WDR Mediagroup:Werbeverbot? Lässt sich umgehen

Lesezeit: 3 min

Einfach und köstlich - Kochen mit Björn Freitag ist einem Videoclip der WDR Mediagroup zufolge auf ihren Webportalen "werblich buchbar". (Foto: WDR)

In einem Videoclip preist die WDR Mediagroup Möglichkeiten an, das Werbeverbot für das dritte Programm zu umgehen. Die private Konkurrenz ist erzürnt.

Von Hans Hoff

Mit Töchtern hat man es nicht immer leicht. Erst sind sie süß und pflegeleicht, aber irgendwann fangen sie an, sich komisch zu verhalten. Sie schleppen seltsam tätowierte Typen an und üben sich mit Wonne in Heimlichtuerei. Das ist für Eltern nicht leicht zu verkraften, aber wohl der normale Lauf der Dinge. Wie sollte es der ARD da anders gehen?

Über ihre Töchter wickelt die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Produktionen und Vermarktung ab, was für Entbürokratisierung sorgen soll, aber nicht immer reibungslos verläuft. Immer wieder gab etwa die Münchner Bavaria Anlass für Fragen. Erst kürzlich ist die ARD-Produktionstochter wegen unerlaubter Preisabsprachen ins Visier des Bundeskartellamts geraten. Lange stand auch die Frankfurter Degeto nicht nur für seichte Filmchen, sondern auch für sehr eigenwillige Geschäftsführung.

In Köln sitzt die WDR Mediagroup, die für den Muttersender Werbung und Sendungen vermarkten soll, aber auch für andere Zwecke herhalten muss. So lief über diese Tochter der 4,6-Millionen-Euro-Vertrag von Thomas Gottschalk, der dem Showmaster trotz Absetzung seiner täglichen Show das volle Honorar garantierte. Als das öffentlich wurde, war die Aufregung groß. Vor allem, weil der Vertrag am WDR-Rundfunkrat vorbei abgeschlossen worden war. Als kommerzielle Tochter müsse die Mediagroup keine Genehmigung einholen, hieß es.

Geheime ARD-Verträge
:Millionen fürs Däumchendrehen

Thomas Gottschalk sollte von der ARD offenbar 4,6 Millionen Euro erhalten, um 144 Folgen seiner Vorabendshow "Gottschalk Live" zu moderieren. Doch er trat nur 70 Mal auf - bekam aber offenbar die volle Summe.

Von Hans Hoff

"Erstmals WDR-Inhalte werblich buchbar"

Just diese Firma betreibt auch mehrere Webportale, die recht rabiat die Grenzen dessen auszutesten scheinen, was sich beitragsfinanzierte Sender erlauben dürfen. "Drinnen & draußen" und "Rat und Tat" heißen zwei dieser Angebote, die sich über Werbung finanzieren sollen.

In einem Videoclip auf den Seiten der WDR Mediagroup hieß es dazu, dass man sich in Sachen Bewegtbild besonders der Inhalte des WDR Fernsehens bediene. Von Beiträgen aus der Servicezeit, der Lokalzeit und der Aktuellen Stunde war da die Rede, aber auch von Formaten wie der Kochsendung Einfach und köstlich. Und: "Für den Werbekunden ist besonders interessant, dass erstmals WDR-Inhalte werblich buchbar sind."

Die so gelobten Möglichkeiten kratzen aber am Werbeverbot, das dem WDR für sein drittes Programm auferlegt ist. Die Mediagroup umgeht das, indem sie die Filmchen offiziell vom WDR zu "marktkonformen Preisen" einkauft und sie dann mit Reklame an den User bringt. Dass so etwas nicht nur den Ruf der Programmmarken beschädigen könnte, sondern auch eine Gefahr darstellt für Sendungen, die dann möglicherweise bald werbefreundlicher gestaltet werden, liegt auf der Hand.

Naturgemäß stößt dieses Vorgehen auf Kritik der privaten Konkurrenz. "Das, was die WDR Mediagroup da macht, ist die Karikatur dessen, was der Gesetzgeber wollte", sagt Tobias Schmid. Der Chef des Privatsenderverbandes VPRT zeigt sich fassungslos, vor allem von der Anpreisung, dass nun erstmals Inhalte werblich buchbar seien. "Sich damit noch zu brüsten, zeugt von einem tief verwurzelten Gefühl der Unverwundbarkeit", sagt er. Es möge ja sein, dass man glaube, eine Lücke im Staatsvertrag entdeckt zu haben. Vom Gesetzgeber gewollt sei das Vorgehen sicher nicht.

Schmid stuft den Vorgang als Sündenfall ein, dem andere folgen könnten: "Würde diese Praxis zugelassen, könnten im Ergebnis die Anstalten ihr beitragsfinanziertes Angebot über die kommerziellen Töchter unverändert oder anders konfiguriert streamen, auf diesem Wege zweitvermarkten und parallel zum eigentlichen öffentlich-rechtlichen Programm 'ausstrahlen'."

Dass auch den WDR-Verantwortlichen nicht durchweg wohl ist bei ihrem Tun, zeigt die Reaktion auf eine entsprechende SZ-Anfrage vom Mittwoch: Kurze Zeit später wurde das Werbevideo offline genommen. "Wir haben die WDR Mediagroup gebeten, auf den genannten Werbefilm zu verzichten", sagt eine WDR-Sprecherin.

Kaum Schuldbewusstsein

Das Angebot sei in den Gremien, besonders im Verwaltungsrat, mehrfach diskutiert worden, sagt Ruth Hieronymi, die Vorsitzende des WDR-Rundfunkrates. "Da die Gremien eine aufsichtsrechtliche Klarstellung beantragt haben, sind die Beratungen allerdings noch nicht abgeschlossen."

Zu der grundsätzlichen Frage, ob man für den Betrieb der Seiten eine Genehmigung brauche, habe der WDR-Verwaltungsrat eine Anfrage an die Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen gerichtet, da der Wortlaut der gesetzlichen Grundlagen nicht eindeutig sei, sagt die WDR-Sprecherin.

Wenig schuldbewusst gibt man sich indes bei der WDR Mediagroup. Auf die Frage, ob da keine Beschädigung von werbefreien Programmmarken wie der Lokalzeit drohe, antwortet Sprecherin Claudia Scheibel mit dem Hinweis, dass die Nutzer der Seiten nicht nach den Programmmarken suchten, sondern nach Inhalten wie Rezepten oder Freizeittipps. "Zudem setzen wir die Werbung sehr dosiert und ausgewählt ein", sagt sie.

Was Töchter halt so sagen, wenn sie ihren Eltern den tätowierten Typen schön und harmlos reden wollen.

© SZ vom 31.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: