WDR-Komödie:Alle ein bisschen Dose

Zwei Freunde auf der Suche nach (der) Liebe: "Jürgen - Heute wird gelebt" ist ein lustiger und melancholischer Film von und mit Heinz Strunk.

Von David Denk

Es ist eine Kleinigkeit, aber manchmal reicht ja schon eine Kleinigkeit, um für einen Film einzunehmen: Allein die Art und Weise, wie Heinz Strunk als Jürgen Dose seinen im Rollstuhl sitzenden Freund Bernd Würmer (Charly Hübner) die Rampe des Parkhauses runterschiebt, in dem Dose als Pförtner seine Tage zubringt, mit leicht gebeugten Knien und Trippelschritten nämlich, hat etwas unvermittelt Anrührendes - gerade weil es eigentlich keinen Grund gibt, so zu gehen. Doch Strunk wird schon wissen, was er da tut. Schließlich ist Dose sein Geschöpf, erfunden 1994 für das Album "Der Mettwurstpapst".

23 Jahre später ist nach mehreren Anläufen doch noch ein WDR-Film um die Figur entstanden, Jürgen - Heute wird gelebt (Regie: Lars Jessen), für den Strunk das Drehbuch geschrieben hat und die Titelrolle gleich selbst spielt. Denn Doses Geschichte ist auch ein Stück weit seine eigene. Man tritt Strunk nicht zu nahe, wenn man ihn einen Verzweiflungstäter nennt, einen Spaßmacher aus Notwehr. Humor sei für ihn "eine Notwendigkeit, um meinen ewigen Ernst zu relativieren", sagte er der SZ. Strunk war jahrelang depressiv.

Wie auch er selbst früher pflegt Jürgen Dose seine bettlägerige Mutter, die im Film nur als herrschsüchtige Stimme aus dem Off vorkommt - und doch im Zentrum seines Lebens steht, es bestimmt. Man könnte Typen wie Dose und seinen Kumpel Bernd Verlierer nennen oder einfach zwei mittelalte Männer, begrenzt attraktiv und intelligent, auf der Suche nach (der) Liebe. Die führt sie nach Stettin, auf einen von der Firma Europ Love organisierten Paarungstrip - Motto: "In Polen sind noch Herzen frei". Die beiden glauben an ihr Glück - nur die Welt spielt nicht mit.

Zum Abschied sagt Dose "Ceaușescu" und, wenn er Frauen den Vortritt lässt, "Ladies first, James Last". Natürlich ist die Figur überzeichnet, aber so sehr dann auch wieder nicht. Man kennt solche Typen, aus dem Bus oder der Kneipe an der Ecke, von denen der Film unsentimental und regelrecht zärtlich erzählt. Jürgen - Heute wird gelebt ist eine Komödie ohne Schenkelklopfer, keine Witzischkeit zum Mitklatschen, vielmehr das manchmal sogar lustige Drama der menschlichen Existenz. Wir sind alle ein bisschen Dose - ob wir nun wollen oder nicht. Natürlich wollen wir nicht.

Heinz Strunk mag trotz wiederholter Filmauftritte (Immer nie am Meer, Fraktus) ein schauspielerischer Laie sein, doch als Jürgen Dose kann er nur brillieren. So vertraut ist ihm sein Alter Ego - und so unbedingt kann er sich auf seine Mitspieler verlassen, allen voran Charly Hübner als naiv-aufmüpfigen Konterpart zum naiv-duldsamen Dose. Aber auch der Rest des kleinen Ensembles (Friederike Kempter, Peter Heinrich Brix) verschreibt sich einer stets wohldosierten Skurrilität, die den Figuren ihre Würde lässt, ohne den Zuschauer zu langweilen.

Jürgen - Heute wird gelebt, Das Erste, 20.15 Uhr.

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