Wahl beim WDR:Intendant aus der Losbude

Tom Buhrow WDR

Favorit auf den Posten des WDR-Intendanten: Tom Buhrow

(Foto: dpa)

Beim WDR, der größten und reichsten ARD-Anstalt, wird ein neuer Senderchef gewählt. "Wir haben eine offene Wahl ohne Empfehlung", heißt es. Aber es drängt sich der Verdacht auf: Dem Rundfunkrat könnte an einem schwachen Kandidaten gelegen sein.

Von Hans Hoff

Wenn an diesem Mittwoch gegen elf Uhr der Rundfunkrat des WDR zur Wahl des neuen Intendanten zusammentritt, dann werden sich die Türen hinter den 48 Mitgliedern für eine ziemlich lange Weile schließen. Sieben Stunden hat die Rundfunkratsvorsitzende Ruth Hieronymi für die Gesamtprozedur angesetzt. In der Zeit will sie zuerst einen Bericht aus der Findungskommission geben. Danach sollen sich die drei Kandidaten vorstellen. Erst wenn ausreichend diskutiert wurde, geht es zur Abstimmung. Und ist die einmal gestartet, steht am Ende zwangsläufig ein neuer Intendant.

So sieht es zumindest das WDR-Gesetz vor, andere ARD-Anstalten haben andere Wahlverfahren - beim MDR etwa ist es möglich, dass der einzige zur Wahl vorgeschlagene Kandidat abgelehnt wird, und noch einmal ganz neu gewählt werden muss. Beim WDR wird Intendant, wer im ersten Wahlgang die Mehrheit der Stimmen erhält. Kommt solch eine Mehrheit nicht zustande, erfolgt sogleich ein zweiter Wahlgang, bei dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Notfalls gibt es sogar einen dritten Wahlgang. Geht auch der mit Stimmengleichheit zu Ende, entscheidet das Los. Jawoll, so sieht es das Gesetz vor. Notfalls kommt der neue Intendant des WDR, des größten und reichsten Senders in der Sendergemeinschaft, halt aus der Losbude.

"Wir haben eine offene Wahl ohne Empfehlung", betont Hieronymi immer wieder. Sie ist sehr stolz auf das, was die von ihr geleitete Findungskommission dem Rundfunkrat da an Kandidaten vorgeschlagen hat. Das sei einzigartig in der Geschichte des Rundfunkrats, solch ein transparentes Verfahren, bei dem eben nicht von vorneherein feststehe, wer der Wunschkandidat der Parteien sei.

"Der Rundfunkrat hat eine Wahl"

Fragt man Hieronymi nach der Aufteilung der Macht im Rundfunkrat, mag sie erst gar nicht antworten. Das sei die falsche Frage, belehrt sie. Der Rundfunkrat sei nicht mehr festgelegt nach Parteienproporz. "Der Rundfunkrat hat eine Wahl", bekräftigt sie noch einmal. Fragt man dann noch mal, will sie wieder nicht antworten. Erst nach einer Weile erfährt man, dass 13 der 48 Mitglieder vom NRW-Landtag nach dem dort herrschenden Proporz entsandt wurden. Die restlichen 35 Mitglieder sind Vertreter von gesellschaftlich wichtigen Gruppen und Verbänden, die sogenannten Grauen. "Die lassen sich nicht mehr so einfach festlegen", sagt Hieronymi.

Dass die Grauen von Kritikern auch mal als Vereinsmeier bezeichnet werden und der Rundfunkrat in Fragen der Kompetenz für die Aufsicht über eine Anstalt mit mehr als 4000 Mitarbeitern und 1,4 Milliarden Euro Jahresumsatz als Laienspielschar verspottet wird, empört naturgemäß die Vorsitzende. Sie ist förmlich berauscht vom Ergebnis der Vorauswahl. So gut sei es noch nie gewesen.

Schönenborn kommt nicht zum Zuge

Müsste man dem Rundfunkrat ein Arbeitszeugnis ausstellen, könnte man leicht hineinschreiben, er habe im Rahmen seiner Möglichkeiten das Beste herausgeholt. Im Rahmen seiner Möglichkeiten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass es bessere Kandidaten gäbe als jene, die nun zur Wahl stehen. Allerdings weiß man auch, dass etliche geeignete Fachkräfte der Findungskommission abgesagt haben, weil sie sich einem Verfahren verweigerten, bei dem sie öffentlich als einer von drei Bewerbern ins Rennen gehen und somit im Falle einer Niederlage als Verlierer heimgehen müssten.

Es rächt sich nun, dass der Rundfunkrat von vorneherein die Kandidatur interner Bewerber ausgeschlossen hat. So kommt etwa der WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn nicht zum Zuge, den angesichts der nun vorliegenden Auswahl viele im WDR für den besseren Kandidaten halten. Allerdings herrschte im Rundfunkrat der Glaube, Schönenborn könne aufgrund seines Alters (er ist 48) für mehr als zwei Amtszeiten infrage kommen und sich in dieser Zeit zu einem kleinen Sonnenkönig entwickeln, so wie es in den Augen etlicher Fritz Pleitgen in seinen letzten Jahren war. Der hatte den Rundfunkrat nach Belieben gelenkt und galt als der eigentliche Chef des Gremiums, das ihn eigentlich überwachen sollte.

Nicht noch ein Sonnenkönig

Das alles nährt den Verdacht, dass dem Rundfunkrat eher an einem schwachen Kandidaten gelegen ist, an einem, bei dem die Mitglieder noch etwas entscheiden dürfen. Inzwischen heißt es vielerorten, Schönenborn solle möglicherweise im kommenden Jahr die scheidende Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff beerben.

Um 18 Uhr am Mittwoch will Ruth Hieronymi der Presse den neuen WDR-Intendanten vorstellen. Aufhalten ließe sich die Wahl nur, wenn es gar nicht erst zur Abstimmung käme. Damit ist aber anhand der Einmütigkeit, mit der die Findungskommission agierte, kaum zu rechnen.

Es riecht nicht nach Revolution im WDR. Eher nach normalem Geschäft. Das passt zum Programm.

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