheitsingenieur des ZDF erst nach intensiver Begutachtung freigegeben", sagte ein Sprecher. "Der Kandidat hatte in enger Absprache mit dem ZDF die Durchführung der Wette intensiv geprobt. Herr Koch ist neben seinem Studium in Hannover als freier Akrobat und Stuntman tätig und aktiver Kunstturner." Gleichwohl werde das ZDF den Ablauf und die Ursachen des Unfalls in allen Details noch einmal überprüfen und aus dem Ergebnis Konsequenzen bei der Auswahl von Wetten ziehen.

Laut Spiegel Online stellte Gottschalk bei dem Treffen indirekt sogar die Zukunft von Wetten dass..? in Frage. Wenn die ZDF-Sendung die Zukunft des jungen Mannes nachhaltig verbaut haben sollte, "dann muss man sich ernste Gedanken machen, inwieweit man diese Sendung mit der gleichen Unbedarftheit fortführen kann", wird Gottschalk zitiert.

Ein ZDF-Sprecher hingegen wollte Gerüchte, nach denen der Zwischenfall das Samstagabend-Flaggschiff zum Schwanken bringen könnte, nicht kommentierten. "Natürlich steht jetzt der Zustand von Samuel im Mittelpunkt. Alle anderen Dinge werden später diskutiert.".

Neben den kritischen Fragen gab es für das ZDF aber auch Lob für den Umgang mit der Situation. Der Medienbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Markus Bräuer, sagte dem Internetportal evangelisch.de, er habe großen Respekt vor der Entscheidung, die Sendung abzubrechen.

Spaß und Spiel seien nicht länger das Thema des Abends, wenn ein Mensch verletzt werde. Wetten, dass..? sei das Flaggschiff des ZDF, so der Theologe. Um so höher sei die Entscheidung der Verantwortlichen zu begrüßen, Kosten und Aufwand der Sendung angesichts eines solchen Unfalls hintanzustellen.

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