WDR:"Zimmer frei" schafft sich ab - mit Tränen und Flitterregen

Zimmer frei!

Noch einmal kuscheln, dann ist Schluss: Götz Alsmann und Christine Westermann verabschieden sich von "Zimmer frei!"

(Foto: dpa)

Götz Alsmann singt, Christine Westermann weint. Dann ist Schluss mit der Sendung, in die zum Abschied viel Prominenz gekarrt wird.

TV-Kritik von Hans Hoff

Am Schluss hält der Intendant eine Rede, eine kleine festliche Ansprache auf seine zwei scheidenden Akteure, und die Gelobhudelten stehen da wie zwei Konfirmanden. Sie schauen verlegen in ein Nichts und ertragen ungelenk, dass sie nun auch höchstoffiziell, quasi amtlich gepriesen werden. Da macht sich eine Feierlichkeit breit, wie man sie in 20 Jahren "Zimmer frei!" nie vermisst hat. Und dann folgt der Flitterregen, der bei Christine Westermann endgültig die Schleusen öffnet. Sie weint und bekommt eine innige Umarmung und ein Küsschen von Götz Alsmann, der gar nicht weiter beachtet, dass der Fernsehdirektor währenddessen eine große Torte reinschiebt.

Alsmann schnappt sich ein Mikrofon. "Das war's für immer", singt er mit seiner seltsam schütteren Stimme, die immer ein wenig klingt wie die von Stefan Raab an besseren Tagen. Und Frau Westermann weint dazu. "Es wird noch schlimmer, Christine", sagt Alsmann zwischendrin, und dann wird es schlimmer, noch sentimentaler und mit ein bisschen Bildungsinhalt versehen. "So geht Fernsehen, und ein jeder kann es lernen, von euch, dem Team von 'Zimmer frei!'", trällert er, und dann ist die 700. Ausgabe von "Zimmer frei!" vorbei und ein Erfolgsprodukt Geschichte.

Die ultimative Vollversammlung der Spaßaktionäre

So viele Gäste waren da, so viele Stimmen musste man verdauen, dass der Sendung dabei über weite Strecken die Spannung verloren ging. Aber wer braucht schon Spannung, wenn er eingeladen ist zur ultimativen Vollversammlung der Spaßaktionäre? Kindergeburtstag auf Ecstacy nennt Oliver Welke das zwischendrin sehr richtig, aber leider ist es dann auch wieder ein bisschen wie Omas 80. Geburtstag. Alle meinen es furchtbar gut, aber am Ende ist es dann doch sehr viel.

Es fehlt die Konzentration auf einen Gast, dem man beim langsamen Entgleisen zusehen kann, so wie es bei "Zimmer frei!" stets schöne Tradition war. Stattdessen wird die Prominenz schubweise reingekarrt und halbwegs automatisiert um Erinnerungen angebettelt.

Dabei tritt durchaus die eine oder andere überraschende Erkenntnis zutage. Vor allem wenn die Moderatoren ins Plaudern kommen. "Bevor wir da rauskommen, macht er manchmal die Hose auf. Er versucht mich zu schockieren, aber er müsste wissen, dass es nicht funktioniert", berichtet Westermann vom kuriosen Verhalten ihres Bühnenpartners und jubelt dem zum Abschied noch eine kleine Beschwerde unter. "Du hast dich nie für mich interessiert, wenn du ganz ehrlich bist", sagt sie, was ein bisschen klingt wie ein bitterer Satz vor dem Scheidungsanwalt, letztlich aber nichts weiter ist als eine nüchterne Zustandsbeschreibung.

Es war immer reichlich Alkohol im Spiel bei "Zimmer frei!"

Zwei Stunden Programm prall gefüllt "mit Whisky, Weibern und Cha-cha-cha", hat Alsmann zu Beginn versprochen, was natürlich als hemmungslose Übertreibung gemeint ist, aber trotzdem das eine oder andere Fünkchen Wahrheit enthält.

"Man isst wirklich", stellt Guido Maria Kretschmer zwischendrin verwundert fest. So etwas hat er nicht erwartet vom Fernsehen, dass da was Echtes ist, dass man da echtes Essen zu sich nimmt. Aber genau davon hat "Zimmer frei!" 20 Jahre gelebt. Und natürlich vom Trinken.

Es war immer Alkohol im Spiel bei dieser Show. Und zwar in der Regel reichlich. Wahrscheinlich wurde nirgends im deutschen Fernsehen so viel getrunken wie bei "Zimmer frei!". Selbst bei Hugo Egon Balders "Der Klügere kippt nach" oder im "Internationalen Frühschoppen" nicht. Aber wer das so richtig thematisiert, handelt sich rasch eine Rüge vom Gastgeber ein. "Es wird zu viel über Alkohol gesprochen in dieser Sendung", sagt Alsmann irgendwann und springt ansatzlos aufs nächste Thema.

Peinlichkeit ist angestrebtes Ziel in dieser Sendung

Darin sind sie gut bei "Zimmer frei!", auch in der letzten Ausgabe. "Wir schießen mit den allergrößten Kanonen auf die allerkleinsten Spatzen", prahlt Alsmann und ist schon wieder eine Rubrik weiter. Ob Bilderrätsel oder Hausmusik oder quatschalbernes Spiel im Bällebad, stets geht es um nichts bis gar nichts, steht für die Gäste nur die Pflicht im Vordergrund, sich möglichst schnell zum Vollhorst zu machen. Dazu nimmt man auch mal eine Kartoffel in den Mund und versucht, Ortsnamen unfallfrei auszusprechen, oder man zwängt sich in ulkige Kostüme oder setzt sich einen Obstkorb aufs Haupt.

Peinlichkeit ist in dieser Sendung auch anlässlich des Jubiläums kein Unfall sondern explizit angestrebtes Ziel. Aber es wird halt niemand bloßgestellt. Hier kann man Quatsch machen, und es nimmt einem keiner übel. Ist ja "Zimmer frei!" "Man fühlt sich wie bei einem guten BH - gehoben und gestützt", skizziert Thomas Hermanns die Zauberformel.

"So geht Fernsehen"

Und dann muss Alsmann mit Anne Will ins Gesprächszimmer. Will will Geständnisse hören und kriegt sie. "Ich habe unterschätzt, was Christine für Nehmerqualitäten hat", plaudert Alsmann aus dem Nähkästchen der 20 Jahre. Selten war die Partnerin das Reh, für das man sie anfangs hielt. "Irgendwann stellte ich fest: Das verschreckte Rehlein bin ich", sagt Alsmann.

Und dann erklärt er noch, warum sie jetzt aufhören. "Man behandelt uns heute wie die Könige", sagt er und zieht daraus seinen Schluss: "Ich möchte lieber so gehen als wie ein alter Köter vom Hof gejagt zu werden."

Eine Sendung, die sich abschafft, bevor sie niemand mehr sehen will. Das hat es lange nicht mehr gegeben. Das ist nachgerade beispielhaft, das möchte man so manchem anderen Format nahelegen.

Insofern möge eine Zeile aus Alsmanns Abschiedslied besonders nachklingen und all jenen ein Beispiel sein, die noch nach ihrer Form suchen. "So geht Fernsehen."

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